Jüdisches Leben in
Südamerika:
Ecuador
Neue Blüte der kleinen jüdischen Gemeinde in Ecuador
Von Larry
Luxner
Nachrichtenpool Lateinamerika e.V.
An der
Panamerikana nahe der Hauptstadt Quito steht das bedeutendste Denkmal
Ecuadors: ein Erdball aus Zement mit einer gelben Linie, die den Äquator
nachzeichnet, genau dort, wo sich Nord- und Südhalbkugel treffen. Acht
Kilometer weiter steht ein anderes Denkmal, weitaus bescheidener, aber nicht
weniger bedeutend, zumindest für die jüdischen Bürger des Andenlandes: das
prächtige Zentrum der Jüdischen Gemeinde von Ecuador (CJE). Der elegante Bau
erinnert an den jüdischen Teil Jerusalems.
Seit einem
knappen Jahr fertiggestellt, beherbergt der Komplex neben einer Synagoge
einen Raum für das Studium der Tora, einer Mikvah auch eine Cafeteria, Sauna
und Schwimmbad, mehrere Büros und außerdem einen Tanzsaal, der mehr als
genug Raum böte für sämtliche Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft des
ganzen Landes. Insgesamt leben nur etwa 700 Juden in Ecuador. Würde man
aber, so meint der Vorsitzende der CJE Enrique Heller, eine Umfrage machen
zum Thema "was schätzen Sie, wie viele Juden in Ecuador leben", so lägen die
Schätzungen bestimmt bei bis zu Hunderttausend.
Heller ist
Eigentümer von Texas Chicken, einer Fast Food Kette, die jeder in Ecuador
kennt. Er erzählt von anderen bekannten Persönlichkeiten der jüdischen
Gemeinde: "Zwei unserer Mitglieder haben für das Bürgermeisteramt kandidiert
- dass sie nicht gewonnen haben, lag allerdings nicht daran, dass sie Juden
sind. In Argentinien wäre es fast undenkbar, dass sich ein Jude um ein
öffentliches Amt bewirbt, hier gibt es immerhin die Möglichkeit dazu," meint
er.
Jahrhunderte
lang war der jüdische Bevölkerungsanteil in Ecuador verschwindend gering,
aber erst vor kurzem sind in der Stadt Loja Spuren jüdischer Kultur gefunden
worden, die darauf hindeuten, dass es im 17. Jahrhundert bereits eine
florierende jüdische Gemeinde gegeben haben könnte.
"Offensichtlich
gab es unter den spanischen Eroberern auch einige Juden, die wahrscheinlich
sogenannte "marranos" waren - Juden also, die sich hatten taufen lassen, die
aber versteckt noch den jüdischen Glauben praktizierten", weiß Jonny
Czarninski, Geschäftsführer einer Ladenkette in der lärmenden Hafenstadt
Guayaquil, zu berichten. Die heutige jüdische Gemeinde in Ecuador gehe
allerdings in vor allem auf den zweiten Weltkrieg zurück.
Die Gemeinde in
Guayaquil entstand bereits 1939, viel früher also als die in Quito. Heute
umfasst letztere 620 der 700 Juden und Jüdinnen des Landes. 1945 sah das
zunächst anders aus: 2000 jüdische Flüchtlinge kamen nach Guayaquil. Fast
alle Flüchtlinge waren Ashkenasi: Deutsche, Österreicher oder Polen. Sie
brauchten das Visum um jeden Preis, manche kauften es sich, andere kamen
über Freunde hierher. "Aber stellen sie sich den Klimawechsel vor - die
meisten zogen, sobald sie konnten, nach Quito oder Cuenca, wo das Klima dem
europäischen ähnlicher ist", erzählt Czarninski, der außerdem das Amt des
israelischen Ehrenkonsuls innehat. Bis 1975 seien fast alle, bis auf ein
paar Familien, wieder weggezogen. Die heutige Gemeinde setze sich aus Juden
zusammen, die in den letzten Jahren aus Argentinien, Peru, Kolumbien oder
Israel gekommen seien.
Der Sitz der
Jüdischen Gemeinde in Guayaquil liegt im ärmlichen Stadtteil Mapasingue,
dort schimmelt der Müll auf den kaputten Strassen vor sich hin. Betritt man
dagegen das Gemeindezentrum, scheint es, als befinde man sich in einer
anderen Welt. Der gut gepflegte Garten mit dem weiß gestrichenen Gebäude
zeugen vom Stolz und relativem Wohlstand der Jüdischen Gemeinde in
Guayaquil. "Vor zwanzig Jahren gab es hier kein jüdisches Leben mehr - jetzt
haben wir geschafft, es wieder aufzubauen," erzählt Czarninski.
Mit seinen 93
Jahren ist Gerardo Anker einer der Ältesten in der Gemeinde. Er berichtet -
auf spanisch mit dem charakteristischen deutschen oder jiddischen Akzent -
davon, wie schwer es war, überhaupt ein Visum zu bekommen. Anker kam 1941
von Frankreich in das Andenland. Ecuador war eines der wenigen Länder, die
jüdische Flüchtlinge einreisen ließen. Laut Anker ist er in all den Jahren,
die er nun in Ecuador lebt, noch kein einziges Mal mit Antisemitismus
konfrontiert gewesen. Dennoch hält auch das nur die wenigsten dort. Von den
500 Schülern der jüdisch-ecuadorianischen Schule "Albert Einstein" in Quito
sind nur etwa zehn Juden.
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hagalil.com
21-12-2003 |