Einerseits muß die Musik Coco Schumanns
getrennt von seinem Schicksal betrachtet werden, auf der anderen Seite ist
sie jedoch untrennbar mit diesem verbunden. Coco Schumann beschreibt
diesen Zwiespalt in seinem Lebensbericht ''Der Ghetto-Swinger'' so: ''Ich
bin ein Musiker, der im KZ gesessen hat, kein KZler, der auch ein bißchen
Musik macht.''
1924 wird Coco (Heinz) Schumann in Berlin
geboren. Da seine Eltern berufstätig sind, wächst er mit dem Schlüsselbund
in der Hosentasche auf. Doch Coco weiß, diese Freiheit zu nutzen,
nachmittags sitzt er stundenlang vor dem Grammophon der Eltern und hört
sich deren Schellackplatten an. Mit zwei Kochlöffeln trommelt er auf einem
Stuhl den Rhythmus mit. Es ist 1936, Olympiade in Berlin, und die
Nationalsozialisten geben sich liberal. Gemeinsam mit seinen Freunden
treibt sich der Halbwüchsige abends in den Berliner Musikkneipen herum und
lernt dabei den amerikanischen Swing kennen.
Die Musik, schreibt Coco Schumann in seiner
Autobiographie, ''wirkte wie eine Droge'', „bestimmte mein Leben, der Rest
war mir egal.'' Begierig hört der junge Fan all die Big Bands jener Zeit,
die im Delphie-Palast, dem ''Mekka aller Swingfans'', oder anderswo
gastieren. Wie besessen übt er auf seiner Gitarre, und hat alsbald ''eine
Art Mischung aus der Melancholie Django Reinhardts und der rhythmischen
Akkordspielweise Freddie Greens'' intus. So tingelt er durch die Clubs um
Berlins Kurfürstendamm, bis er 1943 aufgrund seiner jüdischen Herkunft
denunziert, verhaftet und nach Theresienstadt gebracht wird.
Hier ist es die Musik, die ihm hilft zu
überleben. Ob als Mitglied der Ghetto-Swingers, beim erzwungenen
Aufspielen von ''La Paloma'' in Auschwitz oder beim Abgesang auf das
Regime in Dachau: Musik ist ''fester Bestandteil dieser makabren Welt''.
Als Musiker bekommt er heimlich Sonderrationen zugeschoben, wird ihm ein
winziges Einzelzimmer zugewiesen, bleibt er vom üblichen Arbeitseinsatz
verschont. Auch als er nach Auschwitz verlegt wird, erhält er durch seine
Mitgliedschaft in der Kapelle des Lagers einige, wenn auch minimale, für
ihn jedoch lebenswichtige Vergünstigungen.
Nach der Befreiung durch die Amerikaner kehrt
Coco Schumann zunächst nach Berlin zurück. Doch der deutsche Umgang mit
der nationalsozialistischen Vergangenheit veranlaßt ihn schon bald, das
Land zu verlassen. Zusammen mit seiner Frau geht er nach Australien, aber
auch hier wird er nicht heimisch. Wie ein Getriebener reist er in den
folgenden Jahren durch die Welt, auch nach Deutschland zieht es ihn immer
wieder: "Ich bin nirgendwo mehr zu Hause. Ich wollte zurück, doch es gab
keine Heimat mehr.''
Wer den Swing in sich hat, kann nicht
im Gleichschritt marschieren
Die Musik Coco Schumanns ist Swing. Swing in
Perfektion. "Wer den Swing in sich hat, kann nicht im Gleichschritt
marschieren'' ist sein Lebensmotto. Nach seinen großen Erfolgen als Jazzer
im Nachkriegsdeutschland - er ist der erste deutsche Jazzer, der
elektronisch verstärkt spielte - und späterem Broterwerb mit leichter
Tanzmusik, hat sich Coco Schumann vor zehn Jahren wieder ganz dem Jazz
verschrieben und fasziniert nach wie vor mit ungebrochener Spielfreude.
Wenn seine Gitarre, eine große Gibson L7,
ihren ganz typischen wunderbar swingenden Sound entfaltet und dabei sanft,
gefühlvoll und trotzdem tonangebend klingt, fühlt man sich zurückversetzt
in in die akustische Welt des Flüsterkneipen-Jazz der dreißiger und
vierziger Jahre. Seine Musik ist eine Mischung aus Sinti-Swing und
Barmusik und ganz und gar mit Seele erfüllt.(jb)