Der Mut der wenigen - Widerstand und Tod
Nur acht Minuten
„Dann sprenge ich den Hitler in die Luft":
Um Haaresbreite wäre Georg Elsers Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller 1939
gelungen
Ganz für sich allein fasst er im Herbst 1938 den
Entschluss, Hitler in die Luft zu sprengen. Georg Elser, ein kleiner,
unauffälliger Mann mit welligem, dunklem Haar und hellen Augen. 35 Jahre alt,
ein Einzelgänger, der sich wenig für Politik interessiert.
Nur
wenn die Führungsriege der Nationalsozialisten nicht mehr lebt, so glaubt
er, könne ein Krieg verhindert werden. Georg Elser, ein einsamer Moralist.
(Zur Vergrößerung auf Abb. klicken)
Im württembergischen Königsbronn liest Georg Elser in der
Zeitung, dass sich Anfang November Hitler und die Veteranen des Putsches von
192.3 im Bürgerbräukeller treffen. Also reist der Schreiner nach München und
beobachtet den Ablauf der Feier. Er sieht, wie unzureichend der Bürgerbräukeller
bewacht wird. Dieses jährliche Treffen erscheint ihm als die entscheidende
Gelegenheit. Er will eine Bombe bauen. Im Laufe der nächsten Monate arbeitet
Elser in einer Rüstungsfirma und im Steinbruch. Hier wie dort stiehlt er
Sprengstoff. Im Garten seiner Eltern testet er, wie eine Zündung funktioniert.
Dann reist er Anfang August erneut nach München. Abend für Abend besucht Georg
Elser den Bürgerbräukeller. Kurz bevor die Gaststätte schließt, schleicht er
sich in einen Lagerraum. Dann macht er sich Nacht für Nacht an die Arbeit: In
einem Pfeiler legt er einen Hohlraum an, so groß, dass nahezu drei aufeinander
gestapelte Bierkästen Platz darin finden könnten. Am 1. November ist es
geschafft: Sieben Tage bevor Hitler zum Treffen kommt, setzt Elser den Behälter
mit dem Sprengstoff ein und schließt den Zünder an. Dann stellt er den
Zeitzünder: 8. November, 21.20 Uhr. Am Abend des 7. November kehrt Georg Elser
zum letzten Mal zurück. Er überprüft seine Arbeit. Die Bombe tickt.
Am nächsten Morgen verlässt er München. Mit dem Zug fährt er
Richtung Konstanz. Er ist auf dem Weg in die Schweiz. Derweil trifft Adolf
Hitler in München ein. Erst am Tag zuvor hatte er entschieden, tatsächlich an
der Feier teilzunehmen. Um 20 Uhr betritt er den Bürgerbräukeller. Aufgrund des
geplanten Feldzugs gegen Frankreich beginnt die Feier früher -und soll kürzer
als üblich dauern. Der mit Fahnen und Wimpeln dekorierte Saal ist bereits
überfüllt. Die Parteigenossen jubeln Hitler zu, als er das Podium betritt. Um
20.10 Uhr beginnt er seine Rede. In seinen langen Tiraden wütet er gegen
Großbritannien und brüllt auf das Publikum ein. Im Saal klatschen die Leute
stürmisch Beifall, im Pfeiler unmittelbar hinter Hitler zählt das Uhrwerk.
Um ca. 20.45 Uhr sieht ein Zollbeamter in Konstanz eine kleine
Gestalt hinter einem Gebäude hervorlaufen und auf die Grenze zueilen. Hätte
Georg Elser seine Flucht ebenso akribisch geplant wie seine Bombe, wäre er wohl
in die Schweiz gelangt. Doch er wird festgenommen. Bei der Leibesvisitation
findet der Zollbeamte eine Beißzange, Teile eines Zündmechanismus - und eine
Karte des Bürgerbräukellers.
München, 21.07 Uhr: Hitler beendet seine Rede und verlässt,
statt sich wie sonst nach der Rede mit den alten Kämpfern der Bewegung zu
unterhalten, den Saal. Er will mit dem Sonderzug um 21.31 Uhr zurück nach
Berlin. Hitler ist noch auf dem Weg zum Hauptbahnhof, als in der Stadt ein
dumpfes Knallen zu hören ist - etwa acht Minuten zu spät, acht Minuten, welche
der Weltgeschichte einen anderen Lauf hätten geben können. Die Explosion
zersprengt die Rednertribüne, Teile der Decke stürzen ein. Acht Menschen
sterben, 63 werden schwer verletzt. Hitler erfährt erst in Nürnberg von dem
Attentat, will es erst nicht glauben und hält dann die Engländer für die
Drahtzieher. Seine Rettung bezeichnet er als „Werk der Vorsehung".
Hitler am 8. November 1939 im Bürgerbräukeller vor
„alten Kämpfern". Er geht vorzeitig - und entgeht der Bombe, die Georg Elser
im Pfeiler hinter der Rednertribüne gezündet hat.
Erst einige Stunden nach der Explosion erkennen die
Grenzbeamten die Zusammenhänge zwischen dem Anschlag in München und ihren Funden
in Georg Elsers Hosentaschen. Es folgen endlose Verhöre in München und Berlin.
Er legt ein Geständnis ab, doch die Ermittler bezweifeln, dass er alleine zu dem
Anschlag in der Lage gewesen sei. Im Konzentrationslager lebt er unter ständiger
Bewachung in einer Einzelzelle. Er darf eine Tischlerwerkstatt einrichten und
fertigt einen Nachbau der Bombe an. Warum die Nazis ihn in Haft behielten, statt
ihn zu töten, ist unklar. Vielleicht weil das Regime hoffte, in einem großen
Schauprozess die Komplizenschaft der Briten doch noch aufzudecken.
Nur
20 Tage, bevor die Amerikaner das Konzentrationslager 1945 befreien, trifft ein
Befehl aus Berlin ein. Elser soll den Triumph über Hitler nicht mehr erleben. Er
wird in Dachau ermordet.
Caroline Hoffmann
Aus dem Buch "München
- Die Geschichte der Stadt", erschienen bei der Süddeutschen Zeitung
zum 850-jährigen Stadtjubiläum.
Kap. 9. Unterm Hakenkreuz.
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