Theodor Lessing Preis für Aufklärerisches Handeln: 
    Rede von Ilka Schröder
 
              
              
 
        		Preis für aufklärerisches Handeln: 
        
              
            Ilka 
				Schröder erhält Lessing Preis 
				Frau Schröder hat sich im Europäischen Parlament vielfach dafür 
				eingesetzt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss 
				einzuberufen, der die Finanzierung der Palästinensischen 
				Autonomie-behörde durch die Europäische Union überprüft und 
				transparenter macht... 
    
    "Meine sehr verehrten Damen und Herren! 
    
    Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Einladung und die 
	Verleihung dieses Preises an mich. Sie haben mir für mein Engagement gegen 
	die EU-Politik im Nahen Osten und die indirekte Finanzierung antisemitischer 
	Terror-Attacken einen Preis für aufklärerisches Handeln verliehen. Lassen 
	sie mich ein paar Worte über die Grenzen der Aufklärung sprechen. 
    
    Schnittlauch, meine Damen und Herren, hat mit Antisemitismus 
	und Antizionismus eigentlich gar nichts zu tun. Außer wenn das reizvolle 
	Küchenkraut aus Israel kommt und in die EU eingeführt werden soll. Dann kann 
	dieses Lauchgewächs Auslöser heftigster antizionistischer Hassattacken sein, 
	und zum Beweis dafür werden, dass Israel absichtlich und aus Prinzip gegen 
	das Völkerrecht, gegen abgeschlossene Verträge und gegen Treu und Glauben 
	verstößt — jedenfalls, wenn das Europäische Parlament, wie vor zwei Wochen, 
	über das Assoziierungsabkommen mit Israel diskutiert. 
    
    Die Sache ist eigentlich recht einfach: Waren aus Israel 
	unterliegen bei der Einfuhr in die EU, wie Waren aus vielen anderen Ländern 
	auch, geringeren Zöllen. Das wurde in den 70er Jahren vereinbart, als die 
	Europäische Gemeinschaft noch ein treuer Verbündeter von USA und Israel war. 
	Heute will man Israel destabilisieren und schwächen, um diesem Staat einen 
	Frieden aufzuzwingen, der ihn wehrlos macht. Ein Mittel dazu können auch 
	Zölle auf Schnittlauch sein — und auf anderes Obst und Gemüse. Zwischen 
	Israel und der EU gibt es bekanntlich Meinungsverschiedenheiten darüber, was 
	die Grenzen von Israel sind, und was die Hauptstadt von Israel ist. Die EU 
	betrachtet Gaza, Westbank und Ost-Jerusalem als Palästina, Israel hält den 
	Status für völkerrechtlich ungeklärt, bis es einen endgültigen 
	Friedensvertrag gibt. Die EU möchte Israel nun ihre Sicht aufzwingen, in dem 
	sie Produkte aus den sog. "besetzten Gebieten" und aus Ost-Jerusalem mit 
	höheren Zöllen belegen will. 
    
    Allerdings nicht alle Produkte. Die EU will nur jene Produkte 
	aus diesen Gebieten, die von Juden produziert werden, mit höheren Zöllen 
	belegen, denn mit den Palästinensischen Autonomiegebieten hat die EU ja auch 
	ein Zollabkommen. 
    
    Wären Sie vor drei Wochen in Straßburg gewesen, Sie hätten 
	angesichts der Debatten über Israel nicht geglaubt, dass die Europäische 
	Union einer der größte Finanziers des Kriegs gegen Israel ist. Es wäre Ihnen 
	unwahrscheinlich vorgekommen, dass europäische Länder Schulbücher mit 
	antisemitischen Texten finanziert haben, und Sie hätten es für ein Gerücht 
	gehalten, dass im Europäischen Parlament eine Fotoausstellung über den 
	angeblichen "Apartheidstaat" Israel stattgefunden hat - während man übrigens 
	eine Ausstellung über den türkischen Völkermord an den Armeniern 1917 
	verboten hat, weil man befürchtete, sie sei zu kontrovers. 
    
    Der Gestus, mit dem Israel angeklagt wird, und zwar nicht nur 
	der illegalen Einfuhr von Schnittlauch wegen, ist der des getäuschten 
	Gutmütigen, der jetzt endgültig der Geduldsfaden gerissen ist. Man hat sich 
	wirklich bemüht, Israel seine Existenz zu verzeihen. Aber dieser Staat will 
	einfach nicht aus Dankbarkeit für dieses großzügige Entgegenkommen alle 
	Waffen strecken und sich dem europäischen Protegé Arafat auf Gnade und 
	Ungnade ergeben. Darum verlangt man im Europäischen Parlament, welches 
	glücklicherweise wenig zu sagen hat, die Aufhebung des 
	Assoziierungsabkommens. Die Kommission ist da gelassener, sie treibt Handel 
	mit Israel und finanziert den palästinensischen Krieg. 
    
    Nun gehört Heuchelei zur Politik dazu, insbesondere in der 
	Europäischen Union. Jeder weiß, dass wenn die Kommission eine Empfehlung für 
	"leichter zugängliche, gerechtere und besser funktionierende Asylsysteme" 
	vorlegt, es darum geht, die Opfer europäischen und amerikanischen 
	Wirtschaftswachstums schneller in die Folterkeller der geschätzten 
	Handelspartner zurückzutransportieren. 
    
    Und doch geht es um mehr, als nur um Heuchelei, wenn man sich 
	das wachsende europäische Selbstbewusstsein gegen Israel und die USA 
	ankuckt. Denn es sind nicht nur ein paar Vorder- und Hinterbänkler im 
	sowieso recht unwichtigen Europäischen Parlament die gegen Israel hetzen; 
	und Antizionismus ist auch nicht nur das Steckenpferd von Außenkommissar 
	Christopher Patten. Das Wachsen des Antiamerikanismus und Antizionismus in 
	Europa, die Zunahme antisemitischer Übergriffe in Europa zeigen, das wir es 
	mit einem bedrohlichen Bündnis von offizieller Politik und Massenstimmung zu 
	tun haben. Dass in diesem Bündnis linke Gesellschaftskritik zur Planke im 
	europäischen Ticket verkommt, dass die Linke in den letzten zwei Jahren zum 
	Backstage-Chor der EU-Großmachtpolitik wurde, das alles ist tragisch. 
    
    In einer Zeit, in der wieder einmal weltweit "die Juden" an 
	allem Schuld sein sollen, was der globalisierte Kapitalismus so anrichtet, 
	ist das Bündnis zwischen europäischem Antizionismus und arabischem 
	Antisemitismus, das Israel zu destabilisieren und in letzter Konsequenz zu 
	zerstören sucht, sehr bedrohlich. Dieses Bündnis ist umso effektiver, als 
	dass es die Emanzipation der EU von den USA begleitet. 
    
    Die Europäische Union ist seit dem Oslo-Prozess einer der 
	wichtigsten Geldgeber der Palästinensischen Autonomiebehörde. Als die ersten 
	Vorwürfe laut wurden, diese Mittel könnten benutzt worden sein, um der PA 
	"Schwarze Kassen" zur Finanzierung ihres Kriegs gegen Israel zu schaffen, 
	habe ich eine Initiative gestartet, einen Untersuchungsausschuss im 
	Europäischen Parlament einzurichten. 
    
    Dass die Hilfen der Europäischen Union für die PA nicht 
	ordentlich ausgegeben wurden, ist im Parlament und in der Kommission ein 
	offenes Geheimnis. Trotzdem gab es viel Widerstand dagegen, einen 
	Untersuchungsausschuss einzurichten. 
    
    Das ist auch kein Wunder, wenn man sich die europäische 
	Politik in diesem Bereich ansieht. 
    
    Denn die EU ist bei diesem Krieg — und es ist ein Krieg gegen 
	Israel, den die PA da führt — alles andere als ein neutraler Beobachter. 
	Seit Beginn der 90er Jahre versucht die EU — basierend auf den 
	hervorragenden Beziehungen, welche die BRD zu den meisten arabischen Ländern 
	hatte und hat — in dieser Region eine Rolle zu spielen. Man kann sagen, das 
	nach dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 der Friedensprozess im Nahen 
	Osten das nächste Testfeld europäischer militärischer Großmachtambitionen 
	ist. Das haben damals auch hellsichtige israelische Politiker schon während 
	des Bombardements von Belgrad prognostiziert. Die EU hat sich seit 1992 zur 
	Schutzmacht der Palästinenser aufgeworfen. Dabei agiert die EU nicht nur als 
	einheitlicher Staatenbund, auch verschiedene Mitgliedsländer tun sich hervor 
	— auf der Ebene diplomatischer Unfreundlichkeiten gegen Israel wie durch die 
	direkte Unterstützung palästinensischer Einrichtungen. 
    
    Nach außen hin erklären die Einrichtungen der Europäischen 
	Union immer, dass sie — ganz ausgewogen — beide Seiten ermahnen würden, doch 
	wieder Frieden miteinander zu halten. Doch wer die Resolutionen liest, wer 
	die Politik der EU verfolgt, der weiß, dass dem nicht so ist. Man muss nur 
	einmal im Foyer des EP die Ausstellungen über Israel und Palästina sehen, in 
	denen Israel des Soziozids beschuldigt wird, und als Apartheid-Staat 
	gebrandmarkt wirkt, um zu wissen, auf welcher Seite die EU steht. Während 
	die israelische Seite immer wieder mit konkreten Forderungen konfrontiert 
	und jeder Schritt Israels ausführlich kommentiert und kritisiert ist, wird 
	von der PA immer nur abstrakt gefordert, alles mögliche gegen die Attentate 
	zu tun. Man ist wirklich gegen Selbstmordattentate. Auch wenn sie von den 
	Stellen, die man mit Geld versorgt, in Auftrag gegeben werden. Verständnis 
	hat man aber selber sehr viel, und darum kann man Zweifel daran haben, dass 
	die EU-Offiziellen bei Treffen mit ihren Schützlingen von Hamas, Fatah und 
	anderen Mörderbanden allzu lange auf dem Thema Selbstmordattentate 
	insistierten. 
    
    Die propagandistische Unterstützung wird durch die 
	finanzielle ergänzt. 
    
    Während der letzten zwei Jahre (2000-2001) belief sich die 
	tatsächlich gezahlte Gesamtsumme der EU-Hilfen in den Palästinensischen 
	Gebieten auf mindestens 330 Millionen Euro. 
    
    An einem besonders frappanten Beispiel möchte ich Ihnen 
	zeige, worin die EU-Politik besteht. Mit dem MEDA-Programms unterstützt die 
	EU die Mittelmeer-Anrainer-Staaten. Dieses Programm wurde plötzlich wichtig, 
	als kurze Zeit nach dem Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada Israel beschloss, 
	bestimmte Steuern und Abgaben, die Israel bis dahin für die PA eingezogen 
	hatte, nicht weiter an die PA zu übermitteln, sondern einzufrieren. Die 
	israelische Regierung begründete diesen Vertragsbruch damit, dass die PA mit 
	ihren Geldern terroristische Aktivitäten gegen Israel unterstütze. In dieser 
	Situation beschlossen die Europäer nicht, wie man vermuten möchte, der Sache 
	auf den Grund zu gehen, und zu überprüfen, ob solche Vorwürfe an den 
	Empfänger von so viel europäischem Geld begründet seien. Die Vorwürfe wurden 
	vielmehr pauschal als "israelische Propaganda" abgetan. Ende des Jahres 2000 
	wurde der Beschluss gefällt, der PA kurzfristig 90 Millionen € zusätzlich 
	zur Verfügung zu stellen, allerdings unter Auflagen, unter anderem einer 
	ordentlichen Kontrolle . Wiewohl die PA erklärte, diese Forderungen 
	einhalten zu wollen, geschah eher das Gegenteil. Das hielt die 
	EU-Außenminister im Juni 2001 aber nicht davon ab, der PA fortlaufend 10 
	Millionen Euro pro Monat per direkter Budgetzuzahlung zur Verfügung 
	gestellt. Diese Direktzahlungen belaufen sich auf mehr als 10% des gesamten 
	Budgets der PA. 
    
    Also, um es noch mal zu verdeutlichen: Israel sagt, es gibt 
	kein Geld mehr, weil es befürchtet, dass dies für antisemitische Terrorakte 
	verwendet werden könnte — und die EU hat nichts Eiligeres zu tun, als genau 
	in diese Finanzlücke zu springen und das Geld zur Verfügung zu stellen. Und 
	zwar als direkte Budgetunterstützung, d.h. als nicht-zweckgebundene, 
	allgemeine Unterstützung. 
    
    Die Reaktion der Kommission auf das Material, das die 
	Israelis vorlegten, war — vorsichtig ausgedrückt — nicht sonderlich 
	überzeugend. Letztlich wiederholte der zuständige Kommissar dauernd, es gäbe 
	keine Anhaltspunkte für die Vorwürfe. Wenn er doch mal zu einem der vielen 
	"nicht-existenten" Anhaltspunkte Stellung nahm, dann wich er allen konkreten 
	Vorwürfen aus, machte absurde Vergleiche, widerlegte Vorwürfe, die niemand 
	gemacht hatte, erläuterte technische Details, die mit der Angelegenheit 
	nichts zu tun hatten — und dies mit der einschläfernden Beharrlichkeit einer 
	tibetanischen Gebetsmühle. 
    
    Wundert es Sie jetzt noch, dass das Europäische Parlament 
	nicht ernsthaft vorhat, zu überprüfen, ob die Gelder europäischer 
	Steuerzahler benutzt worden sein könnten, um antisemitische Mordanschläge zu 
	finanzieren? Man hat wirklich Wichtigeres zu tun. Ich sage nur: 
	Schnittlauch. 
    
    Aber warum sollte die Palästinensische Autonomiebehörde 
	überhaupt Geldmittel für antisemitische Terrorakte verwenden? Ein Blick auf 
	die gesamtpolitische Situation kann das beantworten. Es ist mittlerweile 
	durch eine Fülle von Fakten erwiesen, dass die sogenannte Al-Aqsa-Intifada 
	ein von der PA geplanter Krieg war, beruhend auf dem Beschluss, sich von dem 
	Besuch Ariel Sharons auf dem Tempelberg provoziert fühlen zu wollen. Das 
	Ziel des Kriegs war es, von Israel die Gründung eine palästinensischen 
	Staates zu den Konditionen der PA zu erzwingen. Die PA hat für ihren Krieg 
	gegen Israel von der palästinensischen Gesellschaft keinen Widerstand, 
	sondern vielmehr begeisterte Zustimmung erhalten hat. Das ist eine Folge 
	davon, dass seit Mitte der 90er Jahre in den PAG und in allen anderen 
	arabischen Ländern eine wahre Flut von antisemitischer Literatur erschienen 
	ist, die reißenden Absatz fand. Darunter zum Beispiel die "Protokolle der 
	Weisen von Zion", Fords Buch über "die internationalen Juden" oder Adolf 
	Hitlers "Mein Kampf". Partiell handelt es sich aber auch um höchst moderne 
	Holocaust-Leugnungs-Literatur aus Europa und den USA, teilweise eigene 
	Arbeiten von syrischen, saudi-arabischen, libanesischen oder 
	palästinensischen Autoren. Unter diesen Autoren befinden sich hohe 
	Funktionäre der jeweiligen Regimes; antisemitische Hetzartikel finden sich 
	in regierungsnahen Zeitungen; antisemitische Statements werden von 
	offiziellen Studentenverbänden und angesehenen Professoren auf nationalen, 
	pan-arabischen und internationalen Konferenzen formuliert. Die ganze 
	Verbreitung dieser Literatur wäre ohne die wohlwollende Unterstützung oder 
	mindestens stillschweigende Duldung des jeweiligen Staatsapparates, als auch 
	der PA gar nicht möglich. Auch die neuen Schulbücher, von der PA produziert 
	und von verschiedenen europäischen Ländern finanziert, sind nicht frei von 
	antisemitischen Klischees. 
    
    Die geistige Mobilmachung gegen Israel hatte also schon lange 
	vor dem September 2000 begonnen. 
    
    Wir wissen natürlich wenig über die Vorgänge in der 
	palästinensischen Gesellschaft. Nicht nur wegen sprachlicher Barrieren, 
	sondern auch, weil Oppositionelle und so genannte Kollaborateure durch 
	Terror und Einschüchterung zum Schweigen gebracht werden. Es scheint jedoch 
	so, als ob der Antisemitismus Wurzeln im Nahen Osten geschlagen hat, dass 
	ein eigenständiger arabischer Antisemitismus entstanden ist. Wir sollten uns 
	darum nicht in der falschen Sicherheit wiegen, die antisemitische Welle in 
	der arabischen Welt, sei nur eine kurzfristige Blüte der Kriegspropaganda, 
	die mit einer Entspannung der Situation wieder verschwinden würde. 
    
    Es ist klar, dass bei der Verfolgung der Kriegsziele 
	antisemitische Terrorakte eine große Rolle spielen. Sie machen das Leben in 
	Israel schwer erträglich, sie führen zu einem Ansteigen der Auswanderung und 
	zu einem Sinken der Einwanderung. Im übrigen können die Israelis tun und 
	lassen, was sie wollen — für ihre Gegner ist es immer nur Ausdruck des 
	"zionistischen Imperialismus". 
    
    Das Ziel dieses Kriegs gegen Israel ist die Destabilisierung 
	der israelischen Gesellschaft, die Schwächung Israels als militärischer und 
	politischer Faktor und letztendlich die Zerstörung Israels. Die Anschläge 
	auf Israelis werden nicht nur von oppositionellen Kräften in den PAG verübt, 
	sondern von Brigaden, die der Fatah nahe stehen. Sie werden logistisch und 
	militärisch von Polizei- und Geheimdienstapparaten der PA unterstützt, es 
	werden von Israel als "Terroristen" gesuchte Leute auf die Gehaltsliste der 
	PA gesetzt. Nun gibt es, um es einmal polemisch zuzuspitzen, einen 
	Wettbewerb in Sachen Mord und Totschlag: Zwischen den Brigaden, die der PA 
	nahe stehen auf der einer und jenen Einheiten, die von Syrien, dem Iran und 
	bis vor Kurzem dem Irak bezahlt wurden auf der anderen Seite. Diese 
	Konkurrenz findet natürlich auch auf finanziellem Gebiet statt. Wer zahlt, 
	bestimmt die Melodie. Die PA hat noch ein paar zusätzliche Nachteile, die 
	sie ausgleichen muss, will sie nicht die Kontrolle verlieren: Ihre 
	Doppelstrategie, Anschläge zu verüben und mit Israel über ein Ende des 
	Terrors zu verhandeln, könnte in den Augen der antisemitisch verhetzten 
	Bevölkerung wie Verrat an der palästinensischen Sache wirken. Außerdem muss 
	die PA auch von ihrer Verantwortlichkeit für die Lebensumstände in den PAG 
	ablenken. 
    
    Sie werden mir die Ausführlichkeit verzeihen, aber ich denke, 
	dass ohne diesen Kontext nur schwer zu verstehen wäre, warum der — so gut 
	wie bewiesene — Vorwurf von "Schwarzen Kassen" der PA fast automatisch zur 
	der Vermutung führt, dass aus diesem Schattenhaushalt Anschläge gegen 
	israelische Bürger und Einrichtungen finanziert wurden. 
    
    Bleibt die Frage offen, warum die Europäische Union, warum 
	das Europäische Parlament dies scheinbar nicht wahrhaben will. Ich denke, 
	dass dies an einer weitgehenden Interessenidentität zwischen EU und PA in 
	Bezug auf den Konflikt liegt. Diese wesentliche Übereinstimmung ist die 
	sogenannte "Internationalisierung des Konflikts". Die PA wünscht diese 
	Internationalisierung, weil sie sich von den Europäern eine engagierte 
	Parteinahme für ihre Interessen verspricht. Nicht zu unrecht, wie man 
	vermuten darf. 
    
    Die EU als Staatenbund will die Internationalisierung des 
	Konflikts, um den Bedarf nach ihrer Vermittlerrolle deutlich zu machen. Je 
	länger und härter der Konflikt ausgetragen wird, umso deutlicher zeigt sich 
	nach europäischer Lesart, dass die USA nicht in der Lage sind, den 
	Friedensprozess zu moderieren. Daraus schlussfolgert die EU, dass beide 
	Seiten einfach, des guten Onkels aus Europa mit seinen demokratischen und 
	ökologischen Werten, seinem Sozialstaat und seiner Zivilgesellschaft 
	bedürfen, um diesen Konflikt zu lösen. Wie gut für beide Seite, dass es 
	Europa gibt, und wie schlecht für die Welt, dass die eine Seite, nämlich 
	Israel, sich einfach eine Wild-West-Politik à la USA leistet. Der 
	Bewusstseinszustand des durchschnittlichen Parlamentsmitglieds unterscheidet 
	sich von dem durchschnittlichen Teilnehmer einer deutschen 
	Friedensdemonstration nicht, und ich halte diese Mischung aus Naivität, 
	Moralismus, Antiamerikanismus und Antizionismus für eine ernsthafte Gefahr. 
    
    Die EU leistet sich den Zynismus, den Konflikt, den sie 
	angeblich so gerne gelöst sehen möchte, am Kochen zu halten, in dem sie die 
	eine Seite finanziert. Denn nur so lange der Krieg dauert, gibt es auch 
	Bedarf für eine Lösung. Deswegen darf die PA natürlich nicht vorher klein 
	beigeben — also muss sie so gestärkt werden, dass sie weiter machen kann. 
	Das ist der ziemlich unmenschliche Zweck der humanitären Hilfe der EU. Die 
	Palästinenser spielen hier die unschöne Rolle des Kanonenfutters für 
	Europe's hidden war against the US . Nur nebenbei sei bemerkt, dass das 
	vermutlich niemand von denen "anti-arabisch" findet, die sonst dieses Wort 
	so gerne in den Mund nehmen. 
    
    Nun werden die Befürworter dieser Beihilfen einwenden, dass 
	es der EU nur darum gehe, die Leiden des palästinensischen Volkes zu 
	mildern. Doch das scheint mir selbst bei der humanitären Hilfe fragwürdig. 
	Nicht nur, weil PA-Beamte Lebensmittelhilfen verkauft haben, also die 
	europäischen Konservenbüchsen ihre eigentlichen Empfänger gar nicht erreicht 
	haben. Ich möchte an dieser Stelle von den eher kleinbürgerlichen Formen der 
	Korruption und Erpressung schweigen, die sich die hohen und kleinen 
	Funktionäre der PA leisten. Vorsichtig formuliert: Angesichts der Höhe der 
	Hilfen für die PAG, ist es merkwürdig, dass Unterernährung und 
	Mangelversorgung dort so weit verbreitet sind. 
    
    Auch die Rolle der UNO ist in diesem Zusammenhang äußerst 
	fragwürdig. Es ist nicht nur das UN-Flüchtlingshilfswerk für Palästinenser, 
	das in trauter Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten alles tut, um das 
	Flüchtlingsproblem offen zu halten, und damit der PA ein Mittel in die Hand 
	gibt, mit der Forderung nach einem "Rückkehrrecht" jeden ernsthaften 
	Friedensprozess zu verhindern. Schaut man sich die UN-Resolution an, die 
	permanente einseitige Verurteilung Israels, den Ausschluss Israels von 
	wichtigen UN-Gremien, die Ignoranz gegenüber den Handlungen und Taten der 
	arabischen Staaten und der PA, der Parteinahme von UN-Institutionen für die 
	PLO wie etwa mit dem weltweiten "Palästina Tag" — dann kann man sagen, der 
	Ton mag gemäßigter geworden sein, seit jener 1975er Resolution, die 
	"Zionismus" mit "Rassismus" gleich setzt, der Geist ist derselbe geblieben. 
    
    Sie haben nunmehr viel von mir über Außenpolitik gehört. Sie 
	haben gehört, was die Interessen an der Destabilisierung Israels sind, aber 
	was hat das mit Antisemitismus zu tun? 
    
    Meine Damen und Herren, das offene Auftreten als Antisemit 
	ist in Europa verpönt. Wenn man seine Vorstellung zum Ausdruck bringen will, 
	die Juden seien eine Macht, die durch das Geld die Welt beherrschte, so tut 
	man das in der Regel vorsichtig: Als Kritik an der israelischen Politik, als 
	Hinweise auf eine mächtige jüdische Lobby in den USA, über Verschwörungen 
	rund um den 11. September, als Klage über den angelsächsischen 
	Raubtierkapitalismus. Per se ist nichts davon antisemitisch, aber all diese 
	Vorstellungen sind anschlussfähig zum Antisemitismus, und genau darum 
	reichen sie oft aus, um die entsprechenden Vorstellungen über angebliche 
	jüdische Weltherrschaftspläne aufzurufen. 
    
    Es ist aber noch in einem anderen Sinn bedeutend. 
	Antisemitismus ist eine Form der "konformistischen Rebellion". Das heißt 
	einer Opposition im Namen der herrschenden Werte und Vorstellungen gegen den 
	momentanen Zustand der Gesellschaft — für den die Juden verantwortlich 
	gemacht werden. Antisemitismus ist genau darum empfänglich für scheinbare 
	oder wirkliche Billigung von "oben", weil sie ihn darin bestätigt, 
	Verteidiger der Gesellschaft gegen eine böse Minderheit zu sein. Machen wir 
	uns nichts vor: Der Antisemitismus war auch vor dem 11. September in Europa 
	nicht verschwunden, sondern ist seit 1989 kontinuierlich gestiegen. Die 
	politischen Ereignisse seitdem haben nicht den Antisemitismus wachsen 
	lassen, sondern den Mut seiner Bekenner, ihn offen zu äußern. Die Verbindung 
	von Antisemitismus und Anti-Amerikanismus hat eine längere Geschichte, aber 
	erst jetzt durch die Wendung der Europäischen Union gegen die USA erhielt 
	sie die öffentliche Legitimation. Das heißt wiederum nicht, dass sie mit 
	einer offiziellen Verurteilung, selbst wenn sie ernst gemeint wäre, wieder 
	verschwinden würde; sie würde dann vielmehr die Anhänger ein weiteres Mal 
	von der Macht der Juden bestätigen. Man wird die verhärteten Antisemiten 
	nicht bekehren können, aber man kann ihnen entgegentreten; man kann die 
	offizielle Billigung durch UNO und EU bekämpfen. Nichts stärkt eine so 
	unmenschliche Ideologie wie den Antisemitismus mehr, als wenn er sich die 
	Reputation von angesehenen Institutionen zu nutze machen kann, und sich das 
	Mäntelchen moralischer Empörung über Menschenrechtsverletzungen umhängen 
	kann. 
    
    Es ist in diesem Zusammenhang kein Zufall, dass von 
	palästinensischer und europäischer Seite der Krieg im Nahen Osten zur 
	Relativierung der Shoah benutzt wird. Die Shoah als Ausdruck der 
	Vernichtungsdrohung, die der Antisemitismus weltweit immer enthält, ist die 
	zentrale Legitimation Israels. Will man der Verteidigung Israels gegen seine 
	arabischen und palästinensischen Nachbarn die Legitimität streitig machen, 
	ein Verteidigungskampf gegen ein antisemitisches-nationales Projekt zu sein, 
	dann muss man Israel als den eigentlichen Aggressor darstellen, und 
	versuchen die Leiden der Palästinenser und die Shoah zu parallelisieren. Das 
	funktioniert bei nüchterner Analyse der Fakten nicht, und genau darin liegt 
	m.E. das Geheimnis der Resistenz gegenüber den Fakten. Man kann sich den 
	Mund fusselig reden, Fakten um Fakten anhäufen, Argument um Argument 
	anbringen - gegen den Beschluss, die Palästinenser als Opfer zu sehen, wird 
	man nicht ankommen. Das sind die Grenzen der Aufklärung, auch aber nicht nur 
	im Europäischen Parlament. 
    
    Der deutsche Außenminister Joseph Fischer vermeidet hier die 
	geschichtslose Gleichsetzung, die er beim Kosovo-Krieg gemacht hat, und er 
	wird nicht müde zu betonen, dass Deutschland eine besondere Verpflichtung 
	gegenüber Israel hat, und dass die Shoah singulär sei. Daraus entsteht 
	häufig die Einschätzung, zumindest der deutsche Außenminister sei doch in 
	dieser Frage recht vernünftig. Ich kann nur entschieden vor diesem 
	Missverständnis der deutschen Außenpolitik warnen. Denn diese Argumentation 
	der besonderen Verantwortung Deutschlands ist nichts weiter als die 
	Vorbereitung für deutsche Blauhelme in Ost-Jerusalem, denn dies wäre, wie 
	ein deutsches Magazin richtig feststellt, "das letzte Tabu deutscher Außen- 
	und Militärpolitik nach Adolf Hitler". 
    
    Das wäre ein so offensichtliche Vergangenheitsbewältigung, 
	vor deren ideologischen und politischen Folgen ich nicht stark genug warnen 
	kann. Schon heute wird es immer mehr Mode, die Erinnerung an die Shoah gegen 
	Israel zu benutzen, gegen den Kampf gegen Antisemitismus und Antizionismus, 
	z.B. wenn man von den „Opfern der Opfer“ schwätzt. Oder wenn der eigene 
	Antizionismus als Kampf gegen den anti-arabischen Rassismus drapiert wird. 
	Die größte Gefahr geht aber heute davon aus, dass das was als 
	Globalisierungskritik, Anti-Amerikanismus und Antizionismus in den Köpfen 
	von Millionen von Menschen spukt, zu einem von der europäischen Politik 
	unterstützten und benutzten Common Sense wird. 
    
    Im Kampf gegen diesen gefährlichen Mix aus Ressentiment und 
	nationale Interessen stößt man schmerzhaft auf die Grenzen der Aufklärung. 
	Schon Theodor Lessing hat dieses Phänomen beobachtet. Als ihn die völkischen 
	Studentenverbände in trauter Einigkeit mit der bürgerlichen Öffentlichkeit 
	wegen seines Porträts des Kandidaten Hindenburg bei der 
	Reichspräsidentenwahl 1925 anfeindeten, schrieb er sinngemäß: Er könne 
	sagen, schreiben oder tun, was er wolle, es werde immer als Beleg für seine 
	Niederträchtigkeit und finsteren Absichten ausgelegt. Solche abgeschottete 
	Wahrnehmung, die keine Tatsache und kein Argument zur Kenntnis nehmen mag, 
	sofern sie das eigene Weltbild in Frage zu stellen drohen, ist mit 
	Aufklärung nur schwer beizukommen. Aber, und das ist ja unser Problem, mit 
	nichts anderem lässt sich der Antisemitismus wirksam bekämpfen als mit der 
	Aufklärung, die sich ihrer eigenen Ohnmacht bewusst wird. Karl Marx soll mal 
	gesagt haben: "Es gibt nichts Verführerischeres als die Vernunft". Lassen 
	Sie uns alles dafür tun, dass der Mann recht behält. 
    
    Vielen Dank." 
    
      
    Sacha Stawski: 
    Laudatio für Ilka Schröder 
    
    Preis für Aufklärerisches Handeln: 
    Ilka Schröder erhält Theodor 
	Lessing Preis 
    hagalil.com 
    26-09-2003  |