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KONTROVERSE / VERHANDLUNGEN- Noch sind die gegenseitigen Boykotte nicht Realität

Warten auf Eizenstat

Seit dem Zusammenbruch der Verhandlungen um eine «Globallösung» eskaliert die Kontroverse um die Schweizer Vergangenheit. Noch sind die Boykotte nur Drohungen. Die Banken warten ab und betonen, ihr Angebot von 600 Millionen Dollar sei das letzte Wort. Die Zahlung betrachten sie nicht zuletzt als Investition in die Zukunft.

Von Gisela Blau

Die Sprecher der Grossbanken vermitteln dieser Tage Gelassenheit gegenüber den amerikanischen Boykottdrohungen. Der UBS-Sprecher drückt die Hoffnung seines Instituts aus, Unterstaatssekretär Stuart B. Eizenstat werde es schaffen, den Jüdischen Weltkongress (WJC) und die Anwälte der jüdischen Sammelkläger in New York davon zu überzeugen, am Tisch zu bleiben und die Gespräche fortzusetzen. Es gebe allerdings keine Neuigkeiten oder Ergänzungen der Banken bezüglich des Angebots von 600 Millionen Dollar.

Nach wie vor handelt es sich bei den Boykotten lediglich um Drohungen, denn der erste mögliche Termin, um die erste von vier Stufen zu zünden, ist der 1. September. Das Hevesi-Gremium gab lediglich die Empfehlung an die lokalen amerikanischen Finanzchefs ab, Boykotte auszusprechen, und einzelne Staaten äusserten entsprechende Pläne. Noch nirgends sind die Banken jedoch mit dem Rückzug von Geschäften konfrontiert und bleiben deshalb in Abwarteposition.

Sollte es zu Boykotten kommen, sagt UBS-Sprecher Wili, gebe es verschiedene Optionen, aber nicht a priori den Rückzug des Angebots, denn dazu stünden die Banken nach wie vor. Vielmehr könnte erwogen werden, rechtliche Schritte einzuleiten, durch die Banken wie die Politik. Die Politiker müssten sich nicht an den Verhandlungen beteiligen. Aber wenn Schweizer Wirtschaftsinteressen tangiert werden - es gebe ja auch Drohungen gegen andere Schweizer Firmen -, dann sei die Regierung verpflichtet, diese Interessen zu wahren und sich einzusetzen. «Wir haben keine Angst, dass das nicht passiert», sagt Wili.

Eine einzige Option stehe allerdings nicht zur Diskussion, antwortet Wili auf die entsprechende Frage der JR: eine Erhöhung der Offerte. 600 Millionen seien das äusserste Angebot. Weshalb ausgerechnet 600 Millionen? Zahlen würden im Moment mit Schuld und Moral aufgewogen, so der UBS-Sprecher. Dabei sei ganz klar zu sagen, und die Banken würden seit dreieinhalb Jahren diesen Standpunkt vertreten, dass nach dem Krieg das Auffinden von Konten von Holocaust-Opfern durch viele Banken legalistisch gehandhabt worden sei. Teilweise hätten sie sich hartherzig und ungeschickt verhalten. «Sie haben jedesmal den Kelch vorübergehen lassen, statt die Situation mit der Hilfe geeigneter Gesetze zu lösen. Deshalb ist eine Geste gerechtfertigt.» Das Angebot von 600 Millionen Dollar sei sehr grosszügig. Dazu kommen alle Fälligkeiten aus dem Volcker-Prozess. Auch das Geld, für das sich keine Besitzer mehr finden, werde gespendet. Die Zahl 600 Millionen Dollar kam einerseits zustande im Verlauf der Verhandlungen, aber sie beinhalte auch eine ökonomische und betriebswirtschaftliche Komponente. Ertrag und Aufwand müssten stimmen. Ein Prozess in den USA würde die Banken ebenfalls mit Kosten konfrontieren, aber die angebotene Zahlung gehe nicht über das hinaus, was an Kosten anfallen würde. Dazu gehöre auch das Binden von Topmanagement-Kapazitäten, was schwierig in Franken und Dollar zu bewerten sei. 600 Millionen Dollar - minus die 70 Millionen Dollar, die bereits Anfang 1997 von den damals noch drei Grossbanken in den Holocaust-Fonds einbezahlt wurden - bedeuten ungefähr eine Milliarde Franken. Wili weiss, dass in Journalistenkreisen schon sehr lange eine Milliarde in Erwägung gezogen wurde. «Mit allem, was die Banken schon für die Aufarbeitung ausgegeben haben, befinden wir uns weit über einer Milliarde Franken.»

Aber die Banken betrachten, so Wili, einen Teil der Kosten als Investition in die Zukunft. Sie hätten viel aus der Kontroverse gelernt, nicht zuletzt gehe die Einführung neuer Archivierungssysteme darauf zurück. Darin seien sie nun weltweit führend, nur hatten bisher alle Anstrengungen «wenig gebracht». In bezug auf die britischen Banken, die ebenfalls Totenscheine von den Erben der Holocaust-Opfer verlangten, und die israelischen Banken, die ganz still auf rund 250 Millionen Dollar in Holocaust-Vermögen und zahllosen Grundstücken sitzen, mögen sich Bankenvertreter nicht äussern. Es gebe kein Fingerzeigen auf andere: «Unsere Problematik müssen wir selber lösen», sagt Wili. «Wir erwarten allerdings, dass alle anderen Mitspieler, vor allem jene, die Forderungen an die Schweiz stellen, alle mit gleichen Ellen messen, auch Politiker in New York, auch der Jüdische Weltkongress. Das ist offensichtlich nicht der Fall, aber das ändert nichts an unserer Ausgangsposition.» Geschäftlich wäre ein Boykott für die nunmehr zwei Schweizer Grossbanken marginal und kann sie substantiell nicht gross treffen. Das Geschäft in den USA weise trotz dieser Auseinandersetzung mit jüdischen Kreisen und Politikern in New York ein grosses Wachstum aus. «Wir verdienen mehr Geld als vor dreieinhalb Jahren in den USA», so Wili. Das Problem liegt in der Länge der Auseinandersetzung. Wie ein Damoklesschwert hängt die Möglichkeit über der UBS, die in den USA expandieren will, dass künftige Kunden vor neuen Geschäften zurückschrecken, weil sie eine negative Reaktion fürchten. Konkurrenz im Investmentbanking wären in solchen hypothetischen Fällen vorwiegend amerikanische Banken, im Private Banking alle grösseren Banken. Aber dieser Konkurrenzdruck bestehe im Moment nicht. Die Fusion sei zustande gekommen, an der Wall Street gebe es keinen heimlichen Boykott, im Gegenteil; vor einem Jahr habe das Wall-Street-Institut Merryll Lynch in Rekordzeit erworben werden können. Es gebe keine Probleme mit der Kundenfranchise, und international sei nur ein einziger grosser Kunde abgesprungen, aber aus einem ganz anderen Grund, der mit der Vergangenheitsbewältigung nichts zu tun habe.

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