"Der Friedensprozess muss weitergehen!"
Bericht über eine Tagung des
International Center for Peace in the Middle East
von Christoph Knoch, Stöcklimattstr. 26, CH-4513 Langendorf/Schweiz
Das International Center for Peace in the
Middle East in Tel Aviv engagiert sich seit 1982 im israelisch-palästinensischen
Dialog auf verschiedensten Ebenen. Wir bedanken uns für diesen Bericht bei
Pfarrer Christoph Knoch-Mund, Langendorf/SO. Er nahm vom 2. bis 5. März als
Beobachter an einer ersten internationalen arabisch-jüdischen Konferenz des
Centers teil.
Der Friedensprozess muss weitergehen
Regelmässig stehen sie vor jenem Wohnblock in Ramat
Aviv, in dem Israels Ministerpräsident Shimon Peres seit Jahrzehnten
seine Privatwohnung hat: Jugendlichen in blauen Überziehjacken mit
Plakaten und Aufklebern in der Hand, die sie an Passanten und die
Vorbeifahrenden verteilen. Seit dem Mord an Izchak Rabin haben viele
junge Menschen in Israel ganz neu erfahren, dass sie Mitverantwortung
haben für das, was in der Politik geschieht. Lea Rabins Frage an die
Demonstrierenden nach dem Mord an ihrem Mann: "Wo wart ihr, als sie
schrieen 'Rabin ist ein Mörder'?" hat dazu geführt, dass sie jetzt
regelmässig dort stehen - wenige hundert Meter entfernt von der Wohnung
der Familie Rabin - um ihre Unterstützung für den Friedensprozess
auszudrücken; um Premierminister Peres zu zeigen, dass er sich auf sie
verlassen kann.
Nach dem Selbstmordattentat in der Dizengoff-Strasse
standen sie ebenfalls vor Peres' Haus: schweigend, mit brennenden
Kerzen, aber einer ganz klaren Botschaft: "Ja zum Frieden - Nein zur
Gewalt!" Ihre Lieder waren verstummt, doch bald wieder werden sie wieder
singen - wie an jenem 4. November: "Singt deshalb laut das Lied des
Friedens, beten ist nicht genug! Singt das Lied des Friedens, mit einem
grossen Schrei.''
Israel hat sich durch das Attentat auf Rabin
verändert; es sind längst nicht mehr Tausende, die "Tod den Arabern"
rufen. In den Tagen nach den Anschlägen war aber deutlich zu spüren,
dass viele Aktivisten aus der Friedensbewegung müde geworden sind und
der Fortgang des Friedensprozesses sowohl auf die Unterstützung von der
palästinensischen Basis also auch von ausserhalb Israels angewiesen ist.
Es waren zwar nur etwa 10000, die in Gaza für den Frieden demonstriert
haben (400 000 zogen hinter dem Sarg von Bombenbauer Ayash her), aber
solche Zeichen sind wichtig. Immer wieder habe ich gehört: "Es ist gut,
dass ihr gekommen seid, wir brauchen Eure Unterstützung mehr denn je."
Und ein wichtiges Zeichen sollte die vom Internationalen Zentrum für
Frieden im Nahen Osten organisierte Konferenz sein: Araber und Juden aus
den Maghreb-Staaten (Algerien, Tunesien, Marokko und solche, die in
Frankreich leben), Jordanier, jüdische und arabische Israelis,
Palästinenser aus den besetzten und den autonomen Gebieten sollten
gemeinsam über die Umsetzung des Friedensprozesses an der Basis in Tel
Aviv, in Gaza, in Amman und in Jerusalem diskutieren und die Ideen den
offiziellen politischen Vertretern weitergeben. Leider haben die Bomben
verunmöglicht, dass sich Peres, Arafat und Kronprinz Hassan treffen. Die
Präsenz dieser gemischten Gruppe bei den Demonstrationen für die
Fortsetzung des Friedensprozesses war aber wichtig und wurde in der
Öffentlichkeit sehr deutlich wahrgenommen.
Die Gespräche mit den Vertretern der
Autonomie-Behörden in Ostjerusalem machten erschreckend deutlich, wie
schwierig die Situation für die Palästinenser heute geworden ist. Mir
als eingeladenem Beobachter aus der Schweiz - andere kamen aus Italien
und Grossbritannien - fiel auf, dass das Gespräch zwischen im
Friedensprozess engagierten Israelis und Palästinensern zwar
funktioniert, dass ich aber auf israelischer Seite die Sensibilität für
die arabische Sprache des Gesprächspartners und die kleinen Gesten, die
im orientalischen Kontext so wichtig sind, vermisst habe. Die arabische
Übersetzung wurde eingespart, weil doch alle entweder Hebräisch,
Englisch oder Französisch könnten...!
Zwei Voten aus der gescheiterten Konferenz drücken
aus, was trotzdem wichtig war: "Hätten wir uns nur bei Sonnenschein und
gutem Essen getroffen, um über den Frieden zu diskutieren, hätten wir
wohl rasch Rezepte und schöne Worte gefunden, so haben wir erfahren, wie
schwer der Weg ist und wie sehr das Leid auf beiden Seiten schmerzt." So
ein arabischer Teilnehmer aus Nordafrika und Tony Klug, ein jüdischer
Teilnehmer aus Grossbritannien, fügt hinzu: "Wenn wir den politischen
Weg der letzten zwanzig Jahre betrachten, so sehen wir deutlich, dass
wir unserem Ziel eines friedlichen Zusammenlebens zweier unabhängiger
Staaten Schritt um Schritt nähergekommen sind und alle Anschläge nur
Hindernisse auf Zeit waren. Der Weg auf dieses Ziel hin geht auch jetzt
weiter."
Es folgen Auszüge aus einem Inserat, das in der Jerusalem Post und in
Yediot Achronot erschienen ist:
Aufruf zum Frieden
Juden und Araber aus
aller Welt verpflichten sich, den Frieden zu unterstützen und den
Terrorismus zu bekämpfen.Intellektuelle und
Künstler, Juden und Araber aus der ganzen Welt trafen sich ... in Tel
Aviv ... und richten folgenden Aufruf an das israelische und
palästinensische Volk:
Um der Atmosphäre des Terrors, der durch die Aktionen der Hamas und
Extremisten auf allen Seiten geschaffen wurde, ein Ende zu setzen, ist
es entscheidend, dass der Friedensprozess beschleunigt und unumkehrbar
wird:
- die Gefahr des Terrors muss durch die gemeinsame Anstrengungen
der israelischen Regierung und der palästinensischen Behörden
beendet werden.
- alle Hinweise auf die Zerstörung des Staates Israel müssen aus
der Palästinensischen Charta entfernt werden.
- so rasch als möglich sollen gemäss den Abkommen die Gebiete und
die Verwaltungshoheit den Palästinensern übertragen werden.
Auf unserer Seite ist eine Politik nötig, die das israelische Volk
aus der Belagerungsmentalität herausführt und ihm zeigt, dass es im
arabischen Raum starke Friedenskräfte gibt. So begrüssen wir die
Aufnahme dipolomatischer Beziehungen zwischen Israel und arabischen
Staaten und rufen zu einer Verstärkung dieser Beziehungen auf.
Wir versprechen, uns für den Frieden, die gegenseitige Verständigung
und die Förderung kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher
Kontakte einzusetzen."
Es folgen die Unterschriften der Tagungsteilnehmer
und Teilnehmerinnen.
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