Rücksichtslos im
Arisierungsgeschäft:
Die Dresdner plündern
in großem Stil
Raubtierkapitalismus in Reinkultur
Die Aktenlage ist klar: Die Dresdner
Bank ging vom Beginn der
NS-Herrschaft an im trüben Geschäft
des »Losklopfens« von jüdischen
Kapitalwerten weiter als die anderen
Großbanken. Fälle, in denen sie sich
trotz offen schikanös geführter
Wirtschaftsstrafverfahren und
willkürlicher Gestapoverhaftungen
»ermittelnd« einmischte, sind
zweifelsfrei nachgewiesen und haben
nach 1945 in der frühen
publizistischen Aufarbeitung der
»Arisierungen« eine große Rolle
gespielt.
Auch die 1937/38 erfolgte
Einrichtung einer
»Arisierungsabteilung« in der
Berliner Zentrale war für die
anderen Großbanken nicht typisch,
auch wenn die Deutsche Bank
Ihrerseits in einer Zentralstatistik
alle »arisierungsfähigen« jüdischen
Unternehmen erfaßt hatte. Aber der
Vorstand der Deutschen Bank mahnte
die Direktoren seiner Kopffilialen
immer wieder zur Vorsicht; das
»Arisierungsgeschäft« müsse »mit
Überlegung behandelt werden« und
erfordere »viel Geschick, damit
nicht durch taktisch unrichtige
Behandlung Verärgerungen und
Verstimmungen ausgelöst werden«.
Und nicht die Deutsche Bank, sondern
Carl Goetz,
Aufsichtsrats-vorsitzender der
Dresdner Bank, wurde vom
berüchtigten Judenreferat des
Reichswirtschaftsministeriums um Rat
angegangen, als man im Frühjahr 1938
begann, die »Arisierung der
Wirtschaft« reichsweit zu
beschleunigen. Sogar der neuernannte
Reichswirtschaftsminister Funk
verhandelte mit Goetz über »die
Schaffung einer Auffang-Gesellschaft
für das nach der Deklaration des
jüdischen Vermögens zu übernehmende
Geschäftseigentum. Man denke daran,
die Aktienposten der großen
Industrie- und
Bankenunternehmungen... zu
übernehmen und dann von der
staatlichen Auffang-Gesellschaft aus
Einfluss auf Verwaltung und
Aufsichtsrat auszuüben... Dagegen
habe man noch keine klaren
Vorstellungen, was mit den
zahlreichen geschäftlichen
Unternehmungen, die als
Einzelfirmen, offene
Handelsgesellschaften,
Kommanditgesellschaften mit
Industrie- oder Handelsbetrieb
(geführt werden), geschehen solle.«
Goetz fuhr fort, »es sei nach seinem
Erachten notwendig, daß wir Banken
hier durch geeignete Vorschläge uns
einschalteten, um nicht Teile
unserer Kundschaft zu verlieren und
staatliche Einflüsse auch auf diese
Unternehmungen zuzulassen. Um diese
Frage zu klären, übernahm Goetz die
Rolle des Emissärs gegenüber den
Großbanken. Am 2. Juli fühlte Goetz
bei einem Aufsichtsratsmitglied der
Deutschen Bank vor: Er »denke sich
die Sache vorläufig so, daß man an
Stelle des Reiches die von diesem zu
übernehmenden Betriebe und Firmen
erwerbe und dem Reiche einen Teil
des Wertes der dafür hingegebenen
Reichsanleihe als Anzahlung oder
Vorschuß gebe.« Wenig später wurde
sein Mandat noch erweitert; er wurde
»aufgefordert«, »die Frage der
Arisierung des ganzen jüdischen
Besitzes in Deutschland zu
studieren«. Am 23. Juli sprach Goetz
erneut in der Deutschen Bank vor,
sein Gesprächspartner war diesmal
Vorstandsmitglied Karl Kimmich.
Goetz schlug eine konzertierte
Aktion der Großbanken vor, um die
Gründung einer Staatsholding zu
verhindern: Die Banken »hätten doch
ein bedeutendes Interesse daran, in
dieser Frage nicht abseits zu
stehen. Er denke sich z. B. ein
Aktien-Konsortium aufzuziehen für
die notierten Werte, und hierin
könnten wohl vielleicht schon
Gewinne gemacht werden. Die übrigen
Sektoren hätten ja weniger Reiz,
aber man müsse sie natürlich
behandeln. Das Reich sei bereit,
durch Schatzanweisungen zu helfen
und außerdem auch einen
Garantiefonds zu geben für den
Bodensatz. Größere Schwierigkeiten
etc. würden sich ergeben bei den
Grundstücken und bei einzelnen
Objekten sowie den unnotierten
Werten.« Karl Kimmich gefiel dieses
Ansinnen nicht. Eine
»Arisierungs«-Holding der Großbanken
sei viel zu spektakulär und
gefährlich für die »Erhaltung
unseres Auslands-Kredits«. Um das
Bankenengagement zu tarnen, müßten
staatliche »Treuhänder«
eingeschaltet werden, und nur in
ihrem Hintergrund könnten die Banken
dann reprivatisierend aktiv werden.
Dies ermögliche zugleich eine
flexiblere Handhabung. Abschließend
beschied der Deutsche Bank-Vertreter
dem Herrn Goetz von der Dresdner
Bank, daß auch im
»Arisierungsgeschäft« etwas mehr
Diskretion wohltue und man sich
gerade hier nicht zu stark von den
Behörden antreiben lassen solle.
Kimmich in seiner Aktennotiz: »Ich
könnte ihm verraten, daß wir sehr
viele Unternehmungen bereits mit
Erfolg arlsiert hätten. Die ganze
Frage sei ja weniger eine Kapital-
als eine Personenfrage. Wenn dem
Staat der bisherige Gang der Dinge
zu langsam gewesen sei und eine
Totallösung von ihm angestrebt
würde, so könnte ich mir eine
Behandlung der Angelegenheit nur in
dieser Art vorstellen.«
In diesen Verhandlungen wird klar, in welcher
Situation sich die Dresdner Bank noch im Sommer 1938 befand. Ihr Kapitalhunger
war derart groß, daß sie sich für eine Initiative des
Reichswirtschaftsministeriums hergab, die mit einem Schlag und in aller
Öffentlichkeit die Großbanken zum Zentrum der wirtschaftspolitischen Vernichtung
der Juden machen wollte. Auf »Auslandskredite« brauchte die Dresdner Bank noch
nicht wieder Rücksicht zu nehmen, nur die Deutsche Bank agierte in diesen Jahren
weltweit. Und diese Ausgangssituation erklärt, warum selbst ein so erfahrener
Bankier wie Goetz alle Vorsicht fallen ließ. Aus dem Projekt, einem weitaus
schlimmeren als dem, das Karl Rasche dann noch einmal 1942 in seinen
Verhandlungen mit einem Emissär des Judenreferats des Reichssicherheitshauptamts
reaktivierte - vgl. den Untersuchungsbericht -, wurde freilich nichts. Die
Deutsche Bank machte nicht mit. In einem ausführlichen Planungspapier legte
Kimmich nach seinen Verhandlungen mit Goetz nieder, wie zugunsten der
geräuschlosen Effizienz, des Bankprofits und des Auslandskredits die
»Arisierung« à la Deutsche Bank fortzusetzen sei.
Der Fall Nacher / Eidenschink
Die Dresdner Bank war wahrscheinlich die einzige, die schon 1933-1934
politischen Druck im Zusammenhang mit »Arisierungen« ausübte. Zu dieser Zeit
brachte sie die zweitgrößte deutsche Brauerei unter ihre Kontrolle. Der
Mehrheitsanteil an der Engelhardt Brauerei AG gehörte Ignatz Nacher. Wie aus
Zeugenaussagen hervorgeht, war Nacher sich darüber im klaren, daß es ihm
unmöglich sein würde, die Leitung seiner großen Brauerei zu behalten, und er
nahm Kontakt zu einem kleinen Kreditinstitut, der Eidenschink Bank in München,
auf, um die Verkaufschancen für seine Anteile zu sondieren. Im Mai 1934 war der
Vertrag zwischen Nacher und der Eidenschink Bank perfekt.
Hierzu ein Zitat aus der Zeugenaussage Dr.
Adolf Fischers, eines Teilhabers der Bank: »Die Dresdner Bank erfuhr
innerhalb kurzer Frist von diesem Vertrag und ließ kurzer Hand, nachdem sie
selbst größtes Interesse an dem Erwerb, insbesondere an der Engelhardt Brauerei
hatte, Herrn Ignaz Nacher unter irgend einem Vorwand verhaften. Bevor es mir
möglich war, Herrn Nacher im Gefängnis aufzusuchen, wurde er derart unter Druck
gesetzt, daß er seinem Anwalt Dr. Aschoff eine uneingeschränkte Generalvollmacht
mit dem Ziel der Veräußerung seiner Besitzungen geben mußte und gab. Man
erklärte unter anderem, daß er niemals mehr die Freiheit erreichen würde, wenn
er diese Vollmacht nicht unterzeichne. Bei meinem Besuch im Gefängnis
Alexanderplatz war dieser Akt bereits vollzogen. (...) Damit war wohl Herr
Nacher frei, aber der Verkauf des Engelhardt-Paketes aufgrund der erpreßten
Generalvollmacht, blieb trotzdem gültig.«
Es ist recht offensichtlich, daß jemand mit dem Gauleiter von Berlin Kontakt
aufnahm, um dafür zu sorgen, daß Nacher sein Unternehmen der Dresdner Bank
übergab. Der Verdacht einer Verschwörung zwischen der Geschäftsleistung der
Dresdner Bank und den führenden Behörden der Nazis erhärtet sich weiter durch
eine Klage, die die Eidenschink Bank gegen die Dresdner Bank ... erhob. Die
Teilhaber der Eidenschink Bank wurden nach Berlin zitiert und von der Gestapo in
Kenntnis gesetzt, daß sie mit der Verhaftung zu rechnen hätten, wenn sie die
Angelegenheit nicht fallenließen.
Aus den Ermittlungen gegen die Dresdner
Bank, S. 78f.
Die
OMGUS-Bände der ANDEREN BIBLIOTHEK wurden herausgegeben von HANS MAGNUS
ENZENSBERGER:
-
OMGUS: Ermittlungen gegen die Dresdner Bank
496 S. und 8 S. Bildteil, Pappband, 25 DM.
-
OMGUS: Ermittlungen gegen I.G. Farben 576 S.
und 32 S. Bildteil, Pappband, 25 DM.
-
OMGUS: Ermittlungen gegen die Deutsche Bank
544 S., Pappband, 25 DM.
Die Berichte über die Ermittlungen der
Amerikanischen Militärregierung für Deutschland (OMGUS) gegen deutsche
Großbanken und Industrieunternehmen entstanden in den Jahren 1945-47. Sie
sollten die Verwicklung dieser Firmen in den Aufstieg des Nationalsozialismus
und die aggressive Weltmachtpolitik des »Dritten Reichs« klären und damit die
Grundlage für eine umfassende institutionelle wie personelle Entnazifizierung
der deutschen Wirtschaft legen.
Vor siebzig Jahren wurde die
"Tschechei" zerschlagen:
Wirtschaftsverbrechen in ganz großem Stil
..."Eins, zwei, drei, endlich ist's
vorbei - mit der "Mist-Tschechei",
und nach dem ersten Tank - kommt die Dresdner Bank!"...
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