Jeden zweiten Mittwoch im Monat: 19.00h bei Lora Muenchen
... ...92,4 MHz ... Kabel 96,75 MHz... ... |
Wehrmachtsaustellung in der Muenchner Rathausgalerie
"Bilder des Schreckens" mit diesen Worten kann die Ausstellung "Verbrechen
der Wehrmacht", die in der Muenchner Rathausgalerie zu sehen war, umschrieben
werden.
Wohl kaum eine Ausstellung
hat in Deutschland die Gemueter der Nation
mehr bewegt, wie diese. Stets war das
"saubere Bild" der Wehrmacht in den Herzen
und Koepfen der Gesellschaft verhaftet.
-''NEIN!'' an den Massenexekutionen,
Geiselerschiessungen und
Ghettoliquidierungen war nur die "SS"
beteiligt! Der einfache deutsche Soldat oder
Offizier wusse von all diesen schrecklichen
Dingen nichts, weil alle im Schuetzengraben
lagen und auf den Feind schossen!- NEIN,
DEM WAR NICHT SO !!!
Stets wurde die Wehrmacht
von der detailliert gefuehrten
Todesmaschinerie des Naziterrors
ausgeklammert. Die Luege von einem sauberen
und anstaendigen Krieg, um die Heimat zu
schuetzen, ist entlarvt und das letztendlich
fuenf Minuten vor zwoelf, da die Generation
der Betroffenen, Taeter wie Opfer langsam
schwindet. Es wird offenbar, dass keine
Organisation im Deutschland jener Tage frei
blieb von den teuflischen und endsetzlichen
Verstrickungen in Terror und Mord. - Ein
Tabu ist endlich gebrochen!
Zugleich wird dem Besucher
dieser Ausstellung allerdings auch
verdeutlicht, dass nicht die gesamte
Wehrmacht eine skrupellose Bande von
Moerdern war. Teile dieser Institutionen
beteiligten sich an den Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, die gegen jegliche Regeln
einer Kriegfuehrung verstiess, indem sie
systematische Massenvernichtung - wie
Fliessbandproduktion - am Menschen vornahm.
Es widerspraeche auch jeder Logik, wenn 19
Millionen Wehrmachtsangehoerige ihren
Beitrag zu Hitlers rassenidiologischen
Vernichtungskrieg geleistet haetten. So kann
auch die Leitung des juedischen
Studentenverbandes Muenchen, keine
Kollektivbeleidigung aller deutschen
Wehrmachtssoldaten sehen, vielmehr findet
hier eine klare Abgrenzung statt zwischen
denjenigen, die sich in der Tat schuldig
machten und denjenigen, die keine Schuld in
der Form traf an den begangenen Greueltaten.
Doch kommt da nicht auch
die Ueberlegung auf, dass diejenigen, der
ehemaligen Soldaten, die sich vehement gegen
die Ausstellung und damit gegen die Wahrheit
wehren, selbst ein Teil jener
Vernichtungsmaschinerie waren ???
Diese Ausstellung bringt
Erschuetterungen fuer die deutsche
Gesellschaft mit sich, denn die historische
Wahrheit zu sehen, ist nicht nur fuer die
aeltere Generation schwer, oder auch gar
nicht zu ertragen. Ihr offen ins Gesicht zu
schauen, dazu bedarf es Zivilcourage, Mut
zum Bekenntniss. Wir, die nach dem Krieg
Geborenen sind nach Aussage des Muenchner
Oberbuergermeisters, Christian Ude, eine von
Krieg, Verfolgung und Elend verschonte und
daher privilegierte Generation. Aufgewachsen
allerdings zumeist mit Lebensluegen und
einem grossem Schweigen und nicht wenige
haben diese Lebensluegen der Geschichten von
ihren Vaetern und Grossvaetern unkritisch
uebernommen, weggeschaut von der
Betroffenheit in der eigenen Familie.
Folglich muss die
Gesellschaft als Ganzes sich der selektiven
Gedaechtnisveraenderung und Anpassung der
Erinnerung in Form von Wunschdenken ueber
nicht durchgefuehrte Taten zur Rettung von
Menschen entgegentreten. Wir alle muessen
den historischen Tatsachen Rechnung tragen
und Tabus brechen, die eine
Geschichtsschreibung verzerren und
verfaelschen, ja zu beschoenigen suchen.
Denn solange die Generation der Beteiligten
lebt, muss der Wahrheit ins Auge geschaut
werden, auch wenn die Wahrheit fuer viele
eine bittere Medizin ist, sie wirkt dennoch,
und sei es fuer die achfolgenden
Generationen. Nur das sich Vergegenwaertigen
des Endsetzlichen und Grausamen verhindert
die Wiederholung, auch in abgewandelter
Form. Es ist daher eine dringende
Notwendigkeit, das grosse Schweigen zu
brechen, den Opfern damit auch endlich
wuerdig zu gedenken, aber auch eine
Moeglichkeit zu geben, denjenigen, die aktiv
mitwirkten oder zumindest von den Verbrechen
wussen, ihre eigene Rolle waehrend des
Krieges und das Schweigen waehrend der
Nachkriegszeit zu ueberdenken und sich die
Menschen nicht weiter der irrigen Illusion
des "anstaendigen Deutschen"hingeben. Die
Wehrmacht war im Gegensatz zur Armee des
deutschen Kaiserreiches ohne juedische
Angehoerige, es waren vielmehr ihre
Opfer!!!!
Es steht ausser Frage,
dass diese Ausstellung einen wichtigen
Beitrag zur historischen Wahrheitsfindung
leistet, aber vordergruendig ist es eine
Aufgabe der betroffenen Gesellschaft fuer
die Ausstellung zu demonstrieren. Dass
jedoch auch die juedische Gemeinschaft von
den Differenzen um das Pro und Contra der
Ausstellung leider betroffen ist, zeigte
nicht zuletzt der taetliche Angriff eines
Neonazis auf Muenchens Rabbiner Itzchak
Ehrenberg am 1.Maerz, als Horden von
Rechtsradikalen nach Muenchen kamen, um
gegen die Darstellung der historischen
Wahrheit zu demonstrieren.
Gerty Spies
Zu einer der grossen juedischen Frauen in Deutschland gehoert auch die
Muenchner Schriftstellerin Gerty Spies, die am 13.Januar d.J. ihren 100.
Geburtstag feierte.
Geboren in
Trier, als Tochter einer angesehenen, im
Moseltal seit Generationen ansaessigen
juedischen Kaufmannsfamilie, ging Gerty
Spies in jungen Jahren nach Muenchen, wo sie
eine Familie gruendete.
1933 brach
ueber sie, die mit einem Christen
verheiratet war, das "braune Unheil" herein;
ausgegrenzt und verfolgt, bis Gerty Spies im
Jahr 1942 nach Theresienstadt deportiert
wurde.
Im Lager
begann sie das Schreiben, kleine Verse und
Gedichte, ein Versuch, die Demuetigungen und
die Qualen der Verfolgung seelich besser
verarbeiten zu koennen:
"Verstummt
ist das Herz in mir- mag nimmer weinen und
klagen."
Nach der
Befreiung kehrte sie nach Muenchen zurueck.
Wenig spaeter publizierte sie ihren Band
"Drei Jahre Theresienstadt". Gerty Spies
schrieb darin ihre Angst von der Seele,
wollte die schlimmen und belastenden
Erfahrungen der Verfolgung aufarbeiten und
verarbeiten, die ihr und ihrer Familie in
den 12 Jahren Hitlerdiktatur zugefuegt
wurden. 40 Jahre spaeter wurde ihr
erstes Werk wiederaufgelegt. Es folgten der
Lyrikband "Im Staube gefunden" von 1987 und
"Das schwarze Kleid" von 1992.
Gerty Spies ist eine Protagonistin in
der Versoehnungsarbeit zwischen Christen und
Juden. Sie, die von ihren Landsleuten
aufgrund ihrer juedischen Herkunft
gedemuetigt und erniedrigt wurde, war es,
die die Hand zur Versoehnung gereicht und
wesentlich zum Aufbau des Verstaendnisses
und der Toleranz zwischen Christen und Juden
beigetragen hat.
Am 13.Januar
d.J. wurde Gerty Spies die grosse Ehre
zuteil, auf die sie sich schon lange freute,
ihren 100.Geburtstag zu feiern. Die
Jubilarin, die liebevoll umsorgt im
Juedischen Seniorenheim Muenchen lebt,
verbrachte diesen Ehrentag im Kreis ihrer
zahlreichen Freunde und Gratulanten.
Auch wir von
der Tacheles-Redaktion wuenschen Gerty Spies
nachtraeglich ein herzliches 'Masal tov we
ad mea weesrim shana'.
Georg Elser
Vergessen, verfemt und von der Geschichtsschreibung unberuecksichtigt!
Wer kannte
bis vor kurzem schon den Namen GEORG ELSER?
Gut, vor einigen Jahren wurde ein Spielfilm
ueber diesen Mann gedreht, der
faelschlicherweise als der Attentaeter
Hitlers bezeichnet wird.
Dieser Georg Elser war ein einfacher Mann
aus dem Handwerkermilieu aus dem
oberschwaebischen Koenigsbrunn, der am
8.November 1939 versuchte, die Welt von
einem ihrer schrecklichsten Tyrannen zu
befreien, indem er Hitler und die
wichtigsten seiner Schergen u.a. Goering und
Goebbels mit einer Bombe im Muenchner
Buergerbraeukeller in die Luft sprengen
wollte.
Leider verliess Hitler den Saal 10
Minuten zu frueh, es entbehrt sich jeder
Erwaehnung welchen Lauf die Welt nehmen
sollte. Elser war ein einfacher Mann ohne
hoehere Schulbildung oder politschem
Einfluss, der einzig aus logischem Denken
heraus handelte und keinen anderen Weg sah,
Deutschland zu retten. Er gehoerte keiner
Partei an, schlicht gesagt, er war ein
Einzelkaempfer. Stauffenberg & Co werden
als Helden des Widerstandes geehrt, Maenner
die zur Fuehrungselite Nazideutschlands
zaehlten, die erst nach der Niederlage von
Stalingrad im Jahr 1943 einen
Attentatsversuch auf Hitler wagten. Die
Geschwister Scholl gehoeren zu den
Widerstandskaempfern des intellektuellen
Kampfes gegen das Unrechtsregime. Elser
hingegen zaehlte weder zur geistigen noch
militaerischen Elite dieses Landes. Ist es
daher gerechtfertigt, diesen einfachen Mann
in Vergessenheit geraten zu lassen?
Am 9.April
1945, kurz vor der Befreiung des KZ Dachau
wurde der Haeftling Georg Elser auf
persoenliche Anordnung Heinrich Himmlers
erschossen.
Vergessen und
nicht geehrt ist Elser bis heute, gerade in
seiner Heimatgemeinde Koenigsbrunn , wo der
noch lebende Bruder Leonhard Elser seit 1945
vergebens versucht, das oeffentliche
Gedaechtnis an seinen Bruder wachzuhalten.
Muenchen
gedachte schliesslich im Januar d.J. in der
Naehe Elsers einstiger Wohnung mit der
Benennung eines Platzes in der
Tuerkenstrasse auf den Namen
''GEORG-ELSER-PLATZ''.
Endlich
gedenkt die Oeffentlichkeit eines Menschen,
der seine Tapferkeit, mit dem eigenen Leben
bezahlen musste.
Zum Inhaltsverzeichnis: Muenchen 'Blau-Weiss'
1996/1997© haGalil onLine and Tacheles - Munich
.
|