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Judentum und Israel
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Israelisches Theater:
Requiem für Hanoch

Eine Erinnerung an den im August 1999 verstorbenen Hanoch Levin, mit dessen Tod das israelische Theater eine seiner prominentesten Figuren verloren hat...

Ein Nachruf von Autor Michael Morris Reich

Hanoch Levin kam ins Zentrum des israelischen Theaters vom Rand, aus der Welt des politischen Protests. Seine frühen Stücke fürs Kabarett waren voller satirischer Schärfe und schockierten das Publikum in ihrer Offenheit. Levin attackierte die Selbstgefälligkeit der Israelis in der Folge des Sechs-Tage-Krieges, stellte die scheinbare Unvermeidlichkeit des militärischen Konfliktes in Frage und warnte vor einer Entwicklung Israels zu einer Gesellschaft von Eroberern und Ausbeutern.

Die Öffentlichkeit reagierte mit wütender Empörung. Sein Stück "The Queen of the Bathtub” (1970) wurde zerrissen, weil es das Andenken der gefallenen Soldaten geschändet und die Hinterbliebenen beleidigt habe. Nach 18 Vorstellungen wurde das Stück, das am Cameri-Theater zur Aufführung gelangt war, abgesetzt, nachdem Zuschauer mehrfach versucht hatten, die Schauspieler von der Bühne zu zerren. Rückblickend erweist sich Levins damaliges Statement als prophetische Vorwegnahme der Botschaft der Friedensbewegung von heute.

Levins nachfolgende Begegnungen mit dem Publikum waren weniger gewalttätig. Er wandte sich von der direkten politische Satire ab zugunsten einer Reihe von Stücken, die schwer einzuordnen sind. Er brachte eine gnadenlose Welt auf die Bühne, in der der Starke den Schwachen ausbeutet und erniedrigt, während er selbst von dem erniedrigt wird, der noch stärker ist als er. Während die Figuren und ihre Handlungen oft grotesk und die Situationen absurd sind, kommt der Humor in Levins Stücken aus der jiddischen Tradition. Im facettenreichen Zerrspiegel seiner Arbeit reflektieren sich die Übel der israelischen Gesellschaft. In Stücken wie "Ya’akobi and Leidental” (1972) oder "Hefetz” (1972) zeichnet er in grell-komischen Farben den israelischen Bourgeois, seine Heiratskonventionen und seine Jagd nach Geld. Diese Art von Komödien katapultierten Levin mit erstaunlicher Geschwindigkeit in die erste Garde des israelischen Theaters. Seine Stücke wurden mit breiter Zustimmung aufgenommen und fanden Eingang in die Spielpläne aller etablierten Theater.

Mit beeindruckender Produktivität schrieb Levin mindestens ein Stück pro Jahr. Die Inszenierung seiner Werke übernahm er selbst. Dabei schaffte er eine unverwechselbare Ästhetik, in der seine grotesken Handlungen und Personen sich verbanden mit hochstilisiertem Spiel, nostalgischer Musik und einer Bewegungschoreographie, die an Tanz grenzte. Auf diese Art gelangen ihm Momente von atemberaubender Schönheit.

Im Verlauf der Jahre erweiterten sich die Quellen seiner Inspiration. In seinen Stücken "Execution” (1979) und "Job’s Sorrows” (1981) nutzte er mythologische Themen, um den Zustand der Menschheit zu illustrieren. In einer Sprache, die poetisch und schneidend zugleich ist, brachte er seine tiefe Enttäuschung über die Gemeinheit und Kleinlichkeit der Menschen zum Ausdruck.

Erst in den letzten Jahren seines Lebens ist Levin etwas versöhnlicher geworden. In "The Dreaming Child” (1993), "Those Who Walked in the Dark” (1997) und in seinem letzten Stück "Requiem” (1999) finden sich Momente von Anmut und eine Atmosphäre von Kameradschaft zwischen Menschen, die ein gemeinsames Schicksal teilen. Aber stets wirft der Tod, geheimnisvoll und beängstigend, seinen Schatten über alles und läßt einen mit Trauer und Verzweiflung zurück.

Levin war zeitlebens außerordentlich produktiv. Er schrieb 50 Theaterstücke (von denen 20 noch nie aufgeführt wurden), Geschichten, Gedichte und kleine Stücke für Kinder. Von seinem Krankenhausbett aus leitete er bis zum letzten Moment die Proben für sein letztes Stück. Doch trotz seiner heroischen Anstrengungen war der Krebs schneller als er, und er konnte die Inszenierung nicht mehr selber beenden. In der kommenden Saison wird das Cameri-Theater sein Stück "Habachiyanim” (The Crybabies) zur Aufführung bringen.

Man kann den Einfluß Levins kaum überschätzen. Das Hebräisch, das Israelis heute schreiben, ist sein Hebräisch. Unser Humor ist von seinen Komödien inspiriert. Die künstlerischen Standards, die Levin gesetzt hat, die Genauigkeit und Ernsthaftigkeit, mit der er alles dem künstlerischen Schaffensprozeß untergeordnet hat, sind zu einem Ideal geworden, dem wir nacheifern können.

http://www.berlin-judentum.de/kultur/henoch.htm

(Aus dem Tarbuton, Kulturabt. des isr. Außenministeriums)


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