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Etwas hat
sich verändert in der Art und Weise, in der die israelische Führung
die jüdische Diaspora behandelt. Der beste Indikator dafür ist eine
kleine Debatte in den hinteren Zeitungsseiten: der nationale
Sicherheitsrat des Regierungschefs empfahl, dass er die
Verantwortung für Kontakte mit der Diaspora anstelle des zur Zeit
zuständigen Außenministeriums übernehmen sollte.
Wie erwartet
tobte das Außenministerium, und der NSR beruhigte sie eiligst indem
er erklärte, es handle sich nur um einen Entwurf und dass er auf
jeden Fall, da er eine Agentur ohne Durchführungsbefugnisse sei, nur
die bürokratischen Aspekte der Beziehungen zur Diaspora übernehmen
wollte. Der Vorschlag ist jedoch ein deutlicher Hinweis auf eine
neue, beziehungsweise erneute, Anerkennung der Bedeutung der
Diaspora als eines der wichtigen strategischen Vorteile Israels.
Eine weitere
derartige Wertschätzung besorgte kürzlich die große Konferenz über
die Bilanz nationaler Kraft und Sicherheit, die durch das
Interdisciplinary Center in Herzlia veranstaltet wurde, als Sallai
Meridor, Vorsitzender der Jewish Agency und der zionistischen
Weltorganisation, von den "Juden der Diaspora als Bestandteile von
Israels Kraft" sprach.
Die
Beziehungen zwischen Israel und der Diaspora gingen einen langen und
gewundenen Weg bevor diese Anerkennung erreicht wurde. Während der
ersten Jahre nach Staatsgründung bestanden diesbezüglich keine
Fragen. Als kleines, schwaches, von Feinden umzingeltes Land war es
klar, dass Israel auf jede mögliche Hilfe angewiesen war. Die Hilfe
der eigenen Bürger stand selbstverständlich nicht zur Diskussion.
Aber seit über 10 Jahren ist es ganz anders. Israel und seine
Führung hatten mehr Selbstsicherheit denn je. Es bestand das Gefühl,
dass beim Kontakt mit ausländischen Staatsmännern keine Vermittlung
mehr benötigt werde.
Die Al Aksa
Intifada scheint diese Einstellung verletzt zu haben, sei es beim
Durschnittsisraeli oder bei der örtlichen Elite. Der inländische
Konsensus "wir sind belagert aber gerecht" herrscht wieder, und das
Land schaut umher und sieht, daß es wie einst in der internationalen
Arena (mit Ausnahme der Clinton Administration) allein steht und in
den globalen Media isoliert ist.
Plötzlich
stellt sich heraus, dass die einzige ausgestreckte Hand, die eine
Verbindung zwischen Israel und der Welt herstellt, die jüdische
Diaspora ist. Obwohl jüdische Touristen ihre Besuche zu einer
ähnliche Rate abbestellten wie der allgemeine Tourismus,
mobilisierte zumindest die jüdische Führung Hunderte Teilnehmer an
Solidaritätsbesuchen und nahm auch dieses Message wieder mit in alle
vier Ecken der Welt.
Langfristig
gesehen wurde schließlich erkannt, dass nationale Kraft mehr ist als
eine strategische Waffenbilanz. Sie hängt auch von der inneren
wirtschaftlichen Kraft der Gesellschaft, ihrem zusammenhängenden
Identitätssinn und dem Wertsystem, auf dem sie beruht, ab.
Diese
Anerkennung widerspiegelt sich nicht nur in abstrakten Aussagen oder
akademischen Analysen des NSR oder bei der Konferenz in Herzliya.
Eine kürzlich, vor Eintreffen der zweiten "Birthright Israel"
Mission in Israel, die Tausende jüdischer Studenten brachte, die
eine tiefergehende jüdische Identität suchten, angefertigte Umfrage,
wies darauf hin, dass 80 Prozent der jüdischen Bevölkerung in Israel
bereit ist, Regierungsmittel für solche Programme zuzuweisen, was
auch der Fall ist.
Die erneute
Befürwortung der Diaspora als strategischer Vorteil sollte auch
praktische Schlussfolgerungen nach sich ziehen. Israel muss die
jüdischen Gemeinden bei deren Bemühungen, ihre jüdische Identität
und ihre Verbindung zu Israel zu bewahren, unterstützen, und diese
Unterstützung umfasst die Zuweisung eines Teils der Steuereinnahmen
des Landes zu diesem Zweck.
Diese
Einstellung wurde angewandt, als die Regierung zustimmte, ein
Drittel der Kosten des Birthright Projekts zu übernehmen und
Erziehungsprogramme für Juden in der ehemaligen Sowjet-Union zu
finanzieren. Der Staat unterstützt auch sonstige Erziehungsprogramme
sporadisch, aber dies sollte in größerem Umfang erfolgen, besonders
in Ländern, in denen die finanzielle Lage der Gemeinde es dieser
nicht erlaubt, diese Aufgabe selbst zu erfüllen. An erster Stelle
dieser Liste befindet sich die argentinische Gemeinde, deren
Organisationen und Schulsystem von der generellen Wirtschaftskrise
dieses Landes schwer betroffen wurde.
Die jüdische
Führung aus der Diaspora sollte aufgefordert werden, an israelischen
politischen und gesellschaftlichen Angelegenheiten teilzunehmen,
zumindest an allen Fragen, die sich auf jüdische Symbole und Werte
beziehen. Wenn das letzte Wort auch dem israelischen Kontingent
vorbehalten ist, und werden sollte, darf die Diaspora nicht einfach
beiseite geschoben werden, wenn diese Fragen behandelt werden.
Israelis können die automatische Zustimmung ihrer Religionsbrüder zu
allen israelischen Entscheidungen nicht erwarten. Wer, zurecht, die
Einmischung der jüdischen Diaspora bei der Glaubensübertrittsfrage
und bei der Definition von Jude im israelischen Gesetz forderte,
muss zu Problemen, wie Jerusalem und den endgültigen Status des
Tempelbergs dieselbe Einstellung adoptieren.
Die Zugabe,
dass die Diaspora ein Vorteil darstellt, wirft einen Schatten auf
das klassische zionistische Konzept, das die Diaspora verwarf.
Könnte es in Israels bestem Interesse sein, wenn die Diaspora und
ihr politischer und finanzieller Einfluss fortbestehen? Die
Ablehnung der Diaspora darf nicht absolut sein, sondern Teil einer
Wertskala. Die Einwanderung nach Israel ist bei weitem die
löblichste Manifestation des Zionismus, aber Juden, die in der
Diaspora bleiben wollen dürfen nicht verachtet, sondern sollten
ermuntert werden, ihr Judesein und ihre Affinität zum jüdischen
Staat aufrechtzuerhalten.
Keren Hayesod
SOLIDARITÄT AKTUELL
Kommunikations- und Marketingabteilung
Nr. 71 / 9. Januar 2001
haGalil onLine
05-01-2001
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