iw 2000 / TSh''S
Der iw Brennpunkt vom 11.August
2000 / 10 Aw 5760
Ist es
legitim, zu fragen?
Die Frage, wie G’tt die Schoa
zulassen konnte, die durch die Bemerkungen von Rabbiner Joseph wieder
aktuell geworden ist, hat 1988 den damaligen Berner Rabbiner Marcel
Marcus im Rahmen einer Gedenkfeier zum 50.Jahrestag der Pogromnacht in
Bern beschäftigt. Wir zitieren nachstehend das iw vom November 1988 und
danken Erich Hausmann (Zürich), der uns darauf aufmerksam gemacht hat.
Rabbiner Marcel Marcus erwähnte
in seiner Ansprache, dass es gar nicht so selbstverständlich sei, dass
er als Überlebender der Schoa der Ereignisse vor 50 Jahren gedenken
könne. Es war vor allem der Umstand, dass sich sein Vater erst im
September 1942 entschlossen hatte, von Frankreich in die Schweiz zu
fliehen. Einen Monat früher wäre er wohl verhaftet worden, wie die
beiden jungen Juden, die im August 1942 auf dem jüdischen Friedhof
festgenommen und schliesslich «ausgeschafft» wurden, trotz sofortiger
Intervention der jüdischen Gemeinde und Gesprächen mit Bundesrat Steiger
und Dr. Rothmund.
Nur der öffentlichen Entrüstung
darüber sei es zu verdanken, dass sein Vater damals nicht an der Grenze
der Gestapo übergeben wurde, sondern hier «nur» ins Gefängnis gesteckt
wurde. Rabbiner Marcus stellt denn auch die schicksalhafte Frage, warum
gerade er, wie wenige andere gerettet worden sei, anderseits diese zwei
jungen Juden zusammen mit über fünf Millionen Juden ums Leben kamen.
Er fragt damit, wie schon Jehuda
HaLewi: Ist es legitim: zu fragen, wo es keine Antworten gibt? Jehuda
HaLewi hat darüber reflektiert, dass Anfang und Ende des Menschen
unbegreiflich sind und so sinnlos, als «wollt’ der grobe Lehm zum Töpfer
sagen: ’Was tust du?’».
Das Buch Hiob schreibe, dass
nicht immer begreifliche Antworten gegeben werden können. Angesichts der
Schoa wäre es eine Hybris, eine Antwort auf einen unvorstellbaren
Wahnsinn zu finden. Deshalb bleibe dem Menschen nur die Pflicht zur
Erinnerung, denn Vergessen wäre Verrat, und wenn einige Juden nur
überlebt hätten, um die Toten zu verraten, dann wäre es besser gewesen,
sie hätten nicht überlebt, hat schon Elie Wiesel geschrieben.
...ein Gebet,
ein Aufruf
gegen das Böse, eine Warnung
vor der Gleichgültigkeit
Rabbiner Marcus forderte auf dem
jüdischen Friedhof dazu auf, aus der Frage, die nicht zu beantworten
sei, «ein Gebet, einen Aufruf gegen das Böse, eine Warnung vor der
Gleichgültigkeit» zu machen. «Wir können das Böse nicht besiegen, indem
wir die Augen verschliessen...» «Erinnern hilft uns, das Böse zu
erkennen, um es zu bekämpfen.» Wenn es eine Antwort auf unergründliche
Fragen gebe, dann sei es die messianische Hoffnung als Antwort auf die
Gaskammern».
[Foren zum Thema:
Strafe G'ttes
-
Ovadia Josef]
Weitere
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Nr. 32 vom 11. August 2000-08-09
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Norden: (fast) alles ruhig
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- Schweiz: Macht Kunst aus
Email: Rivka Mayer, die Gattin des scheidenden israelischen
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