Hamburg in
Flammen:
Am 5. Mai 1842 wird auch die Hamburger Portugiesensynagoge zerstört.
Frank Luria
wurde 1937 in den Vorstand der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde gewählt.
Löwe mit
Gesetzestafeln (1736) auf dem Portugiesenfriedhof in der Königsstraße.
Pesahfeier.
Buchmalerei von Josef Ben David Leipnik,
Altona, 1738.
Im Auftrag
der Hamburger Portugiesen fertigt Tobias Folsch diesen Toraschild
(Ende 17. Jahrhundert).
Schmuckstein
der 1940 abgebrochenen Altonaer Portugiesensynagoge "Neve Salom".
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"Portugiesische Nation", "Leute der Nation" oder "Menschen der Nation" –
so bezeichneten sich die jüdisch-portugiesischen Kaufleute selbst, die
aus Furcht vor der Inquisition ihre Heimat verließen. Diese Kaufleute,
die sich im 16. und 17. Jahrhundert an den Küsten des Atlantiks und des
Mittelmeers niederließen, brachten nicht nur die Sprache, Literatur und
Traditionen ihrer Heimat mit, sondern neben ihrem Ehrbegriff auch die
portugiesische Küche. Sie waren weltgewandt und vielsprachig, und
überall auf der Welt lebten Mitglieder ihrer Familie, mit denen sie in
ihrer Sprache wie in einem großen Familienverband verkehrten. Wer sich
von Amsterdam nach Hamburg aufmachte oder von Hamburg nach Livorno,
fühlte sich nie in der Fremde. Die "nação" war eine große Gemeinschaft,
die wie eine Firma organisiert war. Nach der Einrichtung der Inquisition
im Jahre 1536 begannen die portugiesischen Juden ihre Heimat zu
verlassen. Aber erst 1580 setzte die große Wanderung der portugiesischen
Juden nach Nordeuropa ein. Von den 5.000 "Portugiesen", die ihre Heimat
verlassen hatten, ließen sich etwa 1.200 in Hamburg nieder. Viele von
ihnen kamen über Brasilien, Nordafrika, Italien (Venedig und Ferrara)
und dem Osmanischen Reich (Saloniki und Izmir) nach Hamburg. Zu ihnen
stießen später spanische Juden, die 1492 Spanien 1492 verlassen mußten.
Die blühende portugiesisch-jüdische Gemeinde in Hamburg wurde in kurzer
Zeit zu einem wichtigen Handelszentrum der "Nation". Die "Portugiesen"
unterhielten enge wirtschaftliche Verbindungen mit Portugal, Spanien,
Indien, Curaçao, Surinam und der Karibik, aber auch mit Venedig,
Bordeaux, Bayonne und dem Baltikum (Danzig) sowie Mittel- und
Süd-deutschland. Zwischen 1660 und 1780 war die Blütezeit der Hamburger
Portugiesengemeinde. Als die Verfolgung in Portugal nachließ und die
Auswanderung zu Ende ging, integrierten sich die Portugiesen immer
besser und dauerhafter. Die Portugiesen waren nicht nur erfolgreiche
Großkaufleute. Unter ihnen gab es auch einen große Zahl von bedeutenden
Ärzten (die jüdisch-arabische Medizin in Spanien und Portugal hatte
immer einen ausgezeichneten Ruf), sondern auch Dichter, Literaten,
Philologen, Rabbiner und Kantoren. Diesen außerordentlich gebildeten
Menschen verdankt Hamburg das Interesse für die Sprache und Kultur
Portugals. Heute leben etwa fünf Millionen Portugiesen außerhalb ihres
Heimatlandes. Unter ihnen gibt es immer noch einige wenige
portugiesisch-jüdische Gemeinden, so zum Beispiel in Amsterdam, London
oder New York. Nicht aber in der Hansestadt Hamburg, die ihre
portugiesischen Juden zuerst vertrieb und dann ermordete. Wer heute nach
den Zeug-nissen ihrer Kultur sucht, muß sich mit den drei
Portugiesen-friedhöfen begnügen, die in vielerlei Hinsicht ein
eindrucksvolles Zeugnis ihrer Kultur in dieser Stadt sind. Michael
Studemund-Halévy |