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Jüdische Weisheit
 
 

 

Avi Primor:
»...mit Ausnahme Deutschlands«
Als Botschafter Israels in Bonn

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IIa.Teil:
Annäherungen

Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich »meinen« ersten Deutschen traf. Die Begegnung war unvermeidlich. Sie kam sogar, könnte man sagen, erzwungenermaßen zustande, und zwar im Zusammenhang mit der Ausübung meiner Diplomatentätigkeit Anfang der sechziger Jahre.

Vorausgegangen waren flüchtige Zusammentreffen mit deutschsprachigen Studenten im Sommer 1954, Gästen eines französischen Sprachseminars der Universität Grenoble, an dem auch ich teilnahm. Nicht nur, daß mich die Gegenwart dieser Leute störte, ich empfand sie als nahezu empörend und tat alles, um jeden Kontakt mit ihnen zu meiden. Das war nicht immer leicht. Sämtliche Kursteilnehmer waren im Studentenheim der Universität untergebracht, und der Unterricht erfolgte gemeinschaftlich, ohne Rücksicht auf die Herkunft. Meine Identität verbarg ich, so gut es ging; ich wehrte Annäherungsversuche ab und bemühte mich, um sozusagen ausgebucht zu erscheinen, um freundschaftliche Verbindungen zu Studenten anderer Nationalität. Fand ich mich dann doch, beim Essen, auf Ausflügen oder im Unterricht, neben einem Deutschen wieder, verhielt ich mich ablehnend, zumindest uninteressiert. Im übrigen gab ich mich in solchen Fällen gern als Amerikaner aus – durchaus glaubwürdig wegen des amerikanisch gefärbten Englisch, das ich mir in der Gymnasialzeit während eines zweijährigen Aufenthalts in den USA angeeignet hatte. Kurz, mir lag alles daran, die Deutschen nicht merken zu lassen, daß sie mit einem Juden beziehungsweise einem Israeli sprachen.

Der erste Posten, den ich als Auslandsdiplomat antrat, lag in Schwarzafrika. Das Auswärtige Amt in Jerusalem, wo meine Laufbahn kurz vorher begonnen hatte, schickte mich nach Bamako in der Republik Mali. Von dort wechselte ich auf meine erste Station mit längerem Aufenthalt in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste. Gerade in den ersten Jahren der Unabhängigkeit, die die jungen afrikanischen Staaten erlangt hatten, achtete das jeweilige Gastland peinlich genau auf die Einhaltung des Protokolls. Jeder Verstoß konnte Folgen haben, wurde zumindest als Mißachtung der Traditionen und der nationalen Würde registriert. Ähnliches galt für den Umgang der ausländischen Missionen miteinander. Sobald etwa ein neuer Botschafter sein Beglaubigungsschreiben überreicht hatte, bat er die Amtskollegen um Termine für Antrittsbesuche, streng darauf bedacht, die Rangfolge einzuhalten und niemanden zu übergehen. Auch die Mitarbeiter des neu akkreditierten Botschafters hatten sich diesem förmlichen, etwas operettenhaft anmutenden Zeremoniell zu unterwerfen.

Unter den Botschaften, die es damals in Abidjan gab, befand sich auch die der Bundesrepublik Deutschland. Meinem Vorgesetzten, Botschafter Shlomo Hillel, kein Berufsdiplomat und, obwohl noch jung, eine bekannte öffentliche Figur, später Minister und dann Parlamentspräsident in Israel, war es keineswegs leichtgefallen, sich zur üblichen Antrittsvisite bei seinem deutschen Kollegen anzumelden. Verständlicherweise, denn der in Bagdad geborene Hillel war mit dem Schicksal des Judentums in der arabischen Welt verbunden, speziell mit der jüdischen Bevölkerung des Irak, um deren Rettung er sich 1948, während des Unabhängigkeitskrieges Israels, persönlich so verdient machte, daß er fortan als eine Art Nationalheld galt. Allerdings konnte Hillel sicher sein, daß der deutsche Amtskollege, der die gesamte Nazi-Zeit als privater Geschäftsmann in Afrika verbracht hatte, in keinerlei Verdacht stand, ein Gefolgsmann Hitlers gewesen zu sein.

Eines Tages fragte Hillel mich, mit dem ich mich rasch angefreundet hatte, nach der Erfüllung meines Pflichtsolls an Besuchen in den übrigen ausländischen Botschaften in Abidjan. Meinem Rang entsprechend, hatte diese unvermeidliche Prozedur auf der Ebene der Zweiten Botschaftssekretäre zu erfolgen. Hillels Vorstoß brachte mich in einige Verlegenheit. Ich zögerte mit der Antwort, gab dann aber zu erkennen, daß ich die Besuchsrunde unter Beachtung aller Regeln absolviert, das Programm zumindest fast lückenlos abgewickelt hatte – aber eben nur fast. Denn auf der Liste der Botschaften, die ich bis dahin aufsuchte, fehlte eine, die deutsche. Ich schützte Zeitmangel vor, doch Hillel belehrte mich, daß ich, wenn ich mich schon für die Diplomatenlaufbahn entschieden hätte, persönliche Gefühle zurückstellen und allein die Interessen meines Landes wahrnehmen müsse. Danach kam er zum Glück nicht noch einmal auf die Angelegenheit zu sprechen. Ich habe mich der Aufgabe einfach entzogen.

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Erschienen 1997 beim Ullstein-Verlag, Berlin


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