Renten für
NS-Verfolgte?
Bitte unterschreiben Sie folgende
Petition:
PrVG-Renten für politisch,
rassistisch und religiös Verfolgte von 1933 - 1945
Heute, am 19. 02., wurde die Vorlage kurzfristig von der Tagesordnung des
Abgeordnetenhauses gestrichen. Recherchen meinerseits ergaben, dass
Innensenator Dr. Körting von seiner Verwaltung über die Sachlage anscheinend
unzureichend informiert worden ist.
Eine Ergänzung zur Presseerklärung vom 16.
Februar 2004:
In einem Telefongespräch hat mir
der Berliner Innensenator Dr. Erhard Körting (SPD) am 18. 02. 2004 folgendes
vermittelt:
Gesprache über eine geplante
Veränderung des Gesetzes haben vor längerer Zeit mit dem Beirat
stattgefunden. Dabei wurde dieser informiert, dass im Rahmen der Veränderung
des Gesetzes die kontinuierliche Anpassung der Renten und ein Ende der
möglichen Antragsstellung zum 31.12.2004 wirksam werden. Die längst fällige
Rentenanpassung wurde begrüßt, der Stichtag kritisiert. Dieser bedeutet,
anspruchsberechtigte in Berlin lebende Berlinerinnen und Berliner müssen
ihren Antrag vor dem 31.12.2004 einreichen. Spätere Anträge werden nicht
berücksichtigt. Als Grund für die Gesetzesänderung nannte Senator Dr.
Körting die Vereinheitlichung geltenden bundesdeutschen Rechts. Das PrVG
gäbe es nur im Bundesland Berlin. Finanzielle Überlegungen spielten keine
Rolle. Zusammengefaßt: Wird das Gesetz geändert, müssen alle in der Nazizeit
verfolgten anspruchsberechtigten ehemaligen Berlinerinnen und Berliner in
Berlin wohnen und den Antrag so schnell wie möglich einreichen, auch dann,
wenn die Rente wie bei den Geburtsjahrgängen 1942, 43, 44 erst nach dem
31.12.2004 fällig werden sollte.
Angesprochen auf die Frage, warum die ca. 600 nach dem Stichtag 31.12.1991
eingereisten jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion als
ehemalige Verfolgte nicht in die Regelung nachträglich aufgenommen werden,
verwies der Senator auf den Stichtag 1.1.1991, auf die angestrebte
Gesetzesgleichheit und die bekannte Lage der Stadt.
Elfi Janzten, MdA Grüne/Bündnis 90 sagte mir telefonisch am 18. Februar,
dass die vorgesehene Änderung des Gesetzes zwar vom Senat in die Sitzung des
Abgeordnetenhauses am 19. 02.04 zur I. Lesung eingebracht worden ist, aber
in dieser Sitzung nicht beschlossen wird. Die Gesetzesvorlage wird
zur Beratung und Prüfung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und
Ordnung sowie den Hauptausschuss überwiesen. Erst danach würden
Entscheidungen gefällt.
Heute, am 19. 02., wurde die Vorlage kurzfristig von der Tagesordnung des
Abgeordnetenhauses gestrichen. Recherchen meinerseits ergaben, dass
Innensenator Dr. Körting von seiner Verwaltung über die Sachlage anscheinend
unzureichend informiert worden ist. Auf der Sitzung im letzten Herbst
(Vertreter der Innenverwaltung, Sozial- und Finanzverwaltung,
Senatsentschädigungsbehörde, Verfolgtenverbände und Sinti und Roma)
wurden dem Vernehmen nach schwere Bedenken wegen des Stichtags geäußert. Die
Senatsvertreter verwiesen auf einen langen Bedenkzeitraum,
Verfolgtenverbände legten damals Material vor, das die Regelungen in anderen
Bundesländern be- und damit die Behauptung der Berliner Einmaligkeit
widerlegte. In Hamburg, Bremen, Hessen und Nordrhein Westfalen gibt es
ähnliche Leistungen, allerdings nicht als Gesetz, sondern in Form von
Stiftungen. Nordrhein Westfalen soll die großzügigste Lösung getroffen
haben, da hier die Zahlung nicht auf andere Einkommen angerechnet wird. In
Berlin müssen die Empfänger ihre Einkünfte angeben, die Rentenhöhe wird
danach berechnet.
Noch einmal zur Klarstellung: Das Gesetz betraf zunächst alle Verfolgten,
die in Berlin lebten. Ab 1.1.1991 wurden NS-verfolgte Ausländer, die erst
jetzt nach Berlin kamen, von der Regelung ausgenommen (s. jüdische
Zuwanderer). Ab 1.1.97 (Regelung 1996) betraf dies auch alle neu nach Berlin
ziehenden verfolgten Deutschen. Die Regelung galt nunmehr nur noch für in
Berlin lebende oder nach Berlin zuziehende ehemalige NS-verfolgte
Berlinerinnen und Berliner. Diese könnten nach dem geplanten neuen Gesetz
also bis 31.12.04 ihre Anträge einreichen, die mit den „Altfällen“
bearbeitet würden
Durch das Ableben der zumeist im hohen und sehr hohen Alter stehenden
Bezieherinnnen und Bezieher, deren schwerer Leidensweg als Verfolgte des
Naziregimes Grund für die bescheidenen Renten ist, wird eine
Haushaltsentlastung proportional programmiert. Da die Sterberate und die
Neuaufnahme aus Gründen der Verfolgungszeit 1933 – 1945 in keinem Verhältnis
stehen können, ist und bleibt es unverständlich, weshalb eine solche Aktion
überhaupt nötig ist.
Man stelle sich folgendes Beispiel vor: Frau X., 1925 in Berlin geboren,
hier ab 1933 verfolgt, gerade noch 1938 nach Südamerika ausgewandert, dort
mit Herrn Y.verheiratet.,der kein Deutscher ist, beschließt wegen
plötzlicher Witwenschaft im Februar 2005 nach Berlin zurückzukehren, um
hier, in ihrer alten Heimat das Lebensende zu verbringen. Da sie wegen
Erkrankung ihres Mannes diesen Umzug nicht bereits vor dem 31.12.04
vollzogen und danach in Berlin die Rente beantragt hat, steht ihr als
ehemaliger Deutschen nur Sozialhilfe zu. Wieviel Fälle wie den von Frau X.
kann es überhaupt noch geben? Hier muss m.E.. eine Lösung in Interesse der
damals Vertriebenen, doch erst heute und morgen aus welchem Grund auch immer
Rückkehrwilligen getroffen werden.
Dr. Irene Runge
1. Vorsitzende des JKV
Das Thema wurde bereits 2001/2002
diskutiert:
Schreiben des Jüdischen Kulturvereins
Finanzsenatorin legt "Giftliste" vor
hagalil.com
19-02-2004 |