Ist der
Dritte Weltkrieg unerkannt schon im
Gang?
"Im Auge des Orkans"
Von Haim Harari,
ehem. Präsident des
Weizmann-Instituts, Rehowoth,
Israel, Teil 1 einer Vortragsreihe
vor dem
International Advisory Board.
Ich war nie ein
Regierungsvertreter und werde es nie
sein, und ich habe keine geheimen
Informationen. Meine Ansicht zu den
Dingen gründet sich ganz und gar auf
das, was ich sehe und lese - und auf
die Tatsache, dass meine Familie
seit nahezu 200 Jahren in dieser
Region lebt. Sie können meine
Darlegungen betrachten als die des
sprichwörtlichen Taxifahrers, den
Sie vermutlich fragen, wenn Sie ein
Land besuchen.
Ich könnte
Sie teilhaben lassen an einigen
faszinierenden Tatsachen und an
einigen persönlichen Gedanken über
den israelisch-arabischen Konflikt.
Darauf will ich jedoch nur beiläufig
eingehen. Ich will lieber die
meisten meiner Betrachtungen einem
breiten Bild der Region und ihres
Platzes in den Weltereignissen
widmen. Ich beziehe mich auf das
gesamte Gebiet zwischen Pakistan und
Marokko, das vorherrschend arabisch
und vorherrschend muslimisch ist,
jedoch viele nicht arabische und
auch bedeutsame nicht muslimische
Minderheiten einschließt.
Warum stelle ich Israel und seine
unmittelbare Nachbarschaft beiseite?
Weil Israel und die mit ihm
verbundenen Probleme - trotz allem,
was Sie in den Medien weltweit hören
und lesen mögen - nicht der
Kernpunkt in den Umwälzungen der
Region ist und dies auch nie war.
Ja, es gibt einen hundertjährigen
israelisch-arabischen Konflikt, aber
nicht da, wo die Haupt-Brennpunkte
sind.
- Die
Millionen, die im
Iran-Irak-Krieg starben, hatten
nichts mit Israel zu tun.
- Der
Massenmord, der eben jetzt im
Sudan geschieht, wo das
arabisch-muslimische Regime
seine schwarzen christlichen
Bürger massakriert, hat nichts
mit Israel zu tun.
- Die häufigen
Berichte aus Algerien über die
Ermordung Hunderter von
Zivilisten in dem oder jenem
Dorf durch andere Algerier haben
nichts mit Israel zu tun.
- Saddam
Hussein ist nicht wegen Israel
in Kuwait einmarschiert, hat
nicht wegen Israel Saudi-Arabien
bedroht und sein eigenes Volk
hingeschlachtet.
- Ägypten hat
nicht wegen Israel in den
sechziger Jahren Giftgas gegen
den Yemen eingesetzt.
- Assad, der
Vater, hat nicht wegen Israel in
einer Woche Zehntausende seiner
eigenen Bürger in El Hamma in
Syrien umgebracht.
- Die
Herrschaft der Taliban in
Afghanistan und der Bürgerkrieg
dort hatten nichts mit Israel zu
tun
- - und ich
könnte noch lange weitermachen.
Die Wurzel der
Schwierigkeiten ist, dass diese
ganze muslimische Region völlig
funktionsunfähig ist, in jeder
Bedeutung des Worts. Sie wäre das
auch, wenn Israel der Arabischen
Liga beigetreten wäre, und wenn
hundert Jahre lang ein unabhängiges
Palästina existiert hätte.
Die 22 Mitgliedsländer der
Arabischen Liga, von Mauretanien bis
zu den Golfstaaten, haben eine
Gesamtbevölkerung von 300 Millionen
- mehr als die Vereinigten Staaten
und fast so viel wie die EU vor
ihrer Erweiterung. Flächenmäßig sind
sie größer als die USA oder ganz
Europa. Diese 22 Länder, mit all
ihrem Öl und ihren natürlichen
Ressourcen, haben insgesamt ein
Bruttosozialprodukt (BSP), das
kleiner ist als das der Niederlande
plus Belgien und halb so groß wie
das von Kalifornien.
Bei diesem mageren BSP sind die
Unterschiede zwischen Reich und Arm
unglaublich, und zu viele Reiche
haben ihr Geld nicht durch
geschäftliche Erfolge verdient,
sondern durch Korruption und Macht.
Der soziale Status der Frau ist weit
unter dem in der westlichen Welt vor
150 Jahren. Die Menschenrechte
liegen unter jedem vernünftigen
Standard, trotz der grotesken
Tatsache, dass Libyen den Vorsitz
der UN-Menschenrechtskommission
innehat.
Nach einem Bericht, der von einem
Komitee arabischer Intellektueller
erstellt und unter der
Schirmherrschaft der UN
veröffentlicht wurde, ist die Zahl
der Bücher, die von der gesamten
arabischen Welt übersetzt werden,
viel kleiner als das, was das kleine
Griechenland übersetzt. Die gesamte
Anzahl wissenschaftlicher
Veröffentlichungen von 300 Millionen
Arabern ist geringer als die von
sechs Millionen Israelis.
Die Geburtenraten in der Region sind
sehr hoch. Das vermehrt die Armut,
die sozialen Spannungen und den
kulturellen Niedergang. Und all dies
geschieht in einer Region, von der
man vor nur 30 Jahren annahm, sie
sei der Teil der Welt, der als
nächster zu Wohlstand kommen würde,
und in einem muslimischen Bereich,
der einmal in der Geschichte eine
der am höchsten entwickelten
Kulturen der Welt hervorbrachte.
Es muss gesagt werden, dass all dies
eine nicht vorhersehbare Brutstätte
schafft für grausame Diktatoren,
Terrornetzwerke, Fanatismus,
Aufhetzung, Selbstmordattentäter und
allgemeinen Niedergang. Es ist auch
eine Tatsache, dass fast jedermann
in der Region für diese Situation
die Vereinigten Staaten, Israel, die
westliche Zivilisation, Judentum und
Christentum anklagt - irgendjemanden
oder irgendetwas, außer sich selbst.
Sage ich dies alles mit der
Befriedigung eines Menschen, der
über die Niederlagen seiner Feinde
spricht? Im Gegenteil! Ich bin fest
überzeugt, dass die Welt ein viel
besserer Ort wäre und meine eigene
Nachbarschaft viel angenehmer und
friedlicher, wenn die Dinge anders
wären.
Ich will auch ein Wort über die
Millionen anständiger, ehrlicher,
guter Menschen sagen, die entweder
fromme Muslime sind oder nicht sehr
religiös, aber in muslimischen
Familien aufgewachsen. Sie sind
Opfer im doppelten Sinn: einmal
einer Welt außerhalb, die dabei ist,
eine Islamophobie zu entwickeln, und
zum andern ihrer eigenen Umwelt, die
ihnen das Herz bricht, weil sie
total funktionsunfähig ist.
Das Problem ist, dass die große
schweigende Mehrheit dieser Muslime
zwar keinen Anteil am Terror und an
der Aufhetzung haben, aber auch
nicht dagegen aufstehen. Sie werden
mitschuldig durch Unterlassung, und
das gilt für politische Führer,
Intellektuelle, Geschäftsleute und
viele andere. Viele von ihnen können
sehr wohl Recht von Unrecht
unterscheiden, haben aber Angst,
ihre Meinung zu äußern.
Fortsetzung morgen...
Der Kampf gegen
Terror und Islamismus:
Mordende Selbstmörder
Die Ereignisse
der letzten Jahre haben vier
Schwerpunkte verstärkt, die immer da
waren, aber nie so überhand nahmen
wie in der gegenwärtigen
Umbruchsphase in der Region... |