Bis 120!
Ruth Cohn zum 88. Geburtstag
Von Iris Noah
Am 28. August 1912 wurde
Ruth Cohn in Berlin als Tochter eines Bankiers geboren. Sie
emigirierte in die Schweiz, später nach Amerika, wo sie mit der
themenzentrierten Interaktion (TZI) eine gesellschaftspädagogisch-therapeutische
Methode begründete.
Es
handelt sich dabei um eine Methode, - so Ruth Cohn - "die versucht, im Gespräch
nicht nur Inhalt zu vermitteln, der sachlich wichtig ist, sondern gleichzeitig
mit den Menschen, mit denen ein Thema besprochen wird, in Kontakt zu sein."
Schon aus der Zeit ihrer Lehranalyse war das Anliegen geblieben, die vielen
Einsichten, die wir haben können über uns selbst und über andere, so zugänglich
zu machen, daß sie auch weit über den Kreis von Psyhoanalytikern und Patienten
in den unterschiedlichsten Lebensbereichen fruchtbar gemacht werden können.
Zugute kamen Ruth Cohn ihre profunden Kenntnisse anderer Ansätze, von denen sie
Elemente integrierte: Gestaltarbeit nach Fritz Perls, Familienskulpturen von
Virginia Satir, Bioenergetik nach Wilhelm Reich, interpersonale Therapie nach
Harry Strack Sullivan sowie gruppendynamische Ansätze. Im Vordergrund steht der
Mensch mit seinen Stärken und seiner Möglichkeit zu autonomer Entscheidung.
Wichtig ist die Balance zwischen dem Individuum, der Gruppe und dem Thema, das
bearbeitet wird.
Anläßlich eines
Kongresses kam sie 1969 erstmals wieder nach Deutschland. Durch den
Nationalsozialismus waren die Entwicklungen unterschiedlicher
psychotherapeutischer Ansätze und Methoden in Deutschland abgebrochen. Die
meisten Analytiker waren nach Amerika emigriert und hatten ihre Verfahren
dort weiterentwickelt. So herrschte hierzulande großer Nachholbedarf. Ruth
Cohn begann bei ihren Europaaufenthalten, diese Methoden bekanntzumachen.
Nach einer Anfangsphase verlegte sie ihren Schwerpunkt auf die Vermittlung
von TZI. Eine Organisation "WILL-Europa" entsteht, die Interessierte in TZI
ausbildet. Die Bereiche, aus denen die Ausbildungskandidaten kommen, sind
vielfältig: Medizin, Pädagogik, Wirtschaft, Sozialarbeit, Politik und
Organisationsentwicklung.
Ursprünglich hatte sie
nicht vor, in die alte Welt zurückzukehren. Die Resonanz auf ihr Tun war so
berührend, daß sie in den siebziger Jahren in die Schweiz übersiedelte, wo
sie heute noch lebt. Ihr Vermächtnis schlägt sich in ihrem Buch "gelebte
Geschichte der Psychotherapie" nieder. Auch eine Reihe von Gedichten hat sie
geschrieben. Hier ist ihr Lieblingsgedicht:
Zu wissen, daß
ich zähle.
Zu wissen, daß du zählst.
Zu wissen, daß jeder Mensch zählt,
ob schwarz, weiß, rot oder braun.
Die Erde zählt
Das Universum zählt.
Mein Leid zählt.
Dein Leid zählt.
(Wenn du dich nicht um mein Leid scherst und mir dein Kummer gleichgültig
ist, werden wir beide von Hunger, Krankheit und Massenmord ausgelöscht
werden).
Jüdische Frauen in Berlin
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