Auf den Tross des iranischen
Präsidenten, Mohammad Chatami, sind gestern Farbeier geschleudert worden. Dabei
wurde nahe dem Roten Rathaus zumindest ein Begleitfahrzeug getroffen. Bei den
Protesten von mehreren hundert Exiliranern kam es zu knapp 100 Festnahmen,
darunter 18 nach einer Sitzblockade. Andere Demonstranten wurden wegen des
Tragens von Plakaten mit beleidigendem Inhalt festgenommen.
Auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin
hatte zu einer Demonstration in der Fasanenstraße aufgerufen, um gegen den
Staatsbesuch und gegen die Verurteilung von zehn jüdischen Iranern zu
protestieren. An der Demonstration beteiligten sich rund 100 Personen. "Stopp
den Steinigungen", stand auf einem Transparent.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde,
Andreas Nachama, kritisierte die rot-grüne Bundesregierung: Die Politik des
Kritischen Dialogs, die von Exaußenminister Klaus Kinkel trotz des
"Mykonos"-Anschlags entwickelt worden war, sei jetzt in einen "Schmusekurs"
übergegangen. Deutliche Worte fand auch der Vizepräsident des Zentralrates der
Juden, Michel Friedman: "Im Iran werden Juden politisch verfolgt." Die
Bundesregierung müsse die Menschenrechte konkret ansprechen. "Es darf keinen
Schmusekurs mit Diktaturen geben."
Bei mehreren angemeldeten Demonstrationen
von Exiliranern kamen jeweils einige hundert Iraner zusammen. Eine geplante
Kundgebung von Anhängern von Chatami fand dagegen nicht statt. Am gestrigen
Nachmittag haben mehr als 20 Demonstranten laut Polizei am Reichstag versucht,
die Absperrung zu überklettern. Dies sei aber verhindert worden.
Chatami hat sich gestern mit dem
Regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) getroffen. Diepgen würdigte den
iranischen Präsidenten dabei für dessen Reformkurs. Er begrüße es
außerordentlich, dass Chatami in der Innen- und Außenpolitik neue Akzente setze,
sagte Diepgen bei der Eintragung des Staatsgastes in das Goldene Buch der Stadt.
Auch am zweiten Tag des Staatsbesuchs kam
der Verkehr in weiten Teilen der Innenstadt zum Erliegen. Zwar wurde Chatami wie
am Vortag aus Sicherheitsgründen überwiegend per Hubschrauber transportiert.
Aber die Fahrzeugkolonnen und zahlreiche Gegendemonstrationen sorgten immer
wieder für Polizeiabsperrungen und Staus.
PLU, ROT, WÜRT
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haGalil onLine
12-07-2000
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