Der Kampf gegen den
islamistischen Fundamentalismus:
Die Herausforderung annehmen
Aus der Einleitung zum
gerade erschienenen Buch "Mit dem Islam
gegen des Terror" von Avi Primor
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das Buch und den Autor] [Bestellen?]
Es gab in der
Menschheitsgeschichte immer wieder
einschneidende Ereignisse, durch die die
Historie eine radikale Wendung nahm. Sie
veränderten die Welt, mal zum Positiven, mal
zum Negativen. Und immer lagen auch in den
großen Katastrophen und den kriegerischen
Auseinandersetzungen Chancen für einen
Neuanfang.
Dazu gehörten beispielsweise die Schlacht
von Marathon (490 v. d. Z.), bei der das
antike Griechenland Persien besiegte.
Ähnlich wichtig waren der Tod von Dschingis
Khan 1227, der Fall Konstantinopels 1453,
die Französische Revolution 1789 und
Napoleon, die Machtergreifung des
japanischen Kaisers Meiji im 19.
Jahrhundert, die beiden Weltkriege im 20.
Jahrhundert mit den deutschen Niederlagen
von 1918 und 1945 oder der Fall der Berliner
Mauer 1989. Viele Leser werden nun das eine
oder andere Datum vermissen, das ihre
persönliche Weltsicht, ihre kulturellen
Wurzeln und ihr Geschichtsbild
repräsentiert. Dazu zählt vielleicht für die
einen das Ende der arabischen Herrschaft auf
der Iberischen Halbinsel und für andere die
Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 oder
die Entdeckung Amerikas im selben Jahr.
Ein Tag, der ohne Zweifel die ganze Welt
erschütterte und nachhaltig veränderte, war
der 11. September 2001. Im Englischen heißt
jene Zeitenwende schlicht: 9/11. Diese
Zahlenfolge ruft verschiedenste Emotionen
und Gedanken hervor. Denn die Zerstörung der
Twin Towers, der Türme des World Trade
Center, und der Tod von Tausenden Menschen
wegen der Anschläge des 11. September wurde
von Milliarden Augenzeugen rund um den
Globus live verfolgt. Dieser Tag und die
Szenen, die sich in das Gedächtnis der
Menschen einbrannten, hatten eine
grundlegende Wendung der Weltgeschichte zur
Folge. Der Name Osama bin Laden wurde
zugleich für die meisten in der westlichen
Welt neben denen von Despoten und
Massenmördern wie Pol Pot, Adolf Hitler und
Joseph Stalin zum Synonym des Bösen. Als
meistgesuchter und meistgejagter Mann der
Welt wurde auf die Ergreifung des früheren
Saudis eine Prämie von 25 Millionen
US-Dollar ausgesetzt. Der 11. September 2001
führte die Welt in den „Krieg gegen den
Terror“ und, wie Margaret Thatcher, die
frühere britische Premierministerin,
ausdrücklich formulierte: „Radikaler
Islamismus ist heute, vergleichbar dem
Kommunismus in der Vergangenheit, eine auf
Waffen gestützte Doktrin. Dieser Islamismus
ist eine aggressive Ideologie, die von
fanatischen, gut gerüsteten Anhängern
verbreitet wird. Genau wie der Kommunismus
erfordert der Islamismus eine umfassende,
langfristig orientierte Strategie, damit er
besiegt werden kann.“
Der Zusammenbruch der Sowjetunion wie der
darauf folgende weitgehende Niedergang des
marxistisch-leninistischen Mantras – von der
letzten Hochburg Nordkorea oder einigen
kleinen Bastionen in Lateinamerika einmal
abgesehen – hinterließen ein ideologisches
Vakuum. Das Ende des Kalten Krieges und der
Wunsch nach Freiheit im einstigen Ostblock
markierten eindeutig den Sieg des
Liberalismus. Das freie demokratische System
hatte somit seinen Triumphzug angetreten.
Seine Verfechter sahen mit Genugtuung, dass
die früheren sozialistischen und
kommunistischen Staaten nicht nur
wirtschaftliche und soziale Veränderungen
wollten, sondern in der Regel jetzt sogar
besonders eindringliche Fürsprecher eines
liberalen, demokratischen
Gesellschaftssystems wurden. Vielleicht
wollte man nach dem Niedergang des
Kommunismus seine neue Weltanschauung damit
nachdrücklich unter Beweis stellen. Zudem
wetteiferten die neuen demokratischen
Staaten darum, möglichst schnell Mitglieder
in den wichtigen Institutionen der
westlichen Welt zu werden: angefangen von
der Europäischen Union über die NATO bis hin
zur Welthandelsorganisation. Diese Tendenz
war auch in Afrika, Lateinamerika, Asien und
in der arabischen Welt zu beobachten und
markierte deutlich die Umbruchsituation nach
dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks
in Osteuropa.
Es schien ein frischer
liberal-demokratischer Wind durch die Welt
zu wehen. Dieser Optimismus war rund zehn
Jahre lang deutlich spürbar. Dann kam der
11. September 2001. An diesem Tag wurden
nicht nur die Zwillingstürme in New York
zerstört, sondern einmal mehr auch die
Hoffnung auf eine erneuerte und vor allem
friedliche Weltgemeinschaft. Seit der
Stunde, in der die Flugzeuge in die Türme
des WTC rasten und sich in tödliche
Feuerbälle verwandelten, steht auch die Welt
in Flammen. Diese schrecklichen Ereignisse
sind zum Symbol für die unkalkulierbare
Gefahr des Terrorismus geworden. Die
Terroristen vom 11. September 2001 hatten
nicht nur die USA im Visier, sondern sie
richteten sich in ihrer Brutalität gegen all
das, was die westliche Welt in ihren Augen
ausmacht: den liberalen Lebensstil und den
Wohlstand.
Den „Prächtigen 19“, wie sich die Gruppe um
Mohammed Atta bezeichnete, war gerade der
American Way of Life ein Dorn im Auge. An
jenem sonnigen Tag im September 2001 begann
die Auseinandersetzung der Vertreter der
liberalen Systeme mit denen des radikalen
Islam. Diese Möglichkeit hatte Samuel
Huntington in seinem Werk „Kampf der
Kulturen“ bereits in den frühen 1990ern
erkannt. Denn schon damals hatte es
Anschläge gegeben, allerdings nicht von
einem solchen Ausmaß. Auf die Ereignisse des
11. September 2001 folgten dann unweigerlich
zahlreiche weitere terroristische Attentate.
Zielscheibe waren nur bestimmte Länder, aber
die Terrorakte hatten definitiv globale
Auswirkungen. Ein radikales Umdenken in
Sachen Sicherheit und nationaler
Verteidigung setzte ein, was gravierende
Umwälzungen in der Politik der betroffenen
Staaten bedeutete und jeden Bürger dieser
Welt seither im Alltag tangiert. Die rigiden
Sicherheitskontrollen an den Flughäfen sowie
die Beschränkungen im Gepäckverkehr, aber
auch die Überwachung öffentlicher Plätze und
Einrichtungen sind nicht mehr aus der Welt
zu denken – aus der neuen Welt, wie sie seit
dem 11. September existiert.
Zugleich führte 9/11 zu einem höchst
ungewöhnlichen Schulterschluss zwischen
bestimmten Staaten wie beispielsweise den
USA und Pakistan. Sie bemühen sich,
gemeinsam eine relativ kleine Gruppe
religiöser Fanatiker zu bezwingen, die ihre
Ideologie und ihre Werte Milliarden von
Menschen, die anders denken, aufdrängen
wollen. Auffallend war, dass selbst
eindeutig antiamerikanische Regierungschefs
wie Fidel Castro auf Kuba und Mohammed
al-Gaddhafi in Libyen die Terrorakte gegen
die USA verurteilten. Allerdings schwiegen
auch Länder wie der Iran. Dieses Schweigen
bestimmter Staatschefs bedeutete weder
Zustimmung noch Ablehnung, aber es schien
diesen Herrschenden wohl angebracht, ihre
Gedanken nicht offen zu äußern. Nebenbei
bemerkt war die zynische Reaktion des
irakischen Despoten Saddam Hussein ein
weiterer Grund für die Feindschaft der USA
gegen sein Land, verbunden mit seinem
letztendlichen Untergang.
Die Welt stand nach dem 11. September vor
dem Scherbenhaufen des
liberal-demokratischen Aufbruchs und musste
erkennen, dass der Islamismus den
traditionellen Platz der linken Ideologie
eingenommen hatte. Die internationale
Staatengemeinschaft sah sich damit einer
neuen, aber vergleichbar starken
Herausforderung gegenüber. Im 19. und 20.
Jahrhundert wurden der Sozialismus,
Kommunismus und Marxismus von ihren
Anhängern als Alternative zur dominierenden
liberalen Raison d’être verstanden. Darin
lag der Grund, warum sich diese Ideen einen
so entscheidenden Platz in der Welt
erkämpfen konnten.
Im 21. Jahrhundert strebt der Islamismus
diese Rolle an. Vor allem militante
Bewegungen wie Hizb ut-Tahrir al-Islami
(Islamische Freiheitspartei), welche
hauptsächlich in Zentralasien aktiv ist,
Jemaah Islamiah (Islamische Gemeinschaft),
die für die Anschläge 2002 und 2005 auf Bali
verantwortlich war, oder die Hamas haben
dieses Ziel fest im Auge. Arbeiten von
Wissenschaftlern wie Samuel Huntington und
Francis Fukuyama, aber auch
länderspezifische Studien — beispielsweise
aus Großbritannien — machen diesen
Paradigmenwechsel in der Ideologiegeschichte
vom staatlichen Kommunismus zum staatliche
Grenzen missachtenden Islamismus deutlich.
Konsequenterweise interpretieren die
amerikanische Regierung sowie die
konservativen Thinktanks in den USA den
Terror des AI-Qaida-Netzwerks als globale
Kriegserklärung, die sich zuerst gegen die
Supermacht, aber auch gegen die
internationale Gemeinschaft richte. Selbst
die muslimischen, nichtislamistischen
Staaten würden von AI-Qaida bedroht werden,
sofern sich diese nicht der radikalen Lehre
anschlössen.
Demgemäß sagte US-Präsident George W. Bush
im September 2001, wenige Tage nach den
Anschlägen auf sein Land: „(...) unser Krieg
ist ein Krieg gegen das Böse und gegen
Extremisten, aber nicht gegen jene Lehre des
Islam, der Frieden und das Gute predigt.
Al-Qaida ist keine Organisation mit guten
Zielen, sie ist keine Organisation des
Friedens, sondern eine Gruppe, die sich auf
Hass und das Böse gründet."
Das Kernstück ihrer Ideologie und anderer
ideologisch vergleichbarer Gruppen besteht
in dem Wunsch, eine islamische Gesellschaft
zu erreichen, die sich ausschließlich dem
islamischen Recht, der Scharia, unterwirft.
Das Ziel, auf das sich alle diese
islamistischen Gruppen immer wieder berufen
und womit sie ihre Taten rechtfertigen
wollen, ist, kurz gesagt, die Wiederbelebung
des Kalifats aus dem 7. Jahrhundert. Diese
Epoche wird von ihnen als das Goldene
Zeitalter des Islam angesehen und folgte der
Idee einer lückenlosen Nachfolgerschaft
Mohammeds als Herrscher über die muslimische
Gemeinschaft. Sie existierte von 632 bis 661
unter der Führung der vier sogenannten
„rechtgeleiteten" Kalifen. Im Jahre 661
führte der gewaltsame Tod des letzten
Kalifen Ali nicht nur zu einem Bruderkrieg
in der muslimischen Welt, sondern auch zur
Spaltung des Islam sowie zu dessen Verlust
an Einfluss auf die arabische Welt. Die
muslimische Gesellschaft teilte sich in
verschiedene Gruppen. Die beiden größten
Strömungen unter ihnen bilden die Sunniten
und die Schiiten.
Seit 749 stellte das Herrschergeschlecht der
Abbasiden, die auf den Onkel Mohammeds
zurückgehen, die Kalifen. Im Anschluss an
die Beseitigung des Abbasidenkalifats im 13.
Jahrhundert durch die Osmanen setzte sich
bei den Gelehrten allmählich der Gedanke
durch, dass jeder Sultan, der die religiösen
Gesetze aufrechterhält, als Kalif, was
jedoch politisch nicht bedeutend war,
bezeichnet werden dürfe. Dementsprechend
führten schließlich seit dem 15. Jahrhundert
die Herrscher der Osmanen wie auch andere
Machthaber diesen Titel.
Militante Islamisten sind der Ansicht, dass
nur ein Leben auf Basis der
radikal-islamischen Interpretation der
Geschichte und der strengen Einhaltung der
Scharia die reine muslimische Lehre
widerspiegele. Genau aus diesem Grund rief
die endgültige Abschaffung des Kalifats in
der Türkei 1924 und die damit einhergehende
Trennung zwischen Staat und Religion durch
den Reformer Kemal Atatürk in der weniger
moderaten islamischen Welt große Entrüstung
hervor. Um die Verbreitung der reinen
muslimischen Lehre dennoch lückenlos
umzusetzen, werden nach Meinung vieler
Beobachter in Europa beispielsweise die
verheerenden sozioökonomischen Verhältnisse
benutzt, wie sie in Gaza oder in Teilen des
Libanon herrschen: Durch Versprechungen und
Zuwendungen an die Menschen, die in einer
sehr schwierigen Situation leben müssen,
versucht man, die Schar der Anhänger zu
vergrößern. Eine solche Taktik verfolgt auch
die Hamas, wenn es um die Freiheit und
Selbstständigkeit der Palästinenser geht.
Sie vereint Elemente einer islamistischen
Bewegung mit konkreten politischen Zielen.
Welche ideologischen Zwecke hiermit jedoch
genau verfolgt werden, kann man nur in den
Grundsatzpapieren solcher
Organisationen nachlesen. Bewegungen wie
Hamas und Hisbollah sind Volksbewegungen.
Sie bieten ihren Anhängern und jenen, die
sie für ihre Ziele rekrutieren möchten, eine
Vielzahl sozialer Dienstleistungen:
Krankenversicherungen, Baubeihilfen und
Stipendien für Schüler oder Studenten; das
sind ihre Lockmittel. Dort, wo Armut und Not
Alltag sind, kann ein einziges Stipendium
einer ganzen Familie helfen.
Diese Strategie, die Religion mit sozialen
Leistungen und der Förderung von Bildung
verbindet, ermöglicht dem militanten Islam,
eigene Rekrutierungspools aufzubauen, aus
denen eine Heerschar von Anhängern und
zahllose willige Krieger hervorgehen. Auf
diese Weise hat sich z. B. in Indonesien
eine Bewegung unter der Bezeichnung „Darul
Islam" (Wohnsitz des Islam) in bereits
ansehnlicher Größe gebildet. Sie unterhält
Schulen, in denen die Schüler ihr Leben
streng nach islamischem Recht ausrichten
müssen. Diese Schüler haben in ihrem Leben
noch nie die indonesische Hymne gesungen,
sondern kennen ausschließlich arabische
religiöse Lieder, sogenannte Nasyids. Die
Wände der Schulen sind mit arabischer
Kalligrafie verziert, die als schönes
Ornament auch diejenigen anspricht, die
diese Schrift nicht lesen können. Man könnte
sie fast schon als Menetekel bezeichnen,
weil es hier ihrer Bedeutung nach um die
Verherrlichung von muslimischen Märtyrern
geht. Die Schulen lehren den zentralen
Gedanken, dass der Islam bedroht sei und
Indonesien daher in einen islamistischen
Staat umgewandelt werden müsse. Wer diese
Auffassung nicht teilt und sich dagegen
stellt, sei ungläubig oder dem Islam untreu.
Doch nicht nur Armut bedingt diesen
Radikalismus, zumal bei Weitem nicht alle
Terroristen oder Anhänger islamistischer
Gruppen aus Armut und Verzweiflung handeln.
Es hat sich z.B. gezeigt, dass viele
palästinensische Selbstmordattentäter, und
vor allem die Terroristen des 11. September,
aus einem stabilen sozialen Umfeld kamen,
eine gute Bildung aufwiesen und ihr
Auskommen hatten.
Ich bin der Meinung, dass trotz der
berechtigten Angst vor den schrecklichen
Bedrohungen durch den Terrorismus, einer
Angst, die seit dem 11. September 2001 wohl
die ganze Welt erfasst hat, die Hoffnung auf
einen Weg hin zum Besseren nicht völlig
aufgegeben werden sollte. Denn wie die
Geschichte der PLO zeigt, ist der Wandel von
einer terroristischen Vereinigung in eine
positive politische Kraft durchaus möglich.
In den 1970ern war die PLO für zahllose
Terroranschläge verantwortlich. Sie ließ
Flugzeuge in die Luft jagen, war für den
Anschlag auf die israelische Mannschaft
während der Olympischen Spiele in München
1972 verantwortlich, nahm Geiseln und
mordete. Schließlich gelang es der PLO
jedoch, sich vom Terror abzuwenden und für
eine Politik auf offizieller Ebene zu
entscheiden. Erst damit wurde sie zum
Gesprächspartner für die israelischen
Politiker. Das Treffen zwischen dem
israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak
Rabin und dem PLO-Vorsitzenden Yassir Arafat
vor dem Weißen Haus im Jahre 1993 stellte
somit einen bedeutsamen Sprung beider
Parteien über eine enorme Hürde dar. Sie
unterzeichneten gemeinsam die Erklärung,
dass die Palästinenser in den Gebieten, die
1967 während des Sechstagekriegs durch
Israel erobert worden waren (Gazastreifen
und Westjordanland), künftig als ersten
Schritt über eine Autonomie verfügen
sollten. Diese Übereinkunft und der
Händedruck waren der manifeste Beweis, dass
Israel die PLO als politische Kraft
anerkannte und bereit war, sich mit einer
Selbstständigkeit der Palästinenser
abzufinden. Im Gegenzug schwor die PLO
offiziell dem Terror ab und verwarf ihre
Ansprüche auf das israelische Kernland.
Mit Al-Qaida hingegen ist bislang keinerlei
Gespräch möglich, und der Weg zu einer
gewaltfreien, politischen Annäherung ist
noch weit. Zudem unterscheidet sich die
Al-Qaida grundlegend von der PLO, die ihren
Terror gegen eine relativ klar definierte
Gruppierung von Menschen ausübte. Bin Ladens
Kämpfer dagegen führten eine tief greifende
Neudefinition des Terrors herbei. Dieser
Bedrohung sehen sich alle Länder der Welt
ausgesetzt. Außerdem muss eine neue
Sicherheitspolitik nicht nur die direkten
Al-Qaida-Anhänger berücksichtigen, sondern
auch die mehr oder minder eng verbundenen
Weggefährten der Organisation — kurzum
Verbündete, Förderer und Bewunderer. Das
bedeutet für jeden einzelnen Staat, dass dem
Kampf gegen den internationalen Terrorismus
ein zentrales Gewicht zukommen muss. Dieses
gemeinsame Ziel der bedrohten Staaten ist
mittlerweile zum Mittelpunkt des politischen
Handelns geworden. Jedes Land hat neue
Organisationen und Arbeitsgruppen ins Leben
gerufen, die sich ausschließlich mit dem
internationalen Terrorismus und seinen
jeweiligen Aktivitäten im eigenen Staat
befassen.
Durch den islamistischen Terror und die
damit verbundenen Herausforderungen an die
Sicherheit sind nun bestimmte Grundsätze
infrage gestellt. Denn die altehrwürdigen
Traditionen des
Habeas-corpus-ad-Subjiciendum (Man kann die
Person zwecks Vernehmung festhalten) und des
Habeas-corpus-ad Testificandum (Man kann die
Person festhalten, um eine Zeugenaussage zu
erlangen) werden manchmal missbraucht, um
Verdächtige zu inhaftieren. Augenfälligstes
Beispiel sind die Vorkommnisse im
US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba. Auch
international geltendes Recht wurde bereits
modifiziert, und der Prozess ist noch nicht
am Ende. Staaten, die sich den Grund- und
Menschenrechten verpflichtet haben, müssen
sich plötzlich mit Angelegenheiten wie der
unbegrenzten Haftdauer eines noch nicht
Verurteilten, der Überwachung und der
partiellen Aufhebung der Privatsphäre ihrer
Bürger sowie nicht zuletzt einer
grundlegenden Veränderung der Regeln des
Datenschutzes befassen.
Die Versuche des ehemaligen britischen
Premierministers Tony Blair, eine 90-tägige
Untersuchungshaft für Personen einzuführen,
die des Terrorismus verdächtigt werden -
Blair hatte dies bereits 2005 erfolglos
vorgeschlagen und im Juni 2007 trotzdem
wieder auf die Agenda gesetzt, machten
dieses Dilemma deutlich. Der Zwiespalt
zwischen den demokratischen Prinzipien
einerseits und der notwendigen Abwehr
islamistischen Terrors und damit dem Schutz
der eigenen Bürger andererseits ist nur
schwer aufzulösen. Es hält sich das zentrale
Argument, dass strengere Gesetze die
liberalen und demokratischen Werte und
Grundfesten unterminieren würden.
Schließlich verlor Blair die Abstimmung,
obgleich seine Partei eine beträchtliche
Mehrheit im Unterhaus hatte. Von dessen
Mitgliedern votierten jedoch mehr als die
Hälfte gegen den Gesetzesentwurf. Für den
damaligen Premierminister bedeutete dies
zugleich Niederlage und Gesichtsverlust,
weil das Büro des Fraktionsgeschäftsführers
enorme Anstrengungen unternommen hatte,
selbst die Abgeordneten der Labour Party
davon zu überzeugen, für den Entwurf zu
stimmen.
In Deutschland — um ein weiteres Beispiel
aus der EU zu nennen — stieß Wolfgang
Schäuble im Sommer 2007 mit seinen
Vorschlägen für eine effizientere
Terrorbekämpfung auf ebensolchen Widerstand.
Der Bundesinnenminister hatte dafür
geworben, relevanten Behörden weiter
reichende Befugnisse für die Jagd nach
Terroristen einzuräumen. So sollte im Falle
eines begründeten Verdachts eine
Durchsuchungserlaubnis leichter erhältlich
und umfassender möglich sein sowie im
Krisenfall die Grenze zur Gewaltanwendung
gegenüber mutmaßlichen Terroristen
herabgesetzt werden. In diesem Zuge
forderten er und Verteidigungsminister Franz
Josef Jung außerdem eine gesetzliche
Grundlage, um von Terroristen entführte
Passagierflugzeuge im deutschen Luftraum
notfalls abschießen zu dürfen. Damit begibt
man sich allerdings auf ein juristisch und
ethisch sehr heikles Terrain. Obwohl die
Pläne zunächst noch sehr vage waren, ging
auch sofort ein Aufschrei durch die
politischen Lager. Diese starke Reaktion von
Presse und Parteien zeigt, welch sensible
Thematik berührt wird, sobald es um die
Einschränkung von Grundrechten zugunsten der
Terrorabwehr geht.
Die Kontroversen um die Bekämpfung des
islamistischen Terrorismus werden nicht nur
in ganz Europa immer lauter Auch in den USA
sind solche Töne deutlich zu vernehmen.
Angesichts der schlimmen Vorkommnisse in
amerikanischen Gefängnissen und aufgrund
internationaler Proteste u. a. von NGOs wie
Human Rights Watch wurde überlegt, einen
Gesetzesvorschlag zu erarbeiten, um Folter
in den USA und durch Angehörige von Armee
und Geheimdiensten gesetzlich zu verbieten.
Die
Probleme sind zu vielschichtig, als dass man
Patentlösungen anbieten könnte - das weiß
ich als Israeli nur zu gut.
Der 11. September hat die Welt
herausgefordert. Wir müssen diese
Herausforderung annehmen und Möglichkeiten
finden den Frieden auf der Welt langfristig
mit unseren erprobten Mitteln und Werten der
Demokratie zu sichern. Die
Auseinandersetzung mit dem islamistischen
Fundamentalismus hat jedoch eine lange
Geschichte und viele Gesichter. Man muss sie
kennen und verstehen, um dem Frieden den Weg
bereiten zu können.
[Über
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