Neues Buch des israelischen
Botschafters Avi Primor:
Botschafter der weichen Worte
Mit seinem neuen Buch
erweist sich Avi Primor abermals als guter Botschafter der israelischen
Sache; er wirbt dafür, wo es möglich ist, und beschönigt, wo es nötig ist
Der israelische Botschafter Avi Primor
gehört zu den profiliertesten Persönlichkeiten in der deutschen
Botschafterszene. Er ist eine "moralische Instanz". Sein Wort hat Gewicht. 22
arabische Botschafter können ihn nicht aufwiegen. Es ist ein Novum, daß ein
amtierender Botschafter in seiner Amtszeit bereits sein zweites Buch vorlegt.
Seinem eher autobiographischen Werk "...mit Ausnahme Deutschlands" folgen
jetzt, in einem Buch zusammengefaßt, fünf Vorlesungen, die er an der
Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf im Sommersemester 1998 gehalten hat,
sowie eine Laudatio auf Rabin und Arafat und zwei Dankesreden in eigener
Sache.
Primors Gedanken kreisen immer wieder um die
Geschichte Israels: gerade wenn es um die Gründung des Staates geht, aber
auch in bezug auf Deutschland. Die Ausführungen des Botschafters sind sehr
durchdacht und geschickt aufbereitet. Sie vermitteln die mit ihnen
beabsichtigte Message. Er beleuchtet die geschichtliche
Judendiskriminierung. Die offizielle zionistische Geschichtsdoktrin wird in
liberalem Gewande vorgetragen. Wenn Primor Herzls Tat eine Revolution nennt,
verschweigt er, daß diese mit der Katastrophe eines anderen Volkes
korrespondiert und nur in enger Kooperation mit den Kolonialmächten zu
erreichen war. Der Zionismus war deshalb nicht nur eine Befreiungs-, sondern
ist bis heute eine kolonialistische Bewegung. Die Palästinenser können davon
ein Lied singen. Primor ist zuzustimmen, daß der Holocaust nicht das
entscheidende Kriterium für die Staatsgründung Israels war; die Entscheidung
dazu war lange vorher gefallen. Der Botschafter transportiert auch die
Legenden von der "blühenden Wüste" und der Einwanderung der Araber aufgrund
der von den Zionisten geschaffenen Produktionsverhältnisse. Dazu gehört
auch, daß die Araber beim Unabhängigkeitskrieg geflohen seien. Daß über die
Hälfte der 700.000 Palästinenser vertrieben wurden, belegen heute die "neuen
Historiker" in Israel. Diese ignoriert Primor geflissentlich. Es gab zwar
keinen "offiziellen" Vertreibungsbefehl Ben Gurions, aber zahlreiche
Hinweise darauf, daß die zionistische Bewegung von Beginn an auf eine solche
Vertreibung abzielte. Daß "keine Politik der Vertreibung praktiziert, sie
auch nicht beabsichtigt" war, ist historisch schlicht falsch. Rabin, der
spätere Friedensnobelpreisträger, unterzeichnete persönlich auf Geheiß Ben
Gurions den Befehl, 70.000 Palästinenser aus Lod und Ramle zu vertreiben.
Auch die bereitwillige Kooperation des jüdischen Staates mit den
Palästinensern gehört ins Reich der Legenden. All diese Behauptungen wurden
bereits von Simcha Flapan, einem führenden Funktionär der Mapai, 1988
zurückgewiesen bzw. stark relativiert.
Primors Ausführungen zum Friedensprozeß sind
einsilbig. Allen Ernstes versucht er, Netanjahus Regierungszeit als positiv
zu verkaufen; dieser sei der wirkliche Realist. Auch seine Ausführungen zum
deutsch-israelischen Verhältnis gehen nicht über Altbekanntes hinaus.
Unabhängig von einigen Krisen in den bilateralen Beziehungen könnten diese
als "normal" bezeichnet werden, so Primor. Ein Schlußstrich wäre aber ein
"Akt willkürlicher Selbsttäuschung". Nur die Geschichte könne diesen ziehen.
Trotz Holocaust sei Deutschland zum wichtigsten Partner Israels nach den USA
avanciert. Israels Ziel sei eine stärkere institutionelle Verankerung in der
EU.
Ex-Kanzler Kohl hatte beim Dezember-Gipfel
1994 in Essen Israel diesen Sonderstatus verschafft. Er war Israels bester
Lobbyist in Europa. Primor befürwortet eine stärkere Ausrichtung Israels auf
Europa, quasi als zweites Standbein neben den USA. Dies würde dann zu einem
"Mitgestalten der zukünftigen Entwicklungen im Nahen Osten" führen. Ob diese
kleinen Brötchen den Europäern reichen werden? Einen besseren Botschafter
und Interessenvertreter kann sich Israel nicht wünschen.
Ludwig Watzal
Avi Primor: "Europa, Israel und der Nahe
Osten". Droste-Verlag, Düsseldorf 1999, 160 S., 26,80 DM
taz Nr. 5726 vom 4.1.1999 Seite 12
Politisches Buch 124 Zeilen Kommentar Ludwig Watzal © Contrapress media GmbH
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"Ist die
israelische Demokratie gefährdet, Herr Primor?"
Israels Botschafter Avi Primor:
Abschied von Diplomatie und Fettnäpfchen
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