Gerhard
Hirsch:
Von Berlin zum Palästina Batallion
Gerhard Hirsch wurde am 16. Januar
1922 in Eldena bei Greifswald geboren. Der Vater, Dr. Ferdinand
Hirsch, war Landarzt. Die Mutter Thekla Heimann war Jüdin und
Tochter von David Heimann und seiner Frau Clara, geb. Arnfeld.
Gerhard hatte eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder.
Die Ehe der Eltern war nicht
glücklich und führte 1924 zur Scheidung. Die Mutter versuchte mit
den drei Kindern Unterkunft im Haus ihres im gleichen Jahr
verwitweten Vaters zu finden, was jedoch nicht möglich war, da der
Vater erneut heiratete. Dies hatte zur Folge, dass die beiden Söhne
zurück zum Vater gebracht wurden, in dessen Obhut sie nun aufwachsen
sollten. Die 1927 erfolgte neue Verehelichung des Vaters machte
jedoch diesen Vorsatz zunichte und die Jungen wurde im gleichen
Jahr, bei Nacht und Nebel, der Pflege der Mutter wieder anvertraut.
Als allein stehende Mutter sah sie sich in der Erziehung von drei
Kindern überfordert und Gerhard musste nun fortan in das Haus der
Großeltern übersiedeln. Bei gelegentlichen Familientreffen wurde der
direkte Kontakt einigermaßen aufrecht erhalten.
Gerhard scheint früh musikalische
Interessen und Theaterbegeisterung gezeigt zu haben. Wolfgang, der
jüngere Bruder erinnert sich, von Gerhard ganze Opernarien
vorgetragen bekommen zu haben. Der Großvater, ein frommer und
deutsch-national denkender Jude, suchte in den dreißiger Jahren nach
Möglichkeiten für die Familie auszuwandern. Seine durch Jahre
hindurch erfolgten energischen Bemühungen, scheiterten doch zuletzt,
durch ein Schreiben an ihn vom Palästinaamt vom 7.12.39 mit der
Mitteilung:
"Sehr geehrter Herr Heimann !
Bei Bearbeitung Ihres Fragebogens stellen wir fest, dass Sie bereits
75 Jahre alt sind. Da erfahrungsgemäß die Strapazen einer derartigen
Reise sehr groß sind, können wir es nicht verantworten, Menschen
Ihres Alters auf diesem Weg zur Alijah zu bringen. Es tut uns leid,
gerade in Ihrem Fall nicht helfen zu können und verbleiben mit
Schalom!
Palästina-Amt, Berufsvorbereitung I"
Die Fantasie der damaligen
Sachbearbeiter reichte offenbar nicht aus, um sich die weitaus
strapaziöser statt gefunden Reise im Jahr 1943 nach Minsk
vorzustellen.
Gerhard und Wolfgang am Wannsee in Berlin, als er für
Juden noch nicht verboten war.
Die Geschwister Ruth, Gerhard und
Wolfgang gingen seit 1934 zum Unterricht in die Mittelschule der
Jüdischen Gemeinde in Berlin und nach teils vorzeitigem Abgang auf
Hachscharah, zur Vorbereitung zur späteren Auswanderung nach
Palästina. Gerhard zunächst in Jessen später in Ellgut, von wo er im
November 1938, im Zusammenhang mit der sog. "Reichskristallnacht"
nach Buchwald verschleppt wurde. Unter der Bedingung, nach Palästina
auszuwandern, wurde er dann freigelassen.
Im Januar 1939 ging Gerhard nach
Palästina und kam in einen Kibbutz. 1941 meldete er sich freiwillig
zum damaligen Palästina Batallion, der späteren
Jewish Brigade und nahm als Sanitäter an den Feldzügen in
Afrika und Italien teil. Nach Kriegsende wurde er zum Suchdienst in
Berlin versetzt, wo er dann 1946 demobilisiert wurde.
Zurück nach Palästina wollte er
nicht und fühlte sich von Berlin, seinem Freundeskreis und der
vertrauten Sprache so angezogen, dass er sich entschloss zu bleiben.
Mutter und Schwester hatten 1939 nach England emigrieren können, der
jüngere Bruder Wolfgang war im selben Jahr mit einem Kindertransport
der Jugendalijah nach Dänemark ausgewandert, wo er bei Bauern als
sog. Pflegekind arbeitete, bis er 1943 in abenteuerlicher Flucht
nach Schweden gelangen konnte. Der Großvater, der die Auswanderung
der Jüngeren finanziell unterstützt hatte, wollte die übrige Familie
nicht im Stich lassen. Seine Frau verlor er 1940 durch "natürlichen"
Tod, später wurde Hab und Gut konfisziert und arisiert. 1943 wurde
David Heimann selbst, mittlerweile fast 80 jährig, sowie eine
weitere Tochter und deren Familie nebst anderen hochbetagten
Angehörigen in den Osten deportiert und ermordet. Zuvor hatte er
noch an Wolfgang Hirsch nach Dänemark geschrieben, er trage nun mit
Stolz den gelben Judenstern.
Von 1948 – 1950 arbeitete Gerhard
als Lektor beim Verlag Volk und Welt und danach als Leiter des
französischen Buchhandels im Maison de France in Berlin. Dort machte
er die Bekanntschaft mit Prof. Oscar Fritz Schuh vom benachbarten
Theater am Kurfürstendamm, der ihm im Laufe der Bekanntschaft das
Angebot machte, als Dramaturg bei ihm zu arbeiten. Gerhard nahm das
Angebot an und folgte dann Prof. Schuh nach Köln, später nach
Hamburg ins Deutsche Schauspielhaus. Nach Schuh's Abgang aus
Hamburg, verblieb Gerhard dort, wurde Verwaltungsdirektor und später
als Interims-Intendant als "Retter des Schauspielhauses" gefeiert,
bis dann, 1970 im Zusammenhang mit der damaligen Krise des Hauses,
auch er unter den ungerechtfertigten Beschuss der Presse kam (Vgl.
Spiegel 4/1971).
Seelisch zermürbt und angeekelt
nahm er sich am 18.12.1970 das Leben.
Jehi sichrono leVracha.
Dieser Text wurde von
Gerhards Witwe Dagmar und seinem jüngeren Bruder Wolfgang verfasst,
der uns auch die Bilder aus der Zeit beim Palästina Batallion
zusandte.
Text und alle Fotos: © W.
Hirsch
Zu
den Fotos
"Nicht das Finden ist das
Wichtige":
Wolfgang
Hirsch
Der Künstler
Wolfgang Hirsch hat seine Sprache, seine Ausdrucksform
wiedergefunden nach einer Zeit, in der er, wie er sagt, gleichsam in
einer Art Vakuum gelebt hatte, die ihn nötigte, selbst das Weinen zu
verlernen: "Man hat innerlich zugemacht damals"...
"Wir wollten unter
unserer eigenen Flagge kämpfen":
Die Jüdische Brigade im II. Weltkrieg
Sie halfen Großbritannien, den Krieg gegen Nazideutschland zu
gewinnen. Ihr Einsatz gab Tausenden Holocaust-Überlebenden Mut und
Hoffnung. Innerhalb des Kriegsgeschehens sollten sie nur eine
unbedeutende Rolle spielen, so sahen es die Alliierten. Doch sie
wollten mehr. Sie veränderten die Nachkriegspolitik und schrieben
Geschichte: Die Männer der Jüdischen Brigade... |