Schimon Peres, in der Regierung Barak
Minister für regionale Kooperation, erklärte der Besuch des Likud-Vorsitzenden
Ariel Scharon auf dem Tempelberg, sei mit den palästinensischen Behörden
vereinbart worden.
Die Interpretation des Scharon-Besuches
als Provokation der Palästinenser könne er somit nicht akzeptieren, sagte Peres
im "Stern": "Wir haben Scharons Besuch vorher mit den Palästinensern diskutiert.
Sie haben signalisiert, der Besuch sei kein Problem, solange Scharon die
Al-Aksa-Moschee nicht betrete."
Es sei in einer Demokratie schwierig
einen Besucher von öffentlich zugänglichen Stätten fern zu halten, auch (oder
gerade) wenn dieser, wei Scharon, der Vorsitzende der größten Oppositionspartei
im Parlament sei. Den Besuch Scharons auf dem Tempelberg (am 28. September)
bezeichnen palästinensische Kreise als Anlass zu einer neuen Welle der Gewalt,
bei der bisher über 100 Menschen starben.
Während die Palästinensische Autorität
damit beschäftigt ist, die Empörung über den Scharon-Besuch am Tempelberg zu
schüren - verschweigend, dass dieser mit der israelischen Regierung abgesprochen
war, ging der Vorschlag des Ministerpräsidenten zur
gemeinsamen Hauptstadt Jerusalem im
hysterischen Kampfgeschrei unter.
Jerusalem und El Kuds
Barak sprach einen Tag vor Ausbruch der
Unruhen davon, dass es nach einem Friedensschluss zwischen Israel und den
Palästinensern in Jerusalem zwei Hauptstädte nebeneinander geben werde: "Es wird
Jerusalem und El Kuds geben, eins neben dem anderen, als zwei Hauptstädte".
Zu Einzelheiten seines Vorschlags wollte
sich Barak in einem Gespräch mit der Jerusalem Post nicht äußern, diese werden
Gegenstand weiterer Verhandlungen sein. Klar sei jedoch, dass in El Kuds, der
arabische Name für Jerusalem, ein palästinensischer Anspruch auf den Ostteil der
Stadt bestehe. Es werde ein Jerusalem mit Dutzenden Botschaften aus aller Welt
geben und ein Jerusalem unter Richtlinien, die wir vorgeben. Ob eine Hauptstadt
El Kuds, wie von den Palästinensern gefordert, den gesamten arabischen Ostteil
der Stadt umfasst, sagte Barak nicht.
Auch zum Vorschlag der UN für den Bereich
des Tempelbergs wollte er nicht näher eingehen. Zur selben Zeit versuchten in
den USA Spitzendelegationen beider Seiten einen neuen Anlauf für die
Schlussphase der Friedensverhandlungen.
Völlig neu sind die Vorschläge Baraks
nicht. Die Idee, in Jerusalem zwei «Hauptstädte» einzurichten, wurde sogar unter
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gehandelt. Damals hieß es, dass die
Palästinenser den Vorort Abu Dis zu ihrer Hauptstadt erklären könnten, solange
sie bereit seien, das übrige Jerusalem mitsamt der Altstadt und allen Heiligen
Städten den Israelis zu überlassen. Abu Dis war früher einmal Teil Jerusalems
und wurde 1967 von den Israelis ausgeklammert, als neue Stadtgrenzen für
Jerusalem beschlossen und arabische Viertel ausgeschlossen wurden.
Arafat bekräftigte noch einmal seine
Maximalposition: "Ganz Ostjerusalem ist besetztes Gebiet und muss von Israel
aufgegeben werden". Es dürfe "kaum ein Siedler im heutigen besetzten Gebiet
unter israelischer Souveränität verbleiben".
Völlig überrascht, über die heftige
Reaktion gab sich unterdessen Oppositionschef Scharon. Er begründete seinen
Besuch auf dem Tempelberg (Morijah) mit dem "Recht eines jedes Juden, den
Tempelberg zu besuchen".
Anstatt auf die Vorschläge des
Ministerpräsidenten einzugehen, konzentrieren sich alle Äußerungen der pal.
Autorität auf einen Besuch eines Oppositionspolitikers auf einem für beide
Seiten "heiligen Gebiet". Arafat versucht Scharons Rundgang gar internationale
Aufmerksamkeit zu verschaffen. Er rief alle arabischen und muslimischen Länder
zum Schutz der heiligen Stätte herbei. Andere Palästinenserführer erklärten, der
Besuch Scharons zur wohl kalkulierten Provokation.
Dass dies von Scharon so gedacht sein
mag, ist kaum zu bestreiten, dass seine "Kalkulation" aber derart gut aufgehen
würde - und zwar einzig und allein durch die Hysterie der palästinensischen
Behörde, dürfte selbst einen Meister der Provokation wie Scharon überrascht
haben.
Jasir Arafath sollte sich eiligst darauf
besinnen, dass er Verhandlungspartner ist, und dass man bei Verhandlungen
Vorschläge macht, an deren Akzeptanz durch die Gegenseite man nicht unbedingt
glauben muss. Momentan drängt sich der Eindruck auf, es handle sich hier um eine
Schauverhandlung: Zwei Händler sitzen am Markt und feilschen um eine Ware, die
der eine weder verkaufen - noch der zweite verkaufen will.
Trotzdem, die Verhandlungen mit Ehud
Barak haben für Arafath und die palästinensische Seite bereits Fortschritte
gebracht, an die vor kurzen noch kaum jemand ernsthaft glauben konnte. Weitere
Fortschritte sind absehbar.
Absehbar ist aber auch eine Eskalation
der Gewalt. Sollte Arafath diesen Weg wählen, so wird eine Provokation der
nächsten folgen. Die Fanatiker beider Seiten werden einander höher und höher
schaukeln. Die bereits jetzt geschwächte Position des israelischen
Friedenscamps, als dessen Kopf sich Ehud Barak noch immer sieht, wird weiteren
Schaden nehmen.
Es ist diesmal an Arafath sich zu
entscheiden. Der politische Weg brachte ihn so nah an sein erklärtes Ziel, wie
niemals zuvor. Der Weg der Gewalt wird ihn aber dorthin bringen, wo jede
arabische Gewalt gegen Israel bisher endete: Zur Niederlage. Der Weg dorthin ist
blutverschmiert.
dg / haGalil
onLine 18-10-2000
Mitteilung des
Premierministers Ehud Barak
|