Die Mär vom jüdischen Bolschewismus:
Hohmann, der General und der Fall Angela Merkel
Von Max Brym
Der CDU Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann aus Hessen
distanzierte sich nicht von seiner
antisemitischen Rede vom 3. Oktober 2003. Er distanzierte sich lediglich
von missverständlichen Formulierungen, die er gebrauchte. Seine
Festansprache in seiner Heimatgemeinde im osthessischen Neuhof war
unmissverständlich antisemitisch. Hohmann sagte nach einem sogenannten
historischen Exkurs über den Bolschewismus.: "Man könne Juden mit einiger
Berechtigung als Tätervolk bezeichnen". Da ist sie wieder, die Mär vom
jüdischen Bolschewismus.
Die russische Revolution von 1917 wird nicht einfach
abgelehnt wie es jeder bürgerliche Reaktionär tut, nein, nach der Logik von
Hohmann ist sie Ausdruck verbrecherischer Bestrebungen des "Judentums".
Ausdrücklich bezog sich Hohmann auf den amerikanischen Fabrikanten
Henry Ford, der dies auch behauptete. Er vergaß
nur hinzuzufügen, dass dieser Henry Ford in den zwanziger Jahren "Die
Protokolle der Weißen von Zion", eine Fälschung der zaristischen
Geheimpolizei, auf den Weltmarkt warf. Das frühe Büro Hitlers zierte eine
Fotografie Henry Fords. Im hessischen Neuhof sprach der saubere Hohmann von
"jüdischer Schuld" im Zusammenhang mit der russischen Oktoberrevolution. Im
vorletzten Jahrhundert machten Antisemiten "die Juden" verantwortlich für
die bürgerliche französische Revolution 1789. Aus diesem Surrogat bastelten
die Nazis die "jüdisch-bolschewistisch-plutokratischen- Weltverschwörung".
Der antisemitische Wahn führte bekanntlich nach Auschwitz.
In Wahrheit rechtfertigt Hohmann die Shoa oder versucht
sie ganz im Stil des berüchtigten Ernst Nolte als "Abwehrreaktion gegen den
Bolschewismus" erscheinen zu lassen. Hohmann ist nicht einfach
Antikommunist, er sucht wie sein literarischen Stichwortgeber Bieberstein (Jüdischer
Bolschewismus- Mythos und Realität), nach Bolschewisten mit
jüdischer Abstammung. Ganz im Stil der "Philosophie" Alfred Rosenbergs wird
Geschichte aus den soziologischen und ökonomischen Zusammenhängen
herausgenommen und nach der Abstammung einzelner historischer Akteure
gefragt. Da ein Leo Trotzki oder ein Karl Radek eine jüdische Abstammung
hatten ist selbstverständlich die russische Revolution ein Werk des
Judentums. Diese schlecht aufgemotzte Stürmer Logik ist die Leitlinie eines
CDU Bundestagsabgeordneten. Herr Hohmann spricht sich aktuell
selbstverständlich für die weitere Misshandlung von Sozialhilfeempfängern
aus und fordert eine generelle Verschärfung rassistischer
Gesetzgebungsmaßnahmen.
Angela Merkel und Martin Hohmann
Unerträglich nannte die CDU Vorsitzende Angela Merkel die
Äußerungen von Martin Hohmann. Dabei versucht sie den Eindruck zu erwecken,
dass sie von den Ausführungen Hohmanns überrascht worden sei. Momentan
scheint keiner in der CDU die Haltung Hohmanns gekannt zu haben. Wer das
glaubt, glaubt auch, dass eine Kuh hervorragende Leistungen im Eiskunstlauf
abliefern könnte. Dieser Hohmann löste 1998 Alfred Dregger im Wahlkreis
Fulda ab. Er gewann zweimal den Wahlkreis für die CDU. Aus seinem Herzen
machte er auch in der Vergangenheit keine Mördergrube. Er ist in der
hessischen CDU kein Unbekannter und passt ausgezeichnet in den
Landesverband. Roland Koch wurde Ministerpräsident in Hessen mit der
rassistischen Doppelpasskampagne. Kurz danach war die hessische CDU in einen
Spendenskandal verwickelt. Ihre Schwarzgelder rechtfertigte sie mit den
Spenden "anonymer verstorbener jüdischer Großspender". Bedenkenlos versuchte
die CDU mit antisemitischen Stereotypen aus der Bredouille zu kommen.
Den MdB Hohmann schickte die CDU Bundestagsfraktion
ausgerechnet in den Ausschuss für Inneres, dort war er für die CDU "Referent
für die Entschädigung von Zwangsarbeitern". Natürlich bekämpfte Hohmann die
Entschädigung von Zwangsarbeitern und im Jahr 1999 stimmte er gegen das
Holocaust- Mahnmal in Berlin. Er fabulierte im Bundestag über: "Das Ende der
Bußzeit für Naziverbrechen". Hohmann schrieb für rechtsradikale
Zeitschriften wie die "Junge Freiheit", zudem trat
er zusammen mit Naziideologen bei Seminaren auf. Der CDU und Angela
Merkel war der Antisemitismus des Herrn Hohmann sowie seine Einbindung in
rechtskonservative und profaschistische Netzwerke bekannt. Oder wissen die
Damen und Herren nicht, was ihre Abgeordneten und Referenten so referieren?
In der CDU wird latenter Antisemitismus praktiziert und offener
Antisemitismus toleriert.
Ein Beleg dafür sind die Konsequenzen, die Herr Hohmann zu
tragen hat. Er wurde nicht aus der Bundestagsfraktion ausgeschlossen, es
gibt keinen Antrag, der den Parteiausschluss des Antisemiten Hohmann
fordert. Statt im Ausschuss für "Inneres" hockt Hohmann jetzt im Ausschuss
für Umwelt. Dort soll sich der saubere Herr mit Reaktorsicherheit befassen.
Frau Merkel erteilte Herrn Hohmann eine Rüge, allerdings verzichtete sie auf
einen Eintrag in die Kaderakte, so hätte man das früher in der DDR genannt.
Ein Ausschluss Hohmanns aus der CDU ist für Angela Merkel undenkbar, denn in
einem ist Herrn Hohmann zuzustimmen, er erklärte gegenüber dem Magazin
"Frontal", "dass viele in der Fraktion meine Ansichten teilen". Das ist
wahr, der Antisemitismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft und Angela
Merkel kann oder will trotz starker Worte gegen Hohmann nicht vorgehen.
General Reinhard Günzel
Am 4. November 2003 entließ Verteidigungsminister Peter
Struck Brigadegeneral Reinhard Günzel. General Günzel kommandierte die KSK
(Kommando- Spezial Kräfte), Standort in Calw am Rhein. Diese Truppe soll das
Pedant zu den amerikanischen Ledernacken abgeben. Der General befehligte
eine absolute Elitetruppe. In einem Brief an Hohmann schrieb der General:
"Ich gratuliere Ihnen zu ihrer ausgezeichneten Ansprache". Außerdem
bescheinigte er dem CDU Politiker "Mut". Minister Struck feuerte daraufhin
den General. Bedenklich stimmte die Begründung des Ministers, er meinte,
"dass die Ansichten des Generals isoliert und vereinzelt seien." Das
entspricht mit Sicherheit nicht der Realität. Ein General und Leiter einer
speziellen Kampfgruppe ist mit seiner Meinung nicht isoliert. Nur durch ein
bestimmtes politisches Klima in der Armee ist es möglich, dass ein solcher
Typ wie Günzel zum kommandierenden General wird.
Allein die Namen vieler Kasernen in Deutschland, weisen
auf den Geist in weiten Teilen der Bundeswehr hin. Neben Hindenburg und
Moltke Kasernen gibt es eine Generalfeldmarschall Ritter von Leeb Kaserne,
letzterer war 1941 Leiter der Heeresgruppe Nord. Wenn Verteidigungsminister
Struck als Grund für die Absetzung Günzels "das Ansehen Deutschlands im
Ausland angibt", dann kann einem nur übel werden. Warum verurteilt Struck
nicht den Antisemitismus des Herrn Generals. Die Entlassung des Generals hat
schlicht pragmatische Gründe, es geht um die Reputation Deutschlands. Den
Antisemitismus Hohmanns attackiert weder Frau Merkel, noch greift
Verteidigungsminister Struck den Antisemitismus des Generals Günzel an.
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hagalil.com
05-11-2003 |