Ruth
Cohn:
"Die Couch ist zu kurz"
Von der Psychoanalyse
zur Themenzentrierten Interaktion
Als Tochter eines Bankiers
wurde Ruth Cohn 1912 in Berlin-Charlottenburg geboren. In großbürgerlichen
Verhältnissen, zu denen zwei Dienstmädchen und eine Kinderfrau gehörten,
verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend. Ihr ursprünglicher Berufswunsch war
Lyrikerin oder Journalistin. Sie entschied sich, ein Volkswirtschaftsstudium
zu beginnen.
Sie
hatte "Mein Kampf" gelesen. Die Aufforderung zur legalisierten Gewalt machte
sie wachsam. An der Universität war sie Zeugin von Überfällen auf jüdische
Studenten geworden. Auch ein Freund trennte sich von ihr, weil sie Jüdin
war. Direkt nach der Machtübernahme von Hitler verließ sie Deutschland.
In Zürich studierte sie
Psychoanalyse. Dazu gehörte eine jahrelange Lehranalyse sechs mal
wöchentlich auf der Couch eines Analytikers. In Zürich heiratete sie. 1941
emigrierte sie mit Mann und Kind nach New York. Dort wird das zweite Kind
geboren, die Ehe 1946 geschieden. Der berufliche Neuanfang als Emigrantin
ist hart. Sie hat einen international anerkannten Abschluß als
Psychoanalytikerin. Im Psychoanalytischen Institut jedoch legt man ihr
nahe, nur Kinder zu therapieren, weil sie einer nichtmedizinischen
Berufsgruppe angehört. Sie ließ sich als Lehrerin ausbilden und fing an
therapeutisch mit Kindern zu arbeiten. Da die Probleme der Kinder von
Erwachsenen aus deren Umfeld beeinflußt waren, kam Ruth Cohn auf diesem
Umweg zur Therapie Erwachsener.
Mit der themenzentrierten Interaktion
(TZI) begründete sie eine gesellschaftspädagogisch-therapeutische Methode.
Es handelt sich dabei um eine Methode, - so Ruth Cohn - "die versucht, im
Gespräch nicht nur Inhalt zu vermitteln, der sachlich wichtig ist, sondern
gleichzeitig mit den Menschen, mit denen ein Thema besprochen wird, in
Kontakt zu sein." Schon aus der Zeit ihrer Lehranalyse war das Anliegen
geblieben, die vielen Einsichten, die wir haben können über uns selbst und
über andere, so zugänglich zu machen, daß sie auch weit über den Kreis von
Psychoanalytikern und Patienten in den unterschiedlichsten Lebensbereichen
fruchtbar gemacht werden können.
Zugute kamen Ruth Cohn ihre profunden
Kenntnisse anderer Ansätze, von denen sie Elemente integrierte:
Gestaltarbeit nach Fritz Perls, Familienskulpturen von Virginia Satir,
Bioenergetik nach Wilhelm Reich, interpersonale Therapie nach Harry Strack
Sullivan sowie gruppendynamische Ansätze. Im Vordergrund steht der Mensch
mit seinen Stärken und seiner Möglichkeit zu autonomer Entscheidung. Wichtig
ist die Balance zwischen dem Individuum, der Gruppe und dem Thema, das
bearbeitet wird.
Anläßlich eines Kongresses kam sie
1969 erstmals wieder nach Deutschland. Durch den Nationalsozialismus waren
die Entwicklungen unterschiedlicher psychotherapeutischer Ansätze und
Methoden in Deutschland abgebrochen. Die meisten Analytiker waren nach
Amerika emigriert und hatten ihre Verfahren dort weiterentwickelt. So
herrschte hierzulande großer Nachholbedarf. Ruth Cohn begann bei ihren
Europaaufenthalten, diese Methoden bekanntzumachen. Nach einer
Anfangsphase verlegte sie ihren Schwerpunkt auf die Vermittlung von TZI.
Eine Organisation "WILL-Europa" entsteht, die Interessierte in TZI
ausbildet. Die Bereiche, aus denen die Ausbildungskandidaten kommen, sind
vielfältig: Medizin, Pädagogik, Wirtschaft, Sozialarbeit, Politik und
nicht zuletzt kirchliche Arbeitsfelder. Ursprünglich hatte sie nicht vor,
in die alte Welt zurückzukehren. Die Resonanz auf ihr Tun war so
berührend, daß sie in den siebziger Jahren in die Schweiz übersiedelte, wo
sie heute noch lebt. Ihr Vermächtnis schlägt sich in ihrem Buch "gelebte
Geschichte der Psychotherapie" nieder.
An Overview:
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