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Koscher leben...
Jüdische Weisheit
 
 

Avi Primor
»...mit Ausnahme Deutschlands«
Als Botschafter Israels in Bonn

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IIIe.Teil

Vor schwierigem Terrain

Adenauer und Ben Gurion waren nicht nur fast zur selben Zeit Regierungsoberhäupter, sie schieden auch etwa gleichzeitig aus dem aktiven politischen Leben. Ben Gurion wurde Regierungschef, als er 1948 die Unabhängigkeit des Staates Israel proklamierte, Adenauers Kanzlerschaft begann ein Jahr später mit der Gründung der Bundesrepublik. Ben Gurion trat im Juni 1963 zurück, Adenauer im Oktober des gleichen Jahres. In ihrem Ruhestand trafen die beiden Staatsmänner noch einmal zusammen, 1966, als der Alt-Kanzler seinen Freund in Israel besuchte. Ben Gurion empfing den Gast in seinem kleinen, bescheidenen Holzhaus im Kibbuz Sde Boker in der Negevwüste, in den er sich zurückgezogen hatte.

Die Ironie der Geschichte wollte es, daß Ben Gurions Rücktritt auch mit Deutschland zusammenhing. Eines der auslösenden Momente, mit dem Namen der Bundesrepublik verknüpft, machte schlagartig deutlich, wie hochempfindlich und heikel das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel trotz aller Sachlichkeit der Beziehungen seit 1952 im Grunde war, störanfällig vor allem dann, wenn Israels Sicherheit auf dem Spiel stand. Seit dem Abschluß des Wiedergutmachungsabkommens war es zu keiner so ernsthaften Krise gekommen.

Anfang der sechziger Jahre erhielt der israelische Geheimdienst erste Hinweise auf deutsche Wissenschaftler, die sich in arabischen Ländern, besonders in Ägypten, mit der Entwicklung und Herstellung von Massenvernichtungswaffen beschäftigten. Informationen darüber gelangten bald auch an eine breitere Öffentlichkeit. In Ägypten wurden am 23. Juli 1962, dem Nationalfeiertag, bei einer Militärparade Raketen vorgeführt, die angeblich unter Mitwirkung deutscher Forscher und Techniker entstanden und offensichtlich dazu bestimmt waren, Israel zu treffen. Man sprach von Flugkörpern, deren mit Gas und chemischen Kampfstoffen ausgerüstete Sprengköpfe im Falle eines Einsatzes von verheerender Wirkung wären.

Die Empörung in Israel war unbeschreiblich, durch das Land ging ein einziger Aufschrei. Die Jahre der zögernden Zusammenarbeit, die sich allmählich zwischen Deutschen und Israelis entwickelt hatte, schienen plötzlich zu Ende. Die Überwindung dessen, was sich möglicherweise für den weiteren Ausbau der Beziehungen als Hürde hätte erweisen können, die Folgen des Eichmann-Prozesses, trat in den Hintergrund. Wer mochte nun noch von einem »anderen« Deutschland sprechen? Wer wollte noch einen Unterschied machen zwischen dem untergegangenen Nazi-Deutschland und dem Deutschland von heute, das als ein »neues« darzustellen Ben Gurion sich so sehr bemüht hatte? Wieder waren Deutsche am Werk, vielleicht dieselben, die schon für Hitler das Gas Zyklon B, die V-2-Raketen, die gesamte Vernichtungsmaschinerie erfunden und konstruiert hatten, jetzt im Dienst derer, von denen eine permanent akute Bedrohung ausging.

Ich tat damals in Benin Dienst, dem ehemaligen Dahomey. Das westafrikanische Land war Israel äußerst freundlich gesonnen, offenbar auch deshalb, weil die arabischen Staaten von ihm kaum Notiz nahmen – in Dahomey gab es keine einzige arabische diplomatische Vertretung. Aus einer Revolution, die während meiner Amtszeit stattfand, ging als neuer Machthaber Präsident Sourou Migan Apithy hervor. Erstaunlich war, wie rasch er, kaum im Amt, zum offiziellen Besuch nach Kairo eingeladen wurde. Nach der Rückkehr empfing mich Apithy, der wie die Spitzenpolitiker seines Landes bis dahin in dem Ruf stand, ein Freund Israels zu sein. Jetzt erzählte er nicht nur begeistert von seinen Reiseeindrücken, sondern erging sich auch in dunklen Andeutungen über die Zukunft Israels. Man habe ihm von deutschen Wissenschaftlern berichtet, die in Ägypten arbeiteten, er habe auch hochmoderne Waffen gesehen, an deren Bau sie mitgewirkt hatten, alles in allem glaube er, Israel habe keine Chance mehr. Von da an wurde Apithys Verhältnis zu Israel merklich kühler, zuletzt glich es etwa der Distanz zu einem Sterbenden, den man aufgegeben hat.

Natürlich fehlte es auf unserer Seite nicht an Überlegungen, wie man am wirksamsten gegen die deutschen Raketentechniker in Ägypten vorgehen könne. Der Geheimdienst Mossad plante Attentate und führte sie teilweise auch aus. Golda Meir, die Außenministerin, sah die Verantwortung allein bei der deutschen Bundesregierung und war bereit, die Beziehungen zu ihr wesentlich einzuschränken. Nur Ben Gurion blieb fest: Nach wie vor zog er einen Trennungsstrich zwischen dem neuen Deutschland, der Bundesrepublik, und einzelnen verantwortungslosen Gesinnungstätern, die augenscheinlich bereit waren, Israel und den Juden überhaupt zu schaden, wo sie nur konnten.

Der Rücktritt des Geheimdienstchefs, Isser Harel, war das erste sichtbare Resultat der Auseinandersetzungen. Der Druck der Öffentlichkeit war indessen stärker, als Ben Gurion erwartet hatte. Er, der »Alte«, wie er in Israel genannt wurde – genau wie Adenauer in Deutschland –, stand ohnehin am Ende seiner Karriere und besaß nicht mehr genügend Kraft, um die innenpolitischen Konflikte durchzustehen, die zwar nicht ausschließlich, aber zu einem wesentlichen Teil auf die Tätigkeit deutscher Militärtechniker in den arabischen Nachbarländern zurückgingen. Die unbewältigte Krise war gewiß nicht der einzige Rücktrittsgrund, doch hat sie diesen Schritt zweifellos beschleunigt.

Mit Hilfe der Bundesregierung beruhigte sich die Lage alsbald. Man fand einen Weg, die deutschen Wissenschaftler, die für soviel Unruhe gesorgt hatten, zurück nach Deutschland zu holen. Im übrigen zeigte sich, daß Ägyptens Waffentechnologie bei weitem nicht den Stand erreicht hatte, den man ursprünglich befürchtet hatte. In dem Krieg jedenfalls, der wenige Jahre später im Nahen Osten ausbrach, spielte sie keine entscheidende Rolle.

Schwerer wogen die Belastungen der deutsch-israelischen Beziehungen. Wenn es Leute gab, die aufgrund der bis dahin bescheidenen und vorsichtig betriebenen Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Israelis, nach dem Treffen Ben Gurions mit Adenauer und durch den Verlauf des Eichmann-Prozesses den Eindruck gewonnen hatten, das beidseitige Verhältnis sei auf dem Weg zur Institutionalisierung, dann kamen sie angesichts der neuen Situation nicht umhin, ihre Enttäuschung zu bekennen. Wer garantierte dafür, daß nicht auch künftig ähnliche Schwierigkeiten auftreten würden? Der Neuanfang der Beziehungen stand dann auch eher im Zeichen der Verdrängung als der Versöhnung. Wie im Grunde berechtigt die Bedenken und Zweifel waren, zeigte der sogenannte Auschwitz-Prozeß in Frankfurt, der im Dezember 1963 eröffnet wurde.

Das Verfahren gab in ausführlicher Eindringlichkeit und Breite den Blick frei auf das größte Vernichtungslager, das die Nazis vorwiegend zur Ausrottung der Juden gebaut hatten. Da es ausschließlich Deutsche waren, welche die Ermittlungsarbeit geleitet und den Prozeß vorbereitet hatten, Deutsche auch, die am Ende über Schuld und Unschuld befanden und die Urteile verkündeten, bestand für Deutsche zunächst kein Grund, an der Objektivität der hier angewandten Rechtsgrundsätze zu zweifeln. Wahrheiten, ob in der Erinnerung verblaßt, ob unaufgearbeitet gelassen oder einfach verdrängt und vergessen, gerieten mit der ganzen Unfaßbarkeit ihrer grausamen Details so herausfordernd neu ans Tageslicht, daß man sich ihnen schwerlich entziehen konnte. Trotzdem konnte das Verfahren, über das täglich alle Medien berichteten, in Deutschland nicht die gleiche Aufmerksamkeit finden wie der Eichmann-Prozeß, auch wenn es in gewisser Weise dessen Fortsetzung oder Ergänzung bildete.

Das Interesse Israels am Prozeßgeschehen in Frankfurt war naturgemäß groß. Dabei erwartete man aber nicht so sehr die Aufdeckung neuer, bis dahin unbekannter Tatsachen, beobachtet wurden vielmehr der Ablauf des Verfahrens und dessen Wirkung in der deutschen Öffentlichkeit. Aufmerksam registriert wurde vor allem die Art und Weise, in der das Gericht mit den geladenen Zeugen umging – aus israelischer Sicht, zumindest am Anfang, ein eher düsteres, deprimierendes Szenarium, das nach den Presseberichten Empörung hervorrief. Die Eindrücke vermischten sich. Die Art der Prozeßführung wurde allgemein als kalt und gefühllos empfunden, und die Behandlung der Anklagepunkte ließ fast den Schluß zu, hier gehe es um ein marginales Vergehen, etwa den Diebstahl in einem Supermarkt. Einzelne Zeugen, Menschen also, die Auschwitz überlebt hatten, brüskierte man, indem man ihre Aussagen als wenig glaubhaft hinstellte und die Opfer damit auf eine annähernd gleiche Stufe rückte wie die Angeklagten. Überhaupt schien es, als könnten weder die Richter noch die Zuhörer so recht an das wahre Ausmaß der Nazi-Verbrechen glauben.

Inge Deutschkron arbeitete damals als Korrespondentin für die israelische Tageszeitung »Maariv«. In ihrem Buch »Mein Leben nach dem Überleben« zitiert sie aus einem Artikel, den sie seinerzeit aus Frankfurt für ihr Blatt schrieb. Es geht um eine Zeugenvernehmung: »›Was wurde aus Ihrer Frau und den Kindern?‹, fragte der Gerichtsvorsitzende, Landgerichtsdirektor Hans Hofmeyer, am 31. Juli 1964, dem 72. Verhandlungstag, den Zeugen David Schmidt, der als Zeuge der Anklage gegen Oswald Kaduk im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozeß geladen war. ›Was aus ihnen wurde?‹ David Schmidt, ein einfacher Mann, guckte verständnislos in die Runde. ›Sie wurden umgebracht‹, sagte er zögernd, so als ob er den Eindruck hätte, man wolle ihn hier auf den Arm nehmen. ›Woher wissen Sie das?‹ fragte der Vorsitzende. ›Aber sie sind doch nicht mehr da!‹ rief Schmidt verzweifelt aus, der nicht begriff, daß seine Aussage wertlos war, wenn er nicht lückenlos nachweisen konnte, daß Kaduk seine Angehörigen eigenhändig ermordet oder sie in die Gaskammer geführt hatte.«

Je länger sie dem Prozeß beiwohnte, schreibt Inge Deutschkron, desto deutlicher sei ihr die Untauglichkeit der deutschen Strafprozeßordnung bei der Behandlung solcher Verbrechen geworden. »Sie sieht vor, daß dem Angeklagten die Schuld nachzuweisen ist. Die Todeslager aber waren so konstruiert, daß Gefangene nur durch Zufall überlebten. Die Zahl der Zeugen war entsprechend gering, viel zu gering, um den Regeln des deutschen Strafrechts zu genügen ... Nur ein Strafrecht, nach dem jene, die in Massenvernichtungslagern dienten, ihre Unschuld nachzuweisen hatten, hätte die Schuldigen einer gerechten Strafe zuführen können.«

Mehr als befremdlich wirkten auch gewisse Begleitumstände des Auschwitz-Verfahrens. Von zwanzig Angeklagten waren zunächst elf nicht in Haft. »Sie kamen jeden Morgen aus ihren jeweiligen Hotels zum Prozeß. Es ließ sich kaum vermeiden, daß Zeugen – also Opfer – und Angeklagte beim Frühstück im Hotel oder beim Mittagessen in der Gerichtskantine einander begegneten. Eine zusätzliche Pein für jedes der Opfer dieser Verbrechen. Das interessierte aber deutsche Justizbehörden nicht. Sie hielten sich strikt an die Gepflogenheiten ihrer Prozeßordnung« (Deutschkron).

Wahrscheinlich hat das Gericht in Frankfurt tatsächlich wenig Rücksicht und Feingefühl bewiesen. Das änderte sich jedoch, je länger die Richter, Zuhörer und Medienvertreter mit unwiderlegbaren Einzelheiten der in Auschwitz praktizierten Menschenvernichtung konfrontiert wurden. Es änderte sich vor allem nach der Reise, die Richter und Anwälte zum ehemaligen Konzentrationslager in Polen unternahmen. Selbst die Skeptischsten unter ihnen räumten nach der Rückkehr ein, wie wichtig die Lagerbesichtigung nicht nur für den weiteren Prozeßablauf, sondern auch für sie selbst gewesen sei. Ein Jahr furchtbarster Anklagen hatte nicht gereicht, menschlicher Vorstellungskraft das wahre Bild der gigantischsten Mordstätte aller Zeiten zu vermitteln. Die Stimmung im Gerichtssaal schlug allmählich um, die anfangs betont kühle Atmosphäre verwandelte sich in Betroffenheit und nur mühsam zurückgehaltenes Entsetzen. Mit diesen Gefühlen hatten die israelischen Beobachter schon den Beginn des Prozesses verfolgt. Je bedrückender sich dessen Materie auswirkte, desto zuversichtlicher wurden sie.

Zweifellos haben beide Verfahren, das gegen Adolf Eichmann in Jerusalem und der Auschwitz-Prozeß in Frankfurt, zunächst in Israel und bald dann auch in Deutschland Denkanstöße zu der Frage geliefert, wie man künftig miteinander umzugehen habe. Der Gedanke an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen stand dabei unausgesprochen im Hintergrund. In den fünfziger Jahren bestand Klarheit darüber, daß Israel keine derartigen Beziehungen wünschte und die Bundesrepublik sie auch nicht erwartete. Andererseits verlangte die Zusammenarbeit, die sich auf mehreren Gebieten zur beidseitigen Zufriedenheit entwickelt hatte, die Einrichtung geregelter, ordentlicher Kanäle, die sich an internationalen Normen orientierten. Es war Ben Gurion, der keinen Zweifel daran ließ, wir müßten uns an die Vorstellung gewöhnen, irgendwann mit den Deutschen in normale diplomatische Beziehungen zu treten. Abgesehen von der kritischen Zeit, in der die Tätigkeit deutscher Waffentechniker in Ägypten zu einer extremen Belastung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und Israel führte, durfte man auch annehmen, die Stimmung im israelischen Volk Deutschland gegenüber habe sich derart beruhigt, daß es die offizielle Aufnahme solcher Beziehungen mit einiger Gelassenheit hinnehmen werde.

So kam es, daß die Vertretung Israels in Köln, die sich mit der Umsetzung des Wiedergutmachungsabkommens befaßte, Anfang der sechziger Jahre mit vorsichtigen Sondierungen beauftragt wurde. Man wollte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, herausfinden, ob die Deutschen zur Aufnahme regulärer Beziehungen bereit seien. Das Ergebnis war so eindeutig wie überraschend – die Regierung in Bonn reagierte negativ.

Von Berufsdiplomaten, zumal solchen im außenpolitischen Dienst, war im allgemeinen zu erwarten, daß sie Vorbehalte oder Einwände gegen die Aufnahme von Beziehungen zu Israel unmißverständlich formulierten. Wir waren das von anderen Ländern gewöhnt, wo es in der Regel stets das jeweilige Auswärtige Amt war, dessen Interesse mehr den arabischen Ländern als Israel galt, aus durchaus verständlichen Gründen. Israel war klein und verhältnismäßig arm, arabische Staaten aber gab es viele, zum Teil so mit Reichtümern gesegnet, daß sie westliche Unternehmer in Scharen anlockten. Israel war ein isoliertes, weitgehend boykottiertes Land, während sich der Einfluß der Araber bis in alle wichtigen internationalen Gremien erstreckte. Jedes beliebige Außenministerium erhielt Informationen von seinen Botschaften im Nahen Osten, in Nordafrika oder Asien, aus islamischen Ländern also oder solchen, die mit den Arabern verbündet waren. Dagegen nahm sich der Nachrichtenfluß aus Israel nicht nur kümmerlich aus, er war meist auch tendenziell gefärbt, wenn nicht gar israelfeindlich. Asher Ben Natan, Staatssekretär im Verteidigungsministerium und später der erste israelische Botschafter in Bonn, meinte einmal während unserer gemeinsamen Zusammenarbeit in Paris: »Wenn das israelische Außenministerium nicht so in unsere Angelegenheiten involviert wäre, ich glaube, es würde sich auch anti-israelisch verhalten ...«

Es waren nicht nur die oft einseitige, allzu stark die arabische Sicht herausstellende Art der Information und ihr Einfluß auf das Auswärtige Amt, die sich auf unsere Kontakte zu Bonn erschwerend auswirkten. Es gab vielmehr auch gewisse personelle Hindernisse. Yohanan Meroz, für kurze Zeit Angehöriger unserer Kölner Vertretung und beauftragt, bei den Deutschen die Bereitschaft zur Aufnahme normaler Beziehungen zu prüfen, deutet die Probleme in seinem Buch »In schwieriger Mission« an. Den späteren dritten Botschafter Israels in Bonn verwunderte, daß der »Leiter des Nahost-Ressorts der ältliche, eigenartige, aus dem Ruhestand zurückgerufene Generalkonsul Voigt (war), der neben einiger Kenntnis der Region und der arabischen Sprache den ›Vorzug‹ hatte, letzter Konsul des Dritten Reiches in Jerusalem gewesen zu sein; daß ihn diese Erfahrung zur Kontaktpflege mit israelischen Gesprächspartnern nicht besonders qualifizierte, ist wohl selbstverständlich. Weniger verständlich war, daß das Auswärtige Amt ausgerechnet für diesen Posten, der ein besonderes Maß von Unbescholtenheit erforderte, keinen anderen als einen ausgedienten Diplomaten Ribbentrops gefunden hatte.«

Es waren indessen mehr Spitzenpolitiker als untergeordnete Beamte, die sich bei unseren Sondierungen zurückhaltend zeigten. Denn noch war die Hallstein-Doktrin in Kraft. Um der Zweistaatentheorie entgegenzuwirken, bemühte sich die Bundesregierung, die Anerkennung der DDR durch andere Staaten zu verhindern; jedem Land, das zur DDR offizielle Beziehungen aufnahm, wurden diplomatische Konsequenzen angedroht. Ein besonderes Augenmerk galt in dieser Hinsicht natürlich der arabischen Welt. Man tat alles, um den großen Staatenblock von der Aufnahme regulärer Beziehungen zur DDR abzuhalten, und nahm dafür den Druck in Kauf, den die Araber mit ihrer Politik scheinbaren Wohlverhaltens auf die Bundesrepublik ausübten. Selbst Adenauer, der sonst keinen Hehl aus seiner Überzeugung machte, die Kluft zwischen Deutschen und Israelis und dem jüdischen Volk insgesamt müsse durch gegenseitige Annäherung überwunden werden, verhielt sich zögernd und gab schließlich dem ablehnenden Taktieren seiner Diplomaten nach.

Alles dies war mir damals noch unbekannt. Der gewöhnliche israelische Bürger konnte nicht ahnen, daß seine Regierung die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Deutschland anstrebte. Hätte er zu jener Zeit schon erfahren, daß sich die Deutschen verweigerten, seine Empörung darüber wäre vermutlich noch größer gewesen als die der Regierung seines Landes, die plötzlich und nicht wenig verblüfft erkennen mußte, daß der Entschluß, zu dem sie sich unter großen Schmerzen durchgerungen hatte, von deutscher Seite nicht honoriert wurde. Im Gegenteil, schon der erste Erkundungsversuch, der die eigene Bereitschaft zur Einleitung offizieller Beziehungen signalisieren sollte, war schlicht zurückgewiesen worden.

Trotzdem hat sich die Zusammenarbeit auch ohne Formalisierung der Beziehungen in den folgenden Jahren erfreulich entwickelt, wenn auch nicht auf allen Gebieten gleich. Irgendwann einmal mußte sie sich auch auf die Wirtschaft beider Länder ausdehnen. Noch hatte die Mehrheit der Israelis Einwände gegen jede Art von Einfuhren aus Deutschland und die Beschaffung deutscher Waren. Noch war fast jeder stolz darauf, keinen Gegenstand zu besitzen, der aus Deutschland stammte und dort hergestellt war – eine Einstellung, die jedoch allmählich zur Fiktion wurde. Mit den Lieferungen, die im Rahmen des Wiedergutmachungsabkommens eintrafen, gelangten mit der Zeit eher mehr Produkte aus Deutschland nach Israel als aus jedem anderen Land. Zwar handelte es sich nicht um Dinge für den Haushalts- und alltäglichen Gebrauch, sondern um Schiffe, Lokomotiven oder Werkzeugmaschinen, deren genaue Herkunft nur Fachleute kannten. Es war aber abzusehen, wann die wachsende Zusammenarbeit zwischen israelischen und deutschen Unternehmern, zwischen Technikern und Ingenieuren beider Länder sich konkret auch auf den Alltagskonsum des Normalbürgers in Israel auswirken würde.


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Erschienen 1997 beim Ullstein-Verlag, Berlin


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