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[Tschechische Häftlinge im Konzentrationslager Dachau]
Von Zuzana Mosnáková

Zur Diskussion im Forum:
[
Nationalsozialistische Konzentrationslager]

2.5 Leben und Tod – verschiedene Wege aus dem Lager

Ein wesentlicher Bestandteil der Aufnahmeprozedur war die "Begrüßungsansprache", die der Häftling vom Schutzhaftlagerführer zu hören bekam, sobald er zum ersten Mal das Lagertor durchschritten hatte. Hierbei lebten die sadistischen SS-Männer, wie etwa der Lagerführer Baranowski, ihre vollkommene Macht richtig aus. Einer seiner Sprüche lautete etwa: "Hier hat niemand zu lachen. Der einzige, der hier lacht, ist der Teufel, und der Teufel bin ich!"[249] Obwohl die Ansprachen nicht selten variierten, vergaß keiner der Lagerführer zu erwähnen, dass es nur einen Weg aus dem Lager gäbe, nämlich den durch den Schornstein des Krematoriums.[250]

Doch es gab in Wirklichkeit nicht nur diesen Weg, das KZ zu verlassen, was viele Zeitzeugen allein durch ihr Überleben bestätigen. Ein möglicher Weg aus Dachau zu gelangen, war zunächst die offizielle Entlassung. Auch wenn das RSHA im Oktober 1939 festsetzte, dass "Entlassungen der Häftlinge aus dem Schutzhaftlager während des Krieges im allgemeinen nicht statt(finden)"[251], wurden laut Häftlingsdatenbank insgesamt 466 Tschechen aus dem KZ Dachau entlassen. Diese Zahl muss jedoch kritisch betrachtet werden, da "Faust" in einigen Fällen nicht zwischen der Zeit vor und nach der Befreiung unterscheidet. So kann man bei einigen Einträgen etwa die Angabe "entlassen am 22.5.1945" finden. Das ist fast ein Monat nach der Befreiung und zugleich der Tag der Repatriierung vieler tschechischer Häftlinge. Ein anderes Problem ist indes, dass die Datenbank oft nicht zwischen einer wirklichen Entlassung in die Heimat und einer Entlassung aus der Schutzhaft in die Polizeihaft differenziert. Häftlinge, die aus dem Lager in ein Gefängnis überstellt wurden, werden somit auch als entlassen geführt. Daher muss man bei dieser relativ hohen Zahl von Entlassungen etliche Abstriche machen.

1.849 tschechische Häftlinge verließen Dachau mit einem Transport in ein anderes Konzentrationslager. Die meisten von ihnen wurden im Zuge der Evakuierung des KZ Dachau im September 1939 nach Buchenwald überführt. Mehr als hundert Tschechen kamen zudem jeweils nach Sachsenhausen, Mauthausen, Flossenbürg, Natzweiler oder Neuen-gamme. Da diese alle schlechter eingestufte KZs waren, kann man vermuten, dass sich dort ihre Lebensbedingungen weiter verschlechterten. Die Transporte wurden von den Häftlingen im Allgemeinen sehr gefürchtet, da sie oft unter sehr schlimmen Bedingungen, in Hitze oder Kälte, ohne frische Luft, oft ohne Wasser oder angemessene Verpflegung sowie ohne Möglichkeit sich zu erleichtern in großer Enge der Viehwaggons abliefen und dadurch enorm an den Kräften der Häftlinge zehrten. Im neuen Lager angekommen, mussten die Gefangenen zudem als Neuzugänge erneut mit großer Anstrengung um ihr Überleben kämpfen.

Viele Tschechen konnten Dachau jedoch nicht mehr lebend verlassen. Die Sterblichkeit unter den tschechischen politischen Häftlingen im KZ Dachau betrug etwa 12 %. Wenn man die sonstigen Kategorien sowie die jüdischen Häftlinge, deren Sterberate bereits separat untersucht wurde, nicht berücksichtigt, starben im Lager insgesamt 488 politische Tschechen, und damit etwa ein Achtel dieser Häftlingsgruppe. Wenn man allerdings alle Tschechen als eine Einheit betrachtet und die nationalsozialistische Kategorisierung außer Acht lässt, verdreifacht sich die Zahl der Toten auf insgesamt 1.361 Personen. Hinter dieser gesichts-losen Zahl verbergen sich Hunderte von Schicksalen, wie etwa das des jungen Gitarristen Emil Kalát, des Philosophen Jaroslav Šimsa, des Redakteurs Alfred Fuchs oder des Grafikers Vojtěch Preissig. Über sie wird in den Erinnerungsberichten häufig geschrieben. Doch die meisten Toten erhalten auch hier keinen Namen – es waren zu viele. Weitere 93 tschechische Häftlinge fielen außerdem den "Invalidentransporten" zum Opfer und wurden in der "Euthanasieanstalt" in Schloss Hartheim bei Linz mit Giftgas ermordet. Die Aktion "14 f 13" übertrug die Vernichtung der Geistes- und unheilbar Kranken den Konzentrationslagern, wobei hier in erster Linie Arbeitsunfähige aber auch rassisch und politisch Verfolgte getötet werden sollten. Die Vernichtungstransporte erhielten dort die euphemistische Bezeichnung "Invalidentransporte", da die SS die erschöpften Häftlinge unter dem Vorwand aussuchte, dass sie in ein ziviles Lager mit leichterer Arbeit kämen, um später entlassen zu werden. Auf diese Weise wurden in Dachau weit über zweitausend Häftlinge ermordet.[252]

Laut Häftlingsdatenbank ist kein tschechischer Häftling aus dem Lager geflohen. Dieser Angabe widersprechen jedoch einzelne Häftlingseinträge und -akten, die insgesamt fünf flüchtige Tschechen aufweisen. Über einige von ihnen wurde bereits gesprochen. Im Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau befindet sich ein detaillierter Erlebnisbericht, in welchem die spektakuläre Flucht von zwei politischen tschechischen Häftlingen beschrieben wird, welche im März 1945, als die Verhältnisse in Dachau bereits sehr chaotisch waren, stattfand.[253] Die Flucht des 25-jährigen Jan Řeřábek und des 50-jährigen Polizeiinspektors Josef Hajný dauerte insgesamt vierzig Tage, und ihr glückliches Ende wäre ohne eine sorgfältige Vorbereitung und ohne Hilfe von vielen tschechischen Mithäftlingen nicht möglich gewesen.

Schließlich verließen rund 2.065 tschechische Häftlinge das KZ Dachau im Mai 1945 als freie Menschen.

  • [249] Zámečník, Dachau, S. 137.
  • [250] Ebenda, S. 137.
  • [251] Ebenda, S. 111.
  • [252] Näheres zu den Invalidentransporten siehe ebenda, S. 212 – 225 sowie Distel/Benz, Das Konzentrationslager Dachau, S. 20 – 21.
  • [253] Hajný, Josef: Meine Flucht aus Dachau, DaA 4.481.

5. ANHANG
5.1.1 Quellenverzeichnis
5.1.2 Literaturverzeichnis
5.2.0
Abkürzungen

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