Berlin - 09.Februar 1998:
Erstes deutsches Büro des
American Jewish Committee eröffnet
Finanziert wird das Projekt
hauptsächlich durch das Ehepaar Ramer aus Los Angeles.
''Die Eröffnung des ersten AJC-Büros in Berlin ist ein
wahrhaft historisches Ereignis'', so Eugene DuBow (65), der für seine
jahrelangen Bemühungen um den deutsch/jüdisch-amerikanischen Dialog vor
zwei Jahren vom Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz
ausgezeichnet wurde.
Die Einweihung des Büros in der sechsten Etage des
Mosse-Gebäudes am Leipziger Platz wird eine feierliche
Angelegenheit werden. Der amerikanische und der israelische Botschafter
werden erwartet, Ignatz Bubis und andere Repräsentanten der Jüdischen
Gemeinde, zahlreiche Ehrengäste und Honoratioren sowie eine 100köpfige
Delegation aus den Vereinigten Staaten. Sie alle werden vom
Bundespräsidenten und dem Regierenden Bürgermeister empfangen,
Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) wird beim abendlichen Gala-Diner
eine Rede halten. Eigentlich hatte das AJC nur mit 250 Gästen gerechnet,
doch schon jetzt gibt es doppelt so viele Anmeldungen. Daß die
Abendeinladung ein "hot ticket" geworden ist, das erfreut vor allem
Lawrence und Lee Ramer aus Los Angeles. Das AJC-Büro im Mosse-Palais
wird ihren Namen tragen. Der deutsche Bauherr Hans K. Röder stellt zwar
die Büroetage für zehn Jahre kostenlos zur Verfügung, aber die Ramers
haben den größten Teil der Unterhaltkosten übernommen, einschließlich
der Gehälter. Sie sind die wichtigsten Mäzene, deren Spenden die
Eröffnung ermöglicht hat.
"Was wir tun", sagt Lee Ramer, "ist sicherlich sehr
amerikanisch". Seit über 30 Jahren ist das Ehepaar im AJC aktiv.
Angefangen hat ihr Engagement für die Organisation, die in den USA über
75 000 Mitglieder, 32 Büros sowie eine Zentrale in New York verfügt und
sich inzwischen weltweit für jüdische Interessen einsetzt, in der Zeit
der Rassenunruhen in Los Angeles. In den 60er Jahren habe das AJC mit
seinem interkulturellen Dialog erheblich zum Abbau des Rassenkonflikts
beigetragen, meint Lee Ramer, die im Kulturbeirat der Stadt Los Angeles
tätig ist. Ihr Ehemann, den seine Freunde Larry nennen, hat sein Geld im
Zement- und Farbengeschäft verdient, das inzwischen ein Sohn übernommen
hat. Die Ramers haben drei erwachsene Kinder. Lawrence Ramer hat sich
aus dem Geschäft zurückgezogen und betätigt sich heute als Investor. Das
Engagement fürs AJC ist bei den Ramers geradezu eine
Familienangelegenheit geworden. Bruder Bruce, ein sehr erfolgreicher und
angesehener Anwalt in Hollywood, wird in diesem Jahr sogar die
Präsidentschaft des AJC übernehmen. Larry ist seit einigen Jahren im
Aufsichtsrat und zahlreichen anderen Einrichtungen der Organisation
vertreten.
Seit der Wiedervereinigung hat ihm die Aussöhnung und
der Dialog mit den Deutschen besonders am Herzen gelegen. Das hat wohl
auch mit seinem familiären Hintergrund zu tun. Die Familie, die
ursprünglich aus Deutschland stammt, hat über Ungarn den Weg in die USA
gefunden, wo Larry 1928 geboren wurde. Als Achtjähriger hat er erlebt,
wie der Großvater 1936 auf eigene Faust nach Deutschland fuhr, um
jüdische Verwandte zu retten. "Das hat damals besonderen Mut erfordert",
meint Larry. Es gibt noch ein Photo, das den Großvater mit fünf
deutschen Familienangehörigen zeigt, von denen die drei im
Konzentrationslager umkamen, die er nicht zur Emigration überreden
konnte. Später, während des Krieges habe er dann Gespräche im Elternhaus
verfolgt, die um die Frage kreisten, was wohl passiere, wenn Hitler den
Krieg gewinnen würde. Als das AJC ihn dann nach der Wiedervereinigung
gefragt habe, ob er den deutsch-jüdischen Dialog fördern wolle, habe er
dies wohl auch getan, um den Großvater zu ehren.
"Deutschland wird ein Machtzentrum im vereinten
Europa", meint Larry. Was hier geschehe, werde auch auf die Nachbarn
ausstrahlen, vor allem im Osten. Mit AJC-Delegationen sind Larry und Lee
Ramer in den letzten Jahren mehrfach in der Bundesrepublik gewesen, die
sie als starke Demokratie anerkennen. "Die Regierung hat uns immer mit
offenen Armen empfangen", meint Larry. Besonderen Wert legen die Ramers,
wie das AJC insgesamt, auf die Pflege des Dialogs mit der jungen
Generation, bei der sie für Verständnis, Toleranz und Aussöhnung werben
wollen. "Dieses Jahrhundert war für Juden eine schreckliche Zeit", sagt
Larry. "Wir wollen dazu beitragen, daß unsere Enkel in einer Welt
aufwachsen werden, in der so etwas nie wieder passieren kann". Larry und
Lee Ramer sind stolz darauf, in einer Organisation mitzuwirken, die
schon unmittelbar nach dem Krieg den Dialog mit den Deutschen gesucht,
gepflegt und ausgebaut hat. Das war damals, unmittelbar nach dem Krieg,
nicht unumstritten in den USA, meint Larry. Aber das AJC hat sich in
seinem Bemühen nicht beirren lassen und kann nun, kurz vor Eröffnung des
Büros, die ersten Früchte ernten. Der in der letzten Woche ausgehandelte
Kompromiß in der Frage der Entschädigung osteuropäischer Holocaust-Opfer
ist vor allem dem hartnäckigen Engagement des AJC zu verdanken.
Mit dem Büro in Berlin will das AJC auch der
Tatsache Rechnung tragen, daß die jüdische Gemeinde in der
Bundesrepublik aufgrund des Zuwachses durch die osteuropäischen
Zuwanderer die weltweit am schnellsten wachsende ist.
Als Konkurrenz zu den Jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik
verstehen sich die Amerikaner aber nicht. Vielmehr wollen sie mit den
deutschen Juden eng zusammenarbeiten und von ihrem Berliner Stützpunkt
aus auch die Kontakte nach Osteuropa ausbauen. Außerdem wird das AJC
weiterhin die Austauschprogramme pflegen, die seit Anfang der 80er Jahre
mit den politischen Siftungen durchgeführt werden. In Berliner Büro wird
auch eine Bibliothek untergebracht mit Veröffentlichungen zum
amerikanischen Judentum, die vor allem Wissenschaftlern und Forschern
offenstehen soll. Durch Vorträge und Seminare will man weiter zum
besseren gegenseitigen Verständnis beitragen. Die amerikanischen Juden,
meint Eugene DuBow, hätten ein ambivalentes Verhältnis zu den Deutschen.
Einerseits würden sie rational die Stabilität der deutschen Demokratie
anerkennen, andererseits hätten sie aber aufgrund der Geschichte immer
noch starke emotionale Vorbehalte.
Diese Ambivalenz wird auch im Umgang mit den
rechtsradikalen Vorfällen in der Bundeswehr sichtbar. Während Eugene
DuBow und Rabbi Andrew Baker, Direktor für europäische Angelegenheiten
im Washingtoner Büro des AJC, noch auf einer Pressekonferenz ihre
Besorgnis darüber äußern, ist eine Gruppe junger Offiziere längst in das
Besuchsprogramm des AJC in den USA eingebunden. Seit einigen Jahren
schon kommen die jungen Offiziere beim AJC vorbei. Auf die nunmehr guten
Beziehungen kann man dann auch bei der Bewältigung des Ansturms fürs
Gala-Diner zurückgreifen. Dort wird eine Abordnung junger Offiziere
aushelfen, natürlich in Zivil.
Quelle: Nach einem SZ-Artikel v. Marianne
Heuwagen
|