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Der iw Brennpunkt vom 11.August 2000 / 10 Aw 5760

Ovadia Joseph bläst zum Kulturkampf

Der geistige Mentor der Schas-Partei, der frühere sephardische Oberrabbiner Ovadia Joseph, hat sich von seinen ungeheuerlichen Aussagen zwar distanziert – aber die Wogen sind auch Tage danach noch nicht geglättet.

Von Michael Glück

Rav Ovadia Joseph hat zu Beginn dieser Woche mit geschmacklosen Äusserungen wieder einmal für Aufregung gesorgt. Dieses Mal profilierte er sich weder mit einem Statement zugunsten des Schulsystem der sephardischen Torahüter noch mit einer giftigen Spitze gegen Merez-Chef Jossi Sarid, seinem Intimfeind. 

Dieses Mal schändete er das Andenken der Schoa-Opfer und beleidigte die Palästinenser. In seiner Predigt zum Fasttag Tischa beAw griff er zudem Regierungschef Ehud Barak an. Er renne den Arabern wie ein Amokläufer nach, zürnte der streitbare Rabbi: «Dieser Mensch (Barak) hat keinen Verstand. Man sagt, dass er ihnen (den Palästinensern) die Hälfte der Altstadt gegeben hat. Und weshalb? Damit es ihnen nochmals gelingt, uns umzubringen? Er bringt Schlangen in unsere Nähe.» Die Schasspartei widersetzt sich den Konzessionen, die Barak in Camp David gemacht hat – vor allem diejenigen in Ost-Jerusalem.

Warnung der Palästinenser

Die Palästinenser liessen solches nicht auf sich sitzen und warnten Israelis. «Die Aussage dieses Idioten und Rassisten ist eine Beleidigung für jeden Israeli», sagte Informationsminister Abed Rabbo. Jeder Israeli müsse als Rassist betrachtet werden, wenn er diese Ungeheuerlichkeiten nicht verurteile. Der geistige Mentor der Schass, die in der Knesset 17 von 120 Mandaten hat, zog zudem den Zorn vieler Israelis auf sich, weil er in derselben Predigt eine obstruse Erklärung für den Mord an den sechs Millionen Schoa-Opfern lieferte. Bei den Toten handle es sich um die Seelen von Sündigen. Laut Rabbi Josef vergehe kaum ein Tag, an dem nicht die Seele eines verstorbenen Menschen zurückkomme, und ein grosser Teil der Seelen gehören, so der Rabbiner, Sündern aus früheren Generationen (vgl. dazu auch Seiten 10–13).

Die Reaktionen fielen heftig aus

Überflüssig zu sagen, dass die Reaktionen auf des Rabbis Rede heftig ausgefallen sind. Ehud Barak meinte in der Kabinettssitzung, solche Aussagen wären des Status von Ovadia Joseph unwürdig: «Seine Worte könnten dem Andenken jener, die im Holocaust vernichtet worden sind und die Gefühle ihrer Familien und der ganzen Nation schaden.» 

Von Vertretern der Gedenkstätte Jad Waschem bis zum Likudvorsitzenden Arik Scharon wurde Ovadia Joseph schärfstens kritisiert. Tomi Lapid (Schinui), selbst Schoa-Überlebender und antiorthodox eingestellt, bezeichnete den ehemaligen Oberrabbiner als «alten Verrückten», der denjenigen einen Dienst erweise, die den Ruf Hitlers wieder herstellen wollen. Die Welt könne sich nun auf den Standpunkt stellen, dass ein ehrenwerter Rabbiner in Israel mit Hitler darin einig gehe, Juden als Sünder zu bezeichnen. 

Der Likud-Parlamentarier Avraham Hirschson befürchtete, dass die weltweit verbreiteten Aussagen des Schass-Mentors von Holocaust-Leugnern ausgebeutet würden. Und Ephraim Zuroff vom Simon Wiesenthal-Zentrum warf Ovadia Joseph vor, die Nazitäter von ihrer Schuld zu befreien: «Falls diese Juden tatsächlich für ihre vergangenen Sünden starben, weshalb sollte man denn diejenigen bestrafen, die die Todesstrafe ausführten?» 

Die Schass-Partei verteidigte ihren geistigen Mentor allerdings damit, dass die Zitate aus dem Zusammenhang gerissen worden seien, und auch der neugewählte Präsident Mosche Katzaw reagierte eher zahm: Er sei sicher, dass der Holocaust dem Rabbi sehr nahe geht, aber er wolle sich derzeit nicht zu theologischen Fragen äussern.

Ein Versuch, die Wogen zu glätten

Nach seinen Aufsehen erregenden Bemerkungen über den Holocaust, Araber und Ehud Barak versuchte der geistige Führer der Schass-Partei, dessen Haus gegenwärtig unter Polizeibewachung steht, die Wogen zu glätten. Ohne sich von seinen ungeheuerlichen Vergleichen und theologischen Behauptungen zu distanzieren, sagte er in einem Fernsehinterview, alle Menschen, die im Holocaust umgekommen sind, seien «heilig und rein und echte Heilige». 

Von seinen palästinenserfeindlichen Aussagen distanziert er sich freilich nicht, und auch die schweren Vorwürfe an die Adresse des Regierungschefs nahm er nicht zurück. Doch im Grunde genommen geht es bei den Aussagen des greisen Rabbiners nicht bloss um theologische Geschmacklosigkeiten, wie Tomi Lapid sagte. Er will nicht ausschliessen, dass Ovadia Yosef die Meinung vieler Sephardim vertritt, die im Holocaust keine Opfer zu beklagen hatten – «und das wäre dann Grund zur Verzweiflung», so Lapid. Das seltsame Verständnis des systematischen Genozids von einem der angesehensten Figuren der orientalischen Juden könnte den Kulturkampf verstärken. Wer Ovadia Joseph glaubt, ist nun überzeugt, dass die Sephardim die reineren Menschen sind als die Aschkenasim. 

Die Schass-Partei hatte sich erst kürzlich aus der Koalition von Ministerpräsident Barak gelöst, weil sie die Bemühungen Baraks um Einigung mit den Palästinensern auf dem Gipfel von Camp David nicht länger mittragen wollte, sich den Weg in die Koalition allerdings offen gehalten. Die Knesset kommt deshalb in der nächsten Woche trotz Ferien zu einer Sondersitzung zusammen.

[Foren zum Thema: 
Strafe G'ttes - Ovadia Josef]

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Nr. 32 vom 11. August 2000-08-09

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