Dan
Flavin:
RetrospektiveDas Kunstareal leuchtet
Noch bis zum 04-03-2007 in der
Pinakothek der Moderne, München
Coop:
DiaArt Foundation, New York
und National Gallery of Art,
Washington, DC.
Nicht nur zum Chanukah befassen wir uns mit Fragen
nach Licht und Dunkelheit. Das Licht (haOr) soll das ganze Jahr über und
überall erstrahlen um die Lehre G'ttes (haTorah) in diese Welt zu
bringen und das Dunkel zu vertreiben.
Auch in der Geschichte der Kunst gibt es wohl kein Thema, das so zentral
ist, wie das Licht. Jedes Bild benötigt zwingend eine natürliche oder
künstliche Lichtquelle, um wahrgenommen werden zu können.
Der amerikanische Künstler Dan Flavin (1933-1996) kehrte diesen Prozess
um und ist damit zum Wegbereiter eines vollkommen neuen künstlerischen
Terrains geworden: seine Werke werden nicht mehr angestrahlt, sondern
leuchten aktiv aus sich selbst heraus.
Flavin hat seine Arbeitsmittel gezielt in Auseinandersetzung mit
architektonischen Gegebenheiten eingesetzt und dabei die Aufmerksamkeit
häufig auf Bereiche von Räumen gelenkt, die für gewöhnlich wenig
beachtet werden - wie etwa Raumecken.
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Ein weiteres zentrales Merkmal der Kunst Dan Flavins
ist das serielle Arbeiten. So entstehen Werkgruppen, die ein einmal
gefundenes Formenrepertoire in Farbigkeit oder Kompositionsweise
variieren. Das vom Künstler verwendete künstliche Licht kommuniziert mit
dem natürlichen Licht des Umfeldes und lenkt die Wahrnehmung des
Betrachters auf das Nebeneinander und auf die Durchdringung von
Tageslicht und Kunstlicht. Gleichzeitig wird eine Reflexion auf die
Wechselbeziehung von Alltag und Kunst angeregt.
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Die »monuments« for V. Tatlin
gehören zu den wichtigsten Arbeiten Dan Flavins. Jedes Werk dieser seit
1964 entstandenen, insgesamt 50 Exponate umfassenden Gruppe ist aus
handelsüblichen Leuchtstoffröhren hergestellt, die - mit drei Ausnahmen
- kühlweißes fluoreszierendes Licht abstrahlen. Für die Münchner
Retrospektive konnten 20 dieser Arbeiten zusammengeführt werden. Niemals
zuvor wurde diese berühmte Werkgruppe in Europa so umfassend gezeigt.
Wie der Titel zeigt, bezieht sich Flavin mit seinen »monuments« auf das
wohl bekannteste Werk des russischen Konstruktivisten Vladimir Tatlin
(1885-1953): seinen 1920 in der Blütezeit technischer und sozialer
Utopien entstandenen Entwurf für das »Denkmal der III. Internationale«.
Das grandiose, von einer sich nach oben windenden Eisenspirale umgebene
Modell wurde zwar weltbekannt, doch nie in voller Größe realisiert - wie
auch die damit verbundene politische Utopie keine Verwirklichung finden
konnte. Zugleich bezieht sich Flavin im ersten von ihm ausgeführten
»monument« auf das Empire State Building in New York, dessen Silhouette
er explizit aufgegriffen hat.
Indem Flavin Tatlins Konzept mit einem Hauptsymbol des Kapitalismus in
Verbindung bringt, würdigt er die politischen Visionen des
Konstruktivisten wie auch den alternativen kapitalistischen
Gesellschaftsentwurf auf respektvolle und skeptische Art zugleich.
Flavin hat durch seine vielfältigen Varianten dieser Werkidee in der
Zeit des Kalten Krieges Verhältnisse hinterfragt, die sich aus den
unterschiedlichen Kompositionen eines »Baukastens« - sowohl jenem des
Ideologen als auch jenem des Künstlers - ergeben.
Flavin hat »monuments« mit
kleingeschriebenem »m« verwirklicht. Sie hinterfragen das menschliche
Bedürfnis nach großen Denkmälern. Flavin zeigt, dass sich Kunst stets
zwischen zwei Polen bewegt: zwischen der künstlerischen Verwirklichung
einerseits und der funktionalen (etwa politischen) Einbindung
andererseits. Diese Diskrepanz wird in seinen Arbeiten nicht überwunden,
sondern implizit thematisiert. Als klare Forderung formuliert der
Künstler lediglich, die faktische Gegebenheit seiner aus gleichförmigen
Modulen immer wieder neu zusammengefügten Werke wahrzunehmen. Die
Schönheit dieser Konstruktionen basiert auf ihrer verblüffenden
Einfachheit, die auch jenseits inhaltlicher Bedeutungen besteht.
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Häufig hat Flavin seinen zunächst als »untitled«
geführten Arbeiten eine Widmung beigefügt. Sie kann ebenso auf nächste
Familienmitglieder wie auch auf flüchtige Bekanntschaften oder Personen
des öffentlichen Lebens bezogen sein.
So ist einer der in München installierten Gänge dem Kunsthändler Ron
Greenberg und seiner Frau gewidmet, die Flavin während des Aufbaus der
Ausstellung in St. Louis kennen gelernt hat. 23 vertikal ausgerichtete
grüne Leuchtstoffröhren stehen Rücken an Rücken mit 23 gelben
Leuchtstoffröhren, wobei ein schmaler Spalt an der Seite - kaum breiter
als eine einzelne Röhre - den Blick auf den Farbraum der anderen Seite
des Korridors freigibt.
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Dem intensiven Farbeindruck stellt sich die physische
Barriere in Form einer »Wand« aus Leuchtstoffröhren an die Seite. Wie an
vielen Stellen in Flavins Oeuvre taucht hier die Thematik des
versperrten beziehungsweise nur auf Umwegen zugänglichen und dadurch
geheimnisvollen Raumes auf. Der Künstler gewährt dem Betrachter nur
einen kleinen Ausblick auf die andere Seite - gerade genug, um deren
Präsenz wahrzunehmen, ohne jedoch an dieser teilzuhaben.
Während Flavin in anderen Arbeiten Raumbereiche vollständig absperrte,
gibt es hier die Möglichkeit, die »andere« Seite zu erschließen, indem
man den parallelen Gang durchquert und sich aus der entgegengesetzten
Richtung annähert. Dabei wird erlebbar, dass der nunmehr erschlossene
Raum zunächst eine andere als die vermutete Farbwirkung hat. Die
tatsächliche Farbe der Leuchtstoffröhrenwand wie auch der durch den
Spalt leuchtenden »Rückseite« mischt sich mit dem erinnerten Eindruck
des zuvor gesehenen Lichtraumes. Dennoch kann auch das Wissen um die
eigentliche Farbe des jeweils anderen Bereiches die direkte Wahrnehmung
nicht »korrigieren«.
Quellen: in-muenchen.de, wikipedia, danflavin.de
Einleuchtende Kunst:
Licht und Sprache in der
zeitgenössischen Kunst
Dan Flavin hatte eine ebenso einfache wie erfolgreiche Idee: er brachte
die Leuchtstoffröhre in die Kunst ein. So nackt wie sie die Industrie
samt der meist unschönen Halterung schuf, nutzte er die Leuchtsignale
der Reklame-Ära für die Formulierung seiner malerischen
Raumgestaltungen...
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