Viktor Emil
Frankl
WIEN - Die Greueltaten der Nationalsozialisten
haben ihn und seine Lehre geprägt. Doch seine Bekenntnis zum Leben
konnten die Nazis Viktor Emil Frankl nicht nehmen. Der große
österreichische Psychiater und Psychotherapeut starb im September 1997
im Alter von 92 Jahren.
Die von ihm begründete Logotherapie hat er einmal mit
einem Satz deutlich umschrieben: "Der Sinnleere unserer Tage kann nur
mit Sinnlehre begegnet werden''.
Frankl wurde am 26. März 1905 als Sohn einer
jüdisch-bürgerlichen Familie in Wien geboren. Seiner Heimatstadt sollte
er im Gegensatz zu vielen seiner Leidensgenossen ungeachtet seiner
traumatischen Erlebnisse in mehrerern Nazi-Konzentrationslagern und
seiner Professuren an den renommiertesten US-Universitäten bis zu seinem
Tod treu bleiben.
Schon früh entdeckte Frankl seine Berufung. Noch während des
MedizinStudiums, das er 1930 abschloß, stand er in Briefkontakt mit
Sigmund Freud. Bei Viktor Adler lernte er. Dennoch entwickeite er eine
von beiden Vorbildern stark unterschiedliche Lehre, die schließlich als
"Dritte Wiener Richtung der Psychotherapie" in die Literatur eingehen
sollte.
Vor dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Frankl bereits als
Neurologe und Psychiater in seiner eigenen Praxis, später auch an der
neuropsychiatrischen Universitätsklinik in Wien. Trotz der
Machtübernahme der Nationalsozialisten durfte Frankl zunächst die
Nervenstation des jüdischen Krankenhauses in seiner Heimatstadt leiten.
1942 half ihm auch sein Ruf als anerkannter Arzt
nichts mehr: Frankl und seine Familie wurden in das KZ Theresienstadt
deportiert. 1945 wurde er von den Allierten in Dachau befreit, doch
seine Eltern, sein Bruder und seine junge Frau starben.
Dennoch verlor Frankl in all dem Grauen, das er sah
und erlebte, nie den Lebenswillen - im Gegenteil: Gerade hier
verfeinerte er seine Theorie, daß das Leben trotz allen Leids, trotz
aller Schmerzen Sinn macht. Seine eigenen Erfahrungen brachte Frankl
denn auch in die von ihm begründete Schule der Logotherapie ein.
Nach dem Krieg veröffentlichte er - zurück in Wien -
sein erstes Buch "Trotzdem ja sagen zum Leben - Ein Psychologe erlebt
das Konzentrationslager", das seinen Ruf begründete. Er promovierte zum
zweiten Mal, diesmal zum Doktor der Philosophie.
Weltberühmt machte ihn jedoch das Werk "Man's Search for Meaning"
(1959), das rund sechs Millionen mal verkauft wurde. Seine mindestens 30
Bücher sind in 22 Sprachen übersetzt worden. Berühmt wurde auch sein
Buch über die Erziehung der Kinder im Kibbutz.
Zeit seines Lebens wurde Frankl mit Auszeichungen
überhäuft. 28 Ehrendoktorate sind dokumentiert, dazu kamen Lehraufträge
an den renommiertesten Universitäten der Welt wie Harvard, Cambridge
oder Stanford.
Österreich ehrte den Wissenschaftler mit der höchsten
Auszeichnung, die das Land zu vergeben hat, dem Großen Goldenen
Ehrenzeichen mit dem Stern. Seine Heimatstadt Wien allerdings wartete
lange, den großen Sohn mit der Ehrenbürgerschaft auszuzeichnen: Sie
wurde ihm erst im Oktober 1995 verliehen, und auch das erst nach
heftigen politischen Debatten.
Frankl selbst hatte sich Zeit seines Lebens in
Zurückhaltung geübt. So bekannte er in seiner 1995 veröffentlichten
Autobiographie "Was nicht in meinen Büchern steht": Er kenne nur wenige
gute Eigenschaften an sich selbst. "Die vielleicht einzige besteht
darin, daß ich etwas Gutes, das mir jemand getan hat, nicht vergesse,
und etwas Böses nicht nachtrage."
Von Sascha Schrems
|