
Waffenstillstand als trügerische Hoffnung:
TATSÄCHLICH EINE "HUDNA CIVIC"?
„Hudna“ bedeutet einen temporären
Waffenstillstand zwischen den moslemischen Gemeinden und/oder
zwischen ihnen und der Außenwelt. Die Hudna ist als Ehrenwort
verpflichtend, wie ein religiöser Schwur: in der langen Geschichte
des Islam sind kaum Fälle eines einseitigen Verstoßes gegen eine
Hudna bekannt.
Als der Gedanke einer Hudna erstmals von
nicht-staatlichen Stellen in Israel angesprochen wurde, war sein
Ziel klar: die palästinensische Zivilbevölkerung für eine andauernde
und totale Einstellung der Anschläge gegen Israel zu gewinnen.
Gleichzeitig musste sich Israel dazu verpflichten, von
Liquidierungen abzusehen. Während der Hudna - so hofften die Urheber
des Gedankens - werden sich Vertreter Israels und der PA an den
Verhandlungstisch setzen und versuchen, ohne Waffen die Kontroversen
beizulegen. Die Hudna wurde als Gegenteil der Intifada dargestellt.
Aus dieser „bürgerlichen Hudna“, einer „Hudna Civic“, wurde jedoch
nichts. Stattdessen entwickelte sich der Gedanke zu etwas völlig
Anderem: zu Gesprächen zwischen zwei radikalen islamischen
Terrororganisationen auf der einen Seite (Hammas und Jihad), und der
PA (Palästinensische Autonomiebehörde mit dem Präsidenten Jasir
Arafat und dem Premier Abu-Masen) auf der anderen Seite. So entstand
eine absurde Situation, in welcher die PA die israelische Regierung
vor den Führungen der Hammas und des Jihad repräsentiert, die,
angespornt von ihrem neuen, erhobenen Status, es wieder einmal nicht
eilig haben, die Anschläge einzustellen. Sie feilschen, betrachten
distanziert die Bereitschaft der PA, sie in die nationale Führung
aufzunehmen, d.h. in die palästinensische Regierung, eine Ehre, die
bisher nur der El-Quaida in der Taliban-Regierung zuteil wurde. Bis
diese von den Amerikanern vernichtet wurde.
Die israelische Regierung unter Ariel Sharon befindet sich also,
zwar indirekt jedoch völlig offen, in Verhandlungen mit
Terrororganisationen, die in anderen Staaten, auch in arabischen und
moslemischen, als verfassungswidrig erklärt wurden und verfolgt
werden. Wären die Herren von Hammas in Ägypten tätig, zum Beispiel,
lägen ihre Leichen schon längst in Massengräbern in der Wüste.
Wenn unsere Regierung glaubt, das nationale Interesse verpflichte
sie dazu, einen Dialog mit Hammas zu eröffnen, dann muss der
diesbezügliche Beschluss mit der israelischen Öffentlichkeitsmeinung
abgewogen werden, und es müssen auch die Auswirkungen auf den
weltweiten Antiterrorkrieg in Betracht gezogen werden. Man darf sich
jedoch nicht hinter der Hudna verstecken, die jetzt in Gaza, in
Ramallah und Kairo zusammengebraut wird. Diese Hudna bedeutet nicht,
dass die Gewalt eingestellt, die Rechte der anderen Seite anerkannt
oder zum Weg der Verhandlungen zurückgekehrt wird, sondern sie ist
ein Preis und eine Legitimierung für die Terrororganisationen, deren
Existenzberechtigung sich auf mörderische Gewalt gegen Zivilisten
stützt.
Und was wird das konkrete Ergebnis einer Regelung zwischen der PA
und den islamischen Terrororganisationen sein? Wie immer bei
Regelungen zwischen Mördern und Beamten: mit der Zeit werden die
Beamten weniger, und die Mörder vermehren sich.
Die Falle der Hudna
Jedioth achronoth Guy Bachor
Es ist fraglich, ob eine Übereinkunft zwischen
den diversen palästinensischen Gruppierungen über einen temporären
Waffenstillstand mit Israel erzielt werden wird. Zunächst, da sie
über Israel und die Anschläge sprechen, jedoch sich selbst meinen,
nämlich die Frage, wer aus den zweieinhalb Jahren Intifada gestärkt,
und wer geschwächt hervorgegangen ist.
Die israelische Gesellschaft wünscht sich einen
Waffenstillstand mit den Palästinensern, und deshalb fiel das Gerede
über eine Hudna bei uns auf offene Ohren. Aber gerade diese
Initiative könnte Israel in einige Fallen bringen, denen danach nur
schwer zu entkommen ist.
Hudna bedeutet im Wesentlichen einen Waffenstillstand auf Anweisung
der Glaubensführer, bis zur Wiederaufnahme der Kämpfe. Die Regeln
für eine Hudna sind tief verwurzelt und stützen sich auf den Glauben
an die Überlegenheit des Islam. Deshalb ist eine Anerkennung der
Hudna durch Israel nicht nur die Bestätigung, minderwertig und
ketzerisch zu sein, sondern Israel stimmt damit auch zu, dass die
Kämpfe mit der Hammas wieder aufgenommen werden. Sollte man nicht
lieber bei den national-modernen Begriffen bleiben, wie Grenzen,
Friedensverträge und Abkommen, die zwischen Menschen geschlossen
werden und nicht Befehlen des Korans unterliegen?
Darüber hinaus bedeutet eine Hudna, dass nicht nur die PA mit der
Hammas als gleichberechtigten Partner verhandelt, sondern auch
Ägpyten, andere arabische Staaten und indirekt auch Israel. Dadurch
wird die Hammas zum zentralen palästinensischen Sprecher. Ihre
Führer werden entscheiden, ob und wann das Feuer eingestellt, und ob
und wann es wieder aufgenommen wird.
Und es besteht auch die Gefahr, dass Israel in eine alt-neue Falle
gehen wird. Die Übereinkünfte der Aktionen „Rechenschaftsablegung“
und „Früchte des Zorns“ machten die IDF-Soldaten zu Enten auf dem
Schießstand. Israel verpflichtete sich dazu, keine libanesischen
Zivilisten zu schädigen, und die Hisbollah verpflichtete sich dazu,
keine Katjushas auf den Norden Israels abzufeuern, wobei Angriffe
gegen Soldaten keine Erwähnung fanden. Diesmal verpflichtet sich die
Hammas dazu, keine Anschläge in Israel zu verüben, während sich
Israel verpflichten muss, keine Liquidierungen vorzunehmen, während
Siedler und IDF-Soldaten in den Gebieten nicht erwähnt werden.
Israel besteht zwar auf die Liquidierung „tickender Bomben“, der
weltweite Druck auf Israel wird jedoch jede Liquidierung als Verstoß
gegen den Waffenstillstand werten.
Israel muss sich und andere an die ursprüngliche Roadmap erinnern,
die bereits in Vergessenheit geraten zu sein scheint, in der nicht
von einer Hudna gesprochen wird. Wenn die PA nationale Erfolge
verzeichnen will, dann muss sie etwas tun, was sie bisher nie getan
hat: gegnerische Organisationen auflösen, die Hetze einstellen,
Gewalt verhindern und ein neues palästinensisches Klima herstellen.
Das ist eine der Lehren, die uns die Intifada der Palästinenser
vermittelt hat.
Hintergrund zur ersten Hudna-Initiative des
israelischen Präsidenten
(die damals von A.Scharon abgelehnt worden war):
hagalil.com
20-06-03 |