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Jüdische Weisheit
 
 

Das jüdische Kulturfestival in Prag
[InternetChat / Jüdische Schulen / Wien - Berlin - Praha]

Die Rebellion des einfachen Mannes:
Der Chassidismus
- Eine Einführung

Andrea Übelhack

[This Text in English] / [Send a postcard from Jewish Praha]

Jüdische Buchhandlung Morascha - Zürich - Bücher zum Judentum, Ritualia...

Das jüdische Kulturfestival in Prag ist nach dem Namen eines berühmten Buches von Georg Mordechaj Langer benannt: "Neun Tore". Das Buch enthält chassidische Erzählungen. Georg Langer schrieb sie nieder, nachdem er sich endgültig für ein "europäisches" Leben in Prag entschieden hatte. Vorher hatte er einige Zeit bei den Chassidim in Galizien gelebt. Geblieben ist ihm der Beiname "Prager Chassid".

Der Chassidismus entstand zu einer Zeit, als die Juden in West- und Mitteleuropa das Ghetto verließen, sich emanzipierten und sich unter dem Einfluß der Aufklärung mehr und mehr assimilierten. D.h. sie gaben mehr und mehr ihre religiösen Bräuche und Lebensweise auf und paßten sich an die christliche Umgebung an. In Osteuropa ging dieser Prozeß aber wesentlich langsamer vor sich, v.a. weil die rechtliche Gleichstellung der jüdischen Minderheit in Polen und Rußland noch lange Zeit undenkbar war. Hier gab es viele blutige Progrome, aber die jüdische Gesellschaft in Osteuropa wurde auch von schweren inneren, religiösen Krisen erfaßt.

Die Hoffnung auf das Kommen des Messias, der das Leiden beenden würde, war in der Bevölkerung sehr stark. Das klassische Judentum, also die Rabbiner und Gelehrten konzentrierten sich als Antwort darauf noch strikter auf das rationale Studium der heiligen Schriften und die Erfüllung der rituellen Gesetze. Das führte zu einer großen Kluft zwischen den Gelehrten und der einfachen jüdischen Bevölkerung.

In diesem politischen und geistigen Klima entstand die Bewegung der Chassidim (der Frommen). Der Begründer des Chassidismus war Israel ben Elieser, genannt der Baal-Schem-Tow (Meister des guten Namen) oder kurz Bescht, der etwa 1700 bis 1760 lebte. Die Hauptwirkung des Chassidismus kam zunächst nicht allein durch die Lehre, sondern auch durch die Kraft der Persönlichkeit seines Begründers. Er führte die Bewegung weg von der Askese, die zu dieser Zeit zusammen mit mystischen Theorien enorm populär war. Anstelle dessen setzte Bescht eine neue Führungspersönlichkeit, den Zaddik, den Gerechten, ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der die bisher vorherrschende Führungsschicht deutlich veränderte.

Es ist leicht nachvollziehbar, daß die Lehre des Baal-Schem-Tow bald von weiten Teilen der Juden in Polen, vor allem aber in der Jugend, begeistert aufgenommen wurde. Sie bot eine Alternative zu der streng orthodoxen Form des klassischen Rabbinismus oder der Rätselsprache der rein theoretischen Kabbalah, der jüdischen Mystik. Die Chassidim hatten eine positive Lebensauffassung, Freude, Tanz und Gesang waren alltäglich.

Schon in der dritten Generation hatte sich der Chassidismus über weite Teile Osteuropas verbreitet. In Polen mußten an hohen jüdischen Feiertagen Sonderzüge eingesetzt werden, um die Chassidim zu ihrem Zaddik zu bringen. In der Spätphase wurde der Zaddikismus zunehmend selbstherrlicher und weniger charismatisch.

Historiker beschäftigen sich vor allem mit dem ungewöhnlich schnellen Tempo der Ausbreitung des Chassidismus und der Ursache für diesen Erfolg. Heute sieht man den Grund nicht mehr, wie lange Zeit angenommen, in der sozialen Botschaft des Chassidismus, sondern vielmehr in seiner religiösen. Der Chassidismus öffnete jedem Einzelnen die mystische Welt, die enge Bindung an Gott war nicht mehr einer kleinen Elitegruppe, den Rabbinern, vorbehalten.

Eigene Bestimmungen im Bereich des religiösen Lebens separierten die Chassidim nicht unbedeutend von der übrigen jüdischen Gesellschaft. Zum Konflikt mit den Rabbinern führte jedoch vor allem die Tatsache, daß der Chassidismus zu einem bedeutenden sozialen Faktor im jüdischen Leben wurde und dadurch die Strukturen der Gesellschaft veränderte. Die Bedeutung der Rabbiner wurde in chassidischen Gemeinden beträchtlich geschmälert, der chassidische Rebbe hatte nun dort die höchste Autorität inne. Es kam daher zu sehr schweren Auseinandersetzungen zwischen den Rabbinern und den Chassidim, was das jüdische Leben in Osteuropa sehr geprägt hat.

Mit der Vernichtung des osteuropäischen Judentums während des Zweiten Weltkrieges drohte auch die physische Vernichtung des Chassidismus. Zahlreichen Chassidim gelang jedoch die Flucht vor den Nazis, heute lebt die große Mehrheit von ihnen in New York und Israel. Doch auch in Europa lassen sich in vielen Gemeinden Anhänger chassidischer Rebbes finden. Vor allem die ChaBaD-Richtung erlebt einen bedeutenden Aufschwung. Ihr Hauptsitz ist in in Brooklyn/New York, insgesamt existieren über 1000 ChaBaD-Zentren auf der ganzen Welt.

Georg Langer war von der Welt des Chassidismus fasziniert. Er fand in ihr zunächst die religiöse Erfüllung, die ihm das bürgerliche Leben in Prag nicht geben konnte. Allerdings hat er sich schließlich entschieden, diese Welt wieder zu verlassen, da er erkannte, dass auch die chassidischen Lehren nicht makellos sind. Langer wollte jedoch die Weisheiten der chassidischen Rebbe für das westeuropäische Publikum zugänglich machen und schrieb daher die Geschichten auf. So entstand das Buch "Die neun Tore".

ae / haGalil onLine 18-10-2000


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