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Judentum und Israel
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Zwischen Okzident und Orient:
Israel als Integrations- und Einwanderungs-gesellschaft

Tel Aviv:
Um den Migdal Schalom

Die weisse Stadt am Meer
Tel-Aviv im Dezember 2002

Tel Aviv werden viele (Vor-) Urteile entgegengebracht: Die Stadt stinke, sie sei laut und habe keinen Charme — ein geschichtsloser Moloch. Keine malerischen Wüstenlandschaften, keine Zeugnisse längst vergangener Epochen, keine heiligen Stätten: Die Stadt besitzt offenbar nichts von dem, was Israel sonst auszeichnet.

Und doch — oder gerade deswegen - ist Tel Aviv überaus israelisch! Auch heute noch ein Wunder für viele seiner Bewohner, symbolisiert Tel Aviv, die erste Stadt der Juden, einen anderen Neuanfang als den der schollenverbundenen Pionierzionisten in den Kibbuzim.

Am 11. April 1909 stand eine Schar russischer und polnischer Einwanderer unter der Führung von Meir Dizengoff mitten in den Sanddünen der Wüste - einen kurzen, aber sehr mühsamen Fußmarsch außerhalb von Jaffa — und loste. Die Häuserbaugesellschaft Achusat Bajit verteilte auf diese Weise sechzig Häuser: der erste, wenn auch unfreiwillige Schritt auf dem Weg zu einer neuen Stadt. Wie es dazu kam, kann nur verstehen, wer an den Ausgangspunkt des Fußmarsches zurückkehrt - nach Jaffa.

In der Altstadt von Jaffa ist noch die ursprüngliche Stadtstruktur mit kleinen Gebäuden und engen, verwinkelten Gassen zu erkennen, auch wenn die Renovierung des Viertels seit den siebziger Jahren die Atmosphäre stark verändert hat. Was inzwischen für Touristen pittoresk hergerichtet wurde, bedeutete vor hundert Jahren noch qualvolle Enge, Lärm und Schmutz für die Einwohner. Die Juden unter ihnen, die sich in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts vermehrt in Jaffa angesiedelt hatten, lebten unter einer arabischen Mehrheit. Der Plan drängte sich auf, die immer größeren Ströme von Einwanderern anders unterzubringen: in neuen, jüdischen Vierteln.

Wer von Jaffa Richtung Norden wandert, erreicht - nördlich der Jaffastraße gelegen - die ersten dieser Viertel. 1887 entstand Neve Zedek, das schnell zum neuen kulturellen und intellektuellen Zentrum des Yishuv wurde. Noch heute ist dem Viertel mit niedrig gebauten Häuser anzusehen, wie es sich an der arabischen Umgebung orientierte. Nur die gerade Straßenführung und der zentrale Platz am ehemaligen Hebräischen Mädchengymnasium (heute Sitz der weltberühmten Bat Sheva Dance Company) lassen europäische Einflüsse und Versuche einer Stadtplanung erkennen. Inzwischen ist aus Neve Zedek ein schick renoviertes Viertel der Mittelklasse mit viel Kunstgewerbe geworden, in dem historische Tafeln auf die Spuren der alten Siedlung hinweisen. Allerdings findet sich auf ihnen kein Hinweis, dass 1890 eine andere Siedlung gleich neben Neve Zedek entstand: Das von jemenitischen Juden gegründete Neve Shalom erlangte nicht die Bedeutung des benachbarten Viertels und bleibt auch heute auf den Tafeln weniger erwähnt.

Von Neve Zedek ist es nicht mehr weit zur Wiege der neuen Stadt. Sie befand sich in nördlicher Richtung — dort, wo unübersehbar der Migdal Shalom ("Friedensturm") emporragt, der lange Zeit das höchste Gebäude im Nahen Osten war. An dieser Stelle war von den neuen Siedlern 1909 das erste Steinhaus, das Herzliya-Gymnasium, erbaut worden. Hier - in südwestlicher Richtung - hatten sie die ersten beiden Straßen der Achusat-Bajit-Siedlung angelegt: Sie wurden nach Theodor Herzl und Baron Rothschild benannt. Der Rothschild-Boulevard erfüllte die Sehnsüchte der in Jaffa eingezwängten Juden: eine breite Straße, in deren Mitte schattige Bäume dazu einluden, beim Flanieren den Erinnerungen an Europa nachzuhängen. Auch wenn es heute nur ein kurzer Fußmarsch von Jaffa über Neve Zedek zur neuen Stadt ist, so schien es den Bewohnern damals ein weiter Weg zu sein: aus dem Orient in den Westen.

Was von der Häuserbaugesellschaft zunächst nur als eine Art Gartensiedlung geplant war, wuchs sehr schnell zu einer Stadt heran. Bald hieß die Siedlung Tel Aviv - nach dem Titel der hebräischen Übersetzung von Theodor Herzls Buch Altneuland. Tel Aviv war ein biblischer Name, der das Neue und das Alte verband. Tel ist ein (Grab-) Hügel, Aviv ist die Weizenähre der ersten Ernte im neuen Jahr und steht für Frühling: Tel Aviv, der "Hügel des Frühlings". Der Traum einer Stadt, die von selbstbestimmtem jüdischem Leben geprägt sein sollte, stand am Anfang von Tel Aviv, einer Gegenstadt zum europäischen Ghetto und zu den engen arabischen Gassen. Genau wie die Kibbuzbewegung war Tel Aviv ein Versuch, das Ghetto-Leben hinter sich zu lassen. Gegen den Vorwurf, städtisches Leben sei eine Ausgeburt der Diaspora und eines freien Juden unwürdig, musste sich Tel Aviv als eine "andere" Stadt behaupten. Doch das Ideal einer neuen Urbanität, das die Juden aus den Ghettomauern befreien sollte, war nicht leicht zu erfüllen: Es gab unterschiedliche Vorstellungen und keinen einheitlichen Plan.

Die Stadt wuchs ungeregelt Richtung Norden - zum Meer. Aus der dabei entstehenden architektonischen Vielfalt heben sich noch heute Hunderte von Gebäuden im Bauhausstil hervor, den vor allem deutsche Einwanderer der zwanziger und dreißiger Jahre ins Land brachten. Sie können an vielen Ecken um den Migdal Shalom — besonders am Kikar Magen David - bewundert werden, und allmählich scheint sie die Tel Aviver Mittelklasse nach Jahren der Vernachlässigung wiederentdeckt zu haben. Auch in der Nachalat Binjamin werden die "Traumhäuser", in denen sich der exotische Stil des Orients mit westlicher Klarheit mischt, nach und nach renoviert. So kehrt langsam wieder Leben in das älteste Viertel von Tel Aviv zurück, und das angrenzende "In"-Viertel um die Sheinkinstraße nimmt mehr und mehr von den alten Gassen und Gebäuden in Besitz.

Seit kurzer Zeit laufen fast jeden Abend israelische Gruppen durch diese Straßen und lassen sich von einem ortskundigen Stadtführer die alten Geschichten dieser Häuser theaterreif darbieten. In ihnen suchen sie die Anfänge dieser vermeindlich geschichtslosen Stadt - und ein wenig auch sich selbst.

Aus dem Kapitel "Zwischen Okzident und Orient - Israel als Integrations- und Einwanderungsgesellschaft" von Uffa Jensen
(in
Davids Traum, Bleicher 2000)

Die weisse Stadt am Meer
Tel-Aviv im Dezember 2002

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hagalil.com 30-10-2002


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