..."Die innere Zwietracht wird furchtbar sein. Es
wird Attentatsversuche geben. Rabin wird keines natürlichen
Todes sterben. Das Land wird einen ungeheuren Schock erleben.
Ein Teil der Nation wird sagen 'Wir haben doch recht gehabt!'
und Rabin Nachgiebigkeit vorwerfen"...
Nationalistisch-Religiöser Mord:
Der Tod des Jitzhak Rabin
Einleitung des Buches
von Michael Karpin und Ina Friedman
Professor Yehoshafat
Harkabi,
einer der angesehensten israelischen Intellektuellen, sagte im
Januar 1994 die Ermordung Jitzhak Rabins voraus. Harkabi kannte den
Ministerpräsidenten schon seit dem israelischen
Unabhängigkeitskrieg, in dem sie zusammen gekämpft hatten.
Wie Rabin hatte er zunächst in der Armee Karriere gemacht und war
dann für eine Zeit Chef des Militärischen Geheimdienstes gewesen. In
seiner zweiten Laufbahn als Historiker und Politikwissenschaftler
erwarb er sich einen Ruf als scharfsichtiger Beobachter. Sein Land
verlieh ihm die höchste Anerkennung, die es zu vergeben hat, den
Israel-Preis. Harkabi war ein Mann, dem die Israelis Gehör
schenkten.
Acht Monate vor Rabins Tod und vier Monate nach der
Unterzeichnung des Osloer Abkommens gewährte Harkabi zwei
jungen israelischen Wissenschaftlern ein Interview. Im schneidenden
und düsteren Ton seiner Spätschriften zeichnete er ein Bild der
israelischen Gesellschaft, die zerrissen war durch den Kampf um
Rabins Entscheidung, einen Kompromiss mit den Palästinensern zu
schließen und Gebiete zurückzugeben, die Israel 1967 erobert hatte.
«Die innere Zwietracht wird furchtbar sein», warnte er. «Es wird
Attentatsversuche geben. Rabin wird keines natürlichen Todes
sterben. Das Land wird einen ungeheuren Schock erleben. Ein Teil der
Nation wird sagen: <Wir haben doch recht gehabt> und Rabin
Nachgiebigkeit vorwerfen.»
Der jüdische Fanatismus ließ Harkabi keine Ruhe. Er hatte eine
Studie über eines der traumatischsten Kapitel der israelischen
Geschichte geschrieben, den Bar-Kochba-Aufstand gegen die Römer
130-135 n.Chr. Die jüdischen Zeloten entfachten ihn zweiundsechzig
Jahre nachdem die Römer Jerusalem wegen einer vorangegangenen
Rebellion
zerstört hatten. Dieser zweite Aufstand wütete über drei
Jahre und kostete - die Opfer des Hungers nicht mitgezählt - über
eine halbe Million Juden das Leben.
Er mündete in eine der größten Katastrophen der jüdischen
Geschichte. Doch seine tragische Lehre war längst vergessen. In der
Vorstellungswelt des Volkes galt er als leidenschaftlicher Akt des
Heldenmuts und als Kampf um die Freiheit der Nation, mochte er auch
zum Scheitern verurteilt gewesen sein. Harkabi hatte versucht, den
Mythos des glorreichen Kampfes zu erschüttern. Gern zitierte er
Winston Churchills Bemerkung, zwei Völker der Alten Welt hätten
unter einem starken Drang zur Selbstzerstörung gelitten, die
Griechen und die Juden. Angesichts der Welt von 1994 fürchtete er,
diese Feststellung treffe immer noch zu.
Am 10. Oktober 1995, weniger als einen Monat vor der Ermordung
Jitzhak Rabins, veranstaltete die Vereinigung der Amerikaner und
Kanadier in Israel, eine wohltätige Organisation von in Israel
lebenden Nordamerikanern, an der Küste nördlich von Tel Aviv einen
Jahrmarkt. Zu dieser Veranstaltung, die nichts als eine vergnügliche
Sache sein sollte, war auch der Ministerpräsident eingeladen. Doch
bei seiner Ankunft erwartete ihn eine Gruppe rechter Demonstranten,
die sich bereits heiser geschrien hatten, mit den Rufen «Rabin hau
ab!» und «Der Hund ist angekommen!». Einer der Demonstranten, Dr.
Naftan Ofir, Rabbiner an der Hebräischen Universität, stürmte
kreischend und fluchend auf den Ministerpräsidenten zu und keilte
sich zu dem Leibwächter an Rabins Seite durch. Als der Leibwächter
den Angriff abwehrte, biß ihm Ofir in die Hand. Gegen Rabin hatte es
schon viele Demonstrationen gegeben, doch diese machte erstmals
offenkundig, in welchem Maße sein Leben in Gefahr war. Unter dem
Schock des Geschehenen beschrieb Ze'ev Schiff, bei der angesehenen
Tageszeitung Ha'aretz zuständig für Verteidigungsfragen, den
Vorfall düster als «Der Mord an Rabin - ein Probelauf».

Likud-Chef
Benjamin Netanjahu bei der Ra'anana-Demonstration am 08-03-1994.
Hinter ihm ein Sarg mit der Aufschrift "Rabin ermordet den
Zionismus".
Zwei Wochen vor dem Attentat setzte sich Victor Cygielman,
Korrespondent der französischen Wochenschrift
Le Nouvel
Observateur, an seinen Computer, um die Entwicklungen
der letzten Monate zusammenzufassen.
Als langjähriger erfahrener
Beobachter der israelischen Gesellschaft zählte er eine Reihe
merkwürdiger und beunruhigender Vorfälle auf.
Zunächst beschrieb er eine schaurige Zeremonie, bei der eine kleine
Gruppe religiöser Fanatiker sich vor Rabins Haus aufgestellt und das
mystische
Pulsa Da-Nura angestimmt hatte, einen kabbalistischen
Todesfluch.
Dann war da der offene «Auftrag», Rabin zur Strecke zu bringen,
erteilt von Rabbinern, die sich auf das talmudische Din Rodef
beriefen, die für jüdische Verräter vorgesehene Strafe.
Cygielman erwähnte auch das Flugblatt, das bei Massendemonstrationen
verteilt wurde und Rabin in einer SS-Uniform zeigte. Und er schloß
mit der öffentlichen Warnung des Shabak (Israels Dienst für innere
Sicherheit), die durch Hetze vergiftete Atmosphäre könne sich in
einem Attentat entladen.
Diese gewaltträchtige Stimmung, so Cygielman, sei für Israel bislang
beispiellos. Die Bühne für den Mord am Ministerpräsidenten war
vorbereitet. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es zu einem
wirklichen Anlauf kommen würde.
Durch
eine technische Panne in Paris verzögerte sich die Veröffentlichung,
und der Artikel erschien erst am Donnerstag, dem 2. November.
Zwei Tage später wurde Jitzhak Rabin erschossen.
[BESTELLEN]
Michael Karpin und Ina Friedman
Rezah beShem Elohim
- haKescher neged Jizhak Rabin
Zmora-Bitan Tel-Aviv 1999
Michael Karpin und Ina
Friedman
Der Tod des Jitzhak Rabin
- Anatomie einer Verschwörung
Die Ermordung des Jizhak Rabin
Michael Karpin und Ina Friedman
Ein
Prophet im Lande Israel:
Rabin wird keines
natürlichen Todes sterben
Professor Harkabi (gest. 1994), war
als Historiker mit der Geschichte des religiös-fundamentalistischen
Fanatismus vertraut...
Anatomie eines Verbrechens:
Der Tod des Jizhak Rabin
Wie selbstverständlich steht Jigal Amir am Abend des
4. November 1995 direkt neben dem Wagen des israelischen
Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin...
hagalil.com
26-10-04 |