Der Hölle entkommen:
Adolf Burger erzählt das
Unbeschreibbare
Vor Kurzem kam in
Radio Prag ein sehr interessanter
90-jähriger Herr zu Wort, den Till
Janzer im Rahmen der Serie "Begegnungen"
in einem kleinen Häuschen in einem
Prager Randbezirk besucht hatte. Adolf
Burger ist sein Name.
Adolf
Burger
Als Buchdrucker ereilte Adolf Burger vor
65 Jahren ein schreckliches Schicksal:
Auschwitz, Birkenau. Denn Burger ist Jude.
Doch dem fast sicheren Tod entkam er
letztlich. Wenn Burger erzählt, kann man nur
still dasitzen und zuhören. Irgendwann kommt
er dann unweigerlich zu dem Teil seiner
Lebensgeschichte, die ihn weltweit bekannt
gemacht hat und ihm wohl auch das Leben
rettete: zum so genannten Unternehmen
Bernhard, die größte Geldfälscheraktion
aller Zeiten. Ausländische Banknoten in
Millionenhöhe ließen die Nationalsozialisten
im Konzentrationslager Sachsenhausen von
Zwangsarbeitern drucken, unter den
Häftlingen eben auch Adolf Burger. Ohne
Burgers Berichte und Bücher wäre der Film
„Die Fälscher“, der bei der diesjährigen
Berlinale uraufgeführt wurde und die
Geldfälscheraktion beschreibt, nie
entstanden. Aber hören Sie einfach selbst:
RealMedia anhören:
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„Ich bin in
Groß-Lomnitz in der Tatra geboren, das liegt
in Nähe von Poprad. Mit 14 Jahren ging ich
in die Lehre und lernte Buchdrucker. Ich
entschied mich für den Beruf, weil ich
schrecklich gerne las. Wir waren sehr arm
und ich hatte keine Bücher. Ich dachte
damals: In einer Buchdruckerei werde ich
genügend Bücher umsonst haben. Das war ein
großer Irrtum im Leben. Denn es war eine
kleine Druckerei, in der nur vier Leute
arbeiteten. Wir haben aber keine Bücher
gedruckt, sondern Kinokarten,
Eintrittskarten und ähnliche Dummheiten.“
Film:
Inferno in Bratislava / Tiso trifft den
deutschen Kanzler
In Adolf Burgers Heimat kommt im August 1938
der katholische Pfarrer Jozef Tiso an die
Macht. Tiso errichtet in der Slowakei einen
faschistischen Satellitenstaat Hitlers und
übernimmt praktisch alle Gesetze aus
Deutschland. Die politische Opposition wird
verboten und verfolgt, als erstes geht die
kommunistische Partei in den Untergrund. Und
im September 1941 treten auch die gegen
Juden gerichteten Nürnberger Rassengesetze
in der Slowakei in Kraft. Adolf Burger kann
aber weiter in einer Druckerei in der
Hauptstadt Bratislava arbeiten, da er als
Buchdrucker den Status einer Fachkraft hat.
„Dann
aber kamen drei Leute von der illegalen
kommunistischen Partei in die Druckerei und
sagten zu mir: ´Du könntest uns helfen
Menschenleben zu retten.´ Laut dem Gesetz
von Tiso mussten diejenigen, die vor 1938
getauft wurden, nicht zum Transport nach
Auschwitz – sie waren gerettet. Und das war
mein Ende. Selbstverständlich wollte ich
helfen, wenn es um Menschenleben geht. Ich
war damals 22 Jahre alt und wusste nichts
von der Untergrundbewegung, ich war auch gar
kein Held. Ich willigte ein. Bis 1942
druckte ich dann Taufscheine. Wir waren eine
Gruppe von sechs Leuten. Einige haben
Stempel gemacht, einige gingen zum Notar und
haben Bestätigungen machen lassen, und ein
Mädchen fungierte als Kurierin zwischen
Bratislava und Nitra, wo die Parteizentrale
war. Dann aber kam uns die slowakische
Gestapo auf die Schliche. Einen Tag vor
meinem 25. Geburtstag, es war der 11. August
1942, deswegen werde ich das nie vergessen,
kamen zwei Hlinka-Gardisten (slowakische SS)
und ein slowakischer Gestapo-Mann und
verhafteten mich und die anderen fünf. Nur
die Kurierin, die unterwegs war und gewarnt
wurde, haben sie nicht bekommen.“
Adolf Burgers Frau Gisela wird ebenso
verhaftet, nur weiß er das zu dem Zeitpunkt
noch nicht. Er kommt in Bratislava in ein
Gefängnis, in das täglich immer mehr
Menschen gebracht werden.
„Als wir etwa 300
waren, brachten sie uns mit Zügen nach
Žilina. Der Zug bleibt stehen, wir gehen
raus, und aus dem letzten Waggon steigen
Frauen und Kinder aus. Und dort sehe ich
dann auch meine Gisela. So kamen wir
also in das riesige Lager für 1000 Juden
nach Žilina. Von hier gingen die Züge
nach Auschwitz, Birkenau, Majdanek,
Bergen-Belsen – in all die
Vernichtungslager. Und in Košice,
Bratislava, Poprad und anderen Städten
waren kleine Lager, in die man die
verhafteten Juden gebracht hat.“
Gisela
Burger
Doch in Žilina bleiben
die Gefangenen nicht lang:
„Wir waren vielleicht
zehn Tage in dem Lager, bis wir rund
1000 Leute waren. Dann ließ man uns
antreten und die Hlinka-Gardisten
hielten eine Rede. Man sagte uns,
wir würden jetzt nach Deutschland
zur Arbeit fahren; weil dort für uns
alles schon vorbereitet wäre,
sollten wir bereits in einer Stunde
antreten mit nur einem Koffer in der
Hand. Alles andere, was wir dort
hingebracht hatten, mussten wir dort
lassen. Das war ein bestimmtes
System der Beraubung. Die
Hlinka-Gardisten waren dabei genauso
schlimm wie die deutsche SS. Wenn
eine Dame ein kleines Köfferchen
hatte und noch ein kleines Paket,
dann haben sie ihr mit
Gummischläuchen auf die Hände
gehauen, bis sie das Paket fallen
ließ.“
Jozef Tiso
Weder Adolf Burger noch
irgendjemand anderes in dem Lager
weiß in dem Moment jedoch vom
Holocaust und sie ahnen damit auch
nicht das wirkliche Ziel ihrer
Deportation: Auschwitz.
„Auschwitz war
allerdings gegenüber Birkenau sehr
rein gehalten. Jeder hatte sein
Bett. Das war noch Luxus, trotzdem
wir nur 300 Gramm Brot täglich
bekamen. Aber die Arbeit war
entnervend. Als ich am ersten Tag
mit 200 weiteren Häftlingen zur
Arbeit kam, war dort ein Waggon mit
Pflastersteinen. Den ganzen Tag hab
ich einen Pflasterstein nach dem
anderen 500 Meter weiter getragen
und niedergeworfen. Als wir am
nächsten Tag dorthin gingen, haben
wir dieselben Steine wieder zurück
in den Waggon getragen. Das war
schrecklich. Und der SS-Mann, der
uns bewacht hat, hatte Langeweile,
weil er dort stehen musste. Er sagte
immer: ´Komm, komm.´ Und wenn es ein
Franzose war, der ihn nicht
verstand, befahl er: ´zehn
Kniebeugen!´ Und so rief er einmal
auch mich, aber ich konnte Deutsch.
Ich laufe hin und schreie: ´Häftling
64.401 zur Stelle.´ Man durfte ja
keinen Namen nennen. Da schreit der
SS-Mann: ´Deinen Namen will ich
wissen!´ Ich von Neuem: ´Häftling
64.401´. Dann brüllt er: ´Deinen
Namen!´ Und ich sage: ´Adolf
Burger´. Noch bevor ich Burger sagen
konnte, hat er mir alle Zähne mit
dem Gewehrkolben ausgeschlagen. Denn
wie konnte ein Häftling Adolf
heißen? Ich habe geschrieen: ´Aber
ich heiße Burger, Adolf.´ Seitdem
habe ich keine Zähne mehr. So war
die SS – sie tat es auch aus
Langweile.“
Nach dieser brutalen Attacke trifft
Adolf Burger eine wichtige
Entscheidung:
„Mir war
bewusst, dass ich dort nicht mehr
existieren konnte. Ich ging also in
ein anderes Kommando, denn man
konnte sich aufstellen, wo man
wollte. Die Leute sind ja ständig
gestorben. Und so kam ich zu einem
der besten Kommandos, die es gab:
das Aufräumkommando. 400 Mann haben
in diesem Kommando die Koffer aus
den Transporten auf Kipplader
ausgeladen. In der nächsten Früh
haben wir dann den Inhalt der Koffer
sortiert. Zehn Jungs rissen die
Koffer auf, es gab ja keine
Schlüssel dazu. Ich habe immer
Gabel, Messer und Löffel
herausgenommen. Ein Junge neben mir
Schuhcreme, ein anderer Zahncreme,
ja nicht einmal die gebrauchten
Zahnbürsten durften verloren gehen.
Aber: In jedem Koffer war auch etwas
Brot. Die SS hatte nichts dagegen,
wenn wir das Brot genommen haben
oder wenn ich mein verlaustes Hemd
gegen ein frisches ausgetauscht
habe, es waren ja Tausende Hemden.
Und ich habe mich auf dem
Arbeitsplatz gewaschen. Im Lager
waren ja 100.000 Häftlinge ohne
Handtuch, ohne Seife, ohne Wasser,
ohne Hygiene. Die SS hatte auch
dagegen nichts, denn die hatte
genauso Angst, mit Typhus angesteckt
zu werden. Aber wir waren nur 400,
die diesen Vorteil hatten - von
100.000.“
Auschwitz
Und Adolf Burger bleibt
auch dann beim Aufräumkommando, als
es nach Birkenau verlegt wird. Dort
hat er Kontakt mit dem Frauenlager
und hofft, von seiner Frau zu
erfahren. Er muss unter anderem
Kleidung aus den Koffern dort
hinbringen. 200 Frauen sind dort
dann damit beschäftigt, alles zu
zählen und Lieferscheine zu
schreiben:
„Dort traf ich auch
ein Mädchen aus meiner Stadt, Vali
Kohn hieß sie. Ich durfte aber nicht
mit ihr reden, da dort der SS-Mann
stand, und ich hätte dann 20 Schläge
mit dem Stock bekommen. Aber eines
Tages sehe ich dort den SS-Mann
nicht und frage: ´Vali, wo ist dein
SS-Mann?´ Sie sagt: ´Er ist beim
Essen in der Kantine.´ Darauf ich:
´Kannst du mir nicht sagen, wo meine
Frau ist, hast du sie gesehen?´
Vali: ´Ich habe oft mit ihr
gesprochen, aber dann wurde sie zu
einem sehr schweren Kommando
eingeteilt, zu den Leichenträgern.
Doch dann war Selektion. Ein SS-Arzt
hat auf sie gezeigt und das
bedeutete, sie ging ins Gas.´ So
habe ich erfahren, dass meine Frau
vergast wurde.“
Gisela Burger
wird kurz vor Weihnachten 1942 von
den Nationalsozialisten umgebracht.
Die Tage, Wochen und Monate werden
für Adolf Burger endlos.
Druckmaschine,
die zur Herstellung gefälschten
Geldes genutzt wurde
„Aber irgendwann kam
plötzlich eine riesige Änderung. Wir
stehen wie jeden Tag beim
Zählappell, eine Stunde. Per
Lautsprecher wird der Befehle
gegeben: ´Die SS sucht fünf
Tischler, zehn Schneider und so
weiter.´ Auf einmal rufen sie
Nummern, darunter auch meine. Der
Befehl war, ich sollte mich am
nächsten Tag beim Lagerführer Höss
melden. Die ganze Nacht konnte ich
nicht schlafen, weil ich
schreckliche Angst hatte. Ich war
kein Held, auch wenn ich die
Taufscheine gedruckt habe, und ich
war es auch später nicht. Am
nächsten Morgen nach dem Zählappell
musste ich aber hingehen. Ich komme
in das Steingebäude und sehe die Tür
mit der Aufschrift ´Sturmbannführer
Höss, Lagerführer´. Ich klopfe,
trete ein und rufe: ´Häftling 64.401
zur Stelle´ - man durfte ja den
Namen nicht sagen. Dann schaut er
auf eine Karteikarte und fragt:
´Sind Sie Herr Burger?´ Ein
SS-Sturmbannführer nennt mich Herr?
Ich stottere jedenfalls: ´Ja´. ´Sind
Sie Buchdrucker?´ ´Ja.´ Da sagt er:
´Herr Burger, solche Leute wie Sie
brauchen wir in Berlin in den
Druckereien. Morgen kommen Sie von
hier fort und sie werden dort wieder
als freier Mensch als arbeiten
können.´ Und dann sagt er noch, dass
er mir viel Erfolg wünsche. Ich weiß
nicht, wie ich aus dem Zimmer wieder
herausgekommen bin. Ich konnte ihm
schließlich kein Wort glauben. Denn
Birkenau stand ja unter dem Befehl
N.N., also Nacht und Nebel. Das
heißt, niemand durfte Post
schreiben, niemand durfte wissen, wo
wir Häftlinge waren. Und er sagt
mir, dass ich von Birkenau wegkäme –
nie ist ein Mensch von Birkenau
weggekommen. Ich komme aber zu
meinem Block, und da sagt mir der
Stubendienst: ´Wart, wart, geh mal
nicht zur Arbeit. Von der
Schreibstube habe ich den Befehl
erhalten dir zu sagen, dass du dir
neue Häftlingskleidung holen und
dich morgen am Tor melden sollst,
weil du nach Berlin gehst.´ Da
glaubte ich, dass ein Wunder
geschehen ist und dass das wahr
ist.“
Konzentrationslager
Sachsenhausen
Was es mit dem
angeblichen Wunder auf sich hat,
erfährt Adolf Burger allerdings
nicht. Erst einmal muss er mit acht
weiteren Häftlingen, alles
Buchdrucker, zurück nach Auschwitz
in Quarantäne. Drei Wochen später
werden sie von SS-Leuten aus dem
Reichssicherheitsamt abgeholt.
„Sie bringen uns an
den Bahnhof von Auschwitz, plötzlich
kommt ein Schnellzug angefahren und
alle neun steigen wir neun. Ich
konnte meinen Augen nicht trauen.
Ansonsten sind Häftlinge nur in
Viehwaggons transportiert worden.
Ich muss sagen, die SS-Leute aus dem
Sicherheitsamt haben sich uns
gegenüber anständig verhalten. Sie
haben uns zu essen gegeben, haben
nicht gebrüllt, sondern sich mit uns
normal unterhalten. Aber sie haben
aufgepasst, immer war einer von
ihnen im Abteil. Wir fahren und
fahren also, und plötzlich kommen
wir in Berlin an. Und ich sehe auf
dem Bahnhof Frauen, Kinder,
Soldaten, er war voll. Das hatte ich
fast drei Jahre lang nicht mehr
gesehen.“
Gefälschte
Briefmarken
Es ist der 14. April
1944. Doch das Wunder stellt sich
nicht als solches heraus. Denn aus
Berlin fahren die sieben Gefangenen
mit einem Regionalzug weiter nach
Oranienburg, wo die SS-Leute ihnen
befehlen auszusteigen. Nach einer
halben Stunde Fußmarsch kommen sie
auf eine Lichtung. Adolf Burger
sieht die Aufschrift:
Konzentrationslager Sachsenhausen.
Was geht in ihm vor?
„Ich habe
überhaupt nichts gedacht. Denn
nichts konnte schlimmer sein als
Birkenau. In den Lagern, die in
Deutschland waren wie Sachsenhausen
oder in Österreich wie Mauthausen
herrschten Bedingungen, unter denen
man unter bestimmten Umständen die
Chance hatte zu überleben. Birkenau
war jedoch das Schlimmste, das es je
gegeben hat, es war die Hölle.
Selbstverständlich habe ich mir gar
keine Gedanken gemacht, ich habe nur
die Aufschrift Sachsenhausen
gesehen. Drinnen haben wir Karten
mit neuen Nummern erhalten, die uns
aber nicht eintätowiert wurden und
wir mussten erneut drei Wochen auf
Quarantäne. Dann kam ein SS-Mann in
den Quarantäne-Block und sagte: ´Ich
bin Hauptscharführer Werner, kommt,
Ihr geht auf Euren Arbeitsplatz.´
Nie hatte sich uns bisher ein
SS-Mann vorgestellt. Wir gehen durch
das ganze Lager zum südlichsten Teil
mit zwei Blöcken. Wie haben die
Blöcke aber ausgesehen? Die waren
von oben bis unten mit 1000 Volt
Hochspannung verdrahtet. Die Fenster
waren weiß getüncht, damit niemand
hineinsehen konnte. Und die beiden
Blöcke waren mit einem drei Meter
hohen Tor verbunden, damit man nicht
in den Hof schauen konnte.
Hauptscharführer Werner läutet, es
macht ein SS-Mann auf. Wir gehen in
den Block 18, und ich staune: Da
steht eine ganz moderne Druckerei.
Und wie die Häftlinge aussahen, die
hinter den Maschinen standen. Die
waren nicht kahl geschoren wie ich,
die hatten Haare auf dem Kopf. Und
sie trugen Lederschuhe. Und dann
sagt der SS-Mann: Hier werdet ihr an
der Produktion der englischen
Pfundnote arbeiten. Wir er das
sagte, dachte ich: Ende, hier komme
ich nie mehr lebend wieder heraus;
darum ist der Block so verdrahtet
und man kann nicht einmal
hereinsehen. Dann kommt der
Blockälteste, ein politischer
Häftling, Atze aus Berlin. Er zeigt
uns, wo wir schlafen werden, in
Block 19. Dort stehen blitzblanke
Doppelbetten mit weißen Leinen und
Kopfkissen. Ich lag ja vor drei
Wochen noch im Pferdestall, fünf
nebeneinander. Und wir gehen weiter
in den Gesellschaftsraum, in dem
Tische, Stühle und Bänke stehen. Auf
den Tischen liegen Tageszeitungen,
Schachspiele, Kartenspiele. Und die
ganze Zeit, da wir durch den Block
18 gehen, spielt Musik. Dann sagt
Atze: ´Ihr habt bestimmt Hunger´.
Und er kommt mit einem ganzen Brot
zurück und nicht nur 300 Gramm.“
Britische Jubiläumsbriefmarke
und
gefälschte britische
Jubiläumsbriefmarke
Am nächsten Tag schon steht Adolf
Burgers erster Arbeitstag in der
Druckerei an. Zur Begrüßung kommt
SS-Sturmbannführer Bernhard Krüger
und teilt den Häftlingen ihre
Aufgaben mit. Es geht vor allem um
das Fälschen ausländischer
Banknoten. Es ist die
Geldfälschaktion, die nach Krügers
Vornamen die offizielle Bezeichnung
„Aktion Bernhard“ erhält.
Das
Fälscherkommando nach der Befreiung;
zweite Reihe rechts: Adolf Burger
„Um zehn Uhr früh mussten wir
antreten. Die Häftlinge stellten
eine Kiste hin mit dem Papier von
der Firma Hahnemüller in Dassel für
die Pfund Sterling und
Sturmbannführer Krüger stellt sich
auf die Kiste. Er war ein schöner
junger Mann und sehr intelligent. Er
war im Reichssicherheitshauptamt
Chef der Abteilung für den Kampf
gegen Geldfälscher in ganz
Nazideutschland. Und er sagte: ´Ihr
wisst ja, dass hier englische
Pfundnoten gedruckt werden. Außerdem
machen wir aber englische,
amerikanische, schweizerische Pässe
und gegen die Russen
NKWD-Legitimationen, also Dokumente
aus der ganzen Welt für unsere
Spione. Die müssen aber genau sein.
Wenn Ihr gut arbeiten werdet, dann
wird Euch unser Endsieg belohnen.
Ihr werdet dann Villen erhalten,
Frauen könnt ihr haben, aber die
ganze Freiheit werde ich Euch nie
geben können. Wenn Ihr aber
sabotiert, werdet Ihr erschossen.
Abtreten!´ Das war seine
Begrüßungsrede. Danach kam ich
gleich zur Arbeit. Aber mein erster
Auftrag waren jugoslawische
Geldscheine. Ich habe
Millionensummen davon gedruckt, es
waren einfache farbige Banknoten.
Erst danach sind wir zum Druck der
englischen Pfund übergegangen.“
Mit der Verteilung der
jugoslawischen Banknoten sollen die
dortigen, nebeneinander bestehenden
Währungen entwertet und die
Finanzierung der Partisanen
torpediert werden. Die englischen
Pfund hingegen dienen zur direkten
Finanzierung der Kriegsmaschinerie
des Dritten Reiches. Doch die Chance
zur Sabotage durch die Häftlinge ist
gering. Erst als es an den
amerikanischen Dollar geht, heckt
Burgers holländischer Mithäftling
Abraham Jacobson einen Plan aus.
Gefälschte Geldnote
„Als wir das britische Geld druckten,
konnten wir nicht sabotieren, weil
die SS 20 jüdische Bankbeamten aus
ganz Europa in unseren Block brachte
und diese haben jede Pfundnote
durchleuchtet. Wenn wir sabotiert
hätten, dann wäre ich gleich
erschossen worden, sie wären sofort
draufgekommen. Als aber Krüger dann
den Druck des Dollar in Angriff
nehmen ließ, war das bereits eine
andere Sache. Denn er wollte ihn
nicht im Tiefdruck herstellen, das
hätte sehr lange gedauert, dazu
hätte eine Stahlplatte hergestellt
werden müssen. Er als Fachmann hatte
sich für den Lichtdruck entschieden.
Aber Jacobson sagte zu mir: ´Ada,
wir dürfen denen den Dollar nicht
geben, sonst verlängern wir den
Krieg nur.´ Außer mir und ihm war
niemand weiteres eingeweiht. Hätte
bereits ein dritter Häftling etwas
erfahren, wer weiß, ob das dann
nicht auch zur SS durchgedrungen
wäre. Sechs Wochen haben wir den
Dollar hinausgezögert, doch dann
bumm.“
Der nationalsozialistischen Führung
platzt der Kragen: Wenn nicht binnen
sechs Wochen der Dollar geliefert
werde, solle das Geldfälscherteam
erschossen werden. Zuvor hatte
Jacobson mit einem technischen Trick
den Druck aufhalten können.
Regelmäßig panschte er eine
bestimmte Gelantine für die
Druckplatten, die beim
Lichtdruckverfahren benötigt wird,
so dass sie letztlich immer
untauglich ist. Und Burger?
Konzentrationslager
Ebensee
„Ich lasse mich doch nicht
erschießen, nur um die Dollars zu
verhindern, ich bin ja nicht
verrückt. Dann kommen andere und
machen das. Dann frage ich Jacobson:
´Was machen wir jetzt?´ Er: ´Ich
mache jetzt eine gute Gelantine und
wir werden drucken, weil wir uns
nicht erschießen lassen.“
Drei Wochen arbeitet das Team Tag
und Nacht, denn der Termin ist sehr
eng gesetzt:
„Aber in der vierten Woche hat er
eine gute Gelantine hergestellt –
und die ersten 200 Dollarscheine
wurden perfekt. Werner rief dann
Krüger, und der kam mit zwei
Experten. Ich sehe das noch heute
vor mir. Wir mussten unsere 200
Scheine auf einem Tisch ausbreiten,
er zog aus der Brieftasche 50 echte
Scheine. Er sagte: ´Vermischt das!´
Dann rief er die Experten rein und
die suchten eine Stunde lang nach
den 50 echten Scheinen. Als sie 50
beisammen haben, sagt Krüger zu
Jacobson: ´Schau, ob da nicht auch
welche von Euch drunter sind.´ Dann
dreht er die Scheine um. Krüger:
´Was machst Du?´ Schauen Sie, Herr
Sturmbannführer, bevor ich unsere
Scheine auf den Tisch gelegt habe,
habe ich am Rand auf der anderen
Seite jeweils ein kleines Kreuz
gemacht, damit wir sie erkennen.
Alle Dollarscheine, die Ihnen die
Experten gegeben haben und ein Kreuz
haben, sind unsere.´ Mehr als die
Hälfte waren unsere. Krüger war
froh, auf zu Himmler, doch es war zu
spät. Wir hätten am nächsten Tag
eine Million Dollar drucken sollen,
doch dann kam vom Sicherheitsdienst
der Befehl, dass die Russen nur noch
110 Kilometer von Berlin entfernt
seien, die Maschinen sollten
demontiert, das Papier in Kisten
verpackt werden. Und von Schloss
Friedenthal, wo die Spionageschule
war, brachten sie mit einem kleinen
Lieferwagen das geheimste Archiv des
Sicherheitsdienstes. Der
Sicherheitsdienst musste ja auch
fliehen. Also haben wir das auch
verpackt. Mit 16 Eisenbahnwaggons
wurde alles weggeschafft. Warum aber
haben die uns nicht gleich in
Sachsenhausen umgebracht, als sie
erfuhren, dass die Russen kommen?
Nun, sie wollten die Dollars, sie
waren verrückt nach den Dollars. Die
dachten, wenn sie sich in Österreich
in den Alpen verstecken, könnten sie
noch die Dollars bekommen. Deswegen
wurden wir drei Wochen lang nach
Mauthausen geführt. Die Maschienen
waren schon aufgestellt, wir sollten
bereits drucken, nur die Amerikaner
rückten so schnell vor, dass es
nicht dazu gekommen ist. Aber sie
wollten die Dollars – um jeden
Preis.“
Adolf
Burger
Adolf Burger wird am 5. Mai 1945 aus
dem Konzentrationslager Ebensee in
der Steiermark in Österreich
befreit. Während die SS aus dem
Alpental flieht, besorgt er sich
einen Fotoapparat, um im
Konzentrationslager die Häftlinge zu
fotografieren. Die zehn Bilder mit
den ausgemergelten Gestalten werden
zur Grundlage seines ersten Buches
unter dem Titel „Nummer 64.401
erzählt“. Das Buch kommt im Sommer
1945 in Prag heraus. Später ergänzt
Adolf Burger in „Des Teufels
Werkstatt“ seinen Bericht um
Aktenbelege. Erst der Film „Die
Fälscher“ des österreichischen
Regisseurs Stefan Ruzowitzky, der
auf dem Buch „Des Teufels Werkstatt“
beruht, hat in diesem Jahr Burger
weltweit bekannt gemacht.
KZ-Häftlinge als Geldfälscher:
Das richtige Leben des Fälschers
"Endlich erzählt man meiner
Geschichte." Der Oscar für einen
Film über jüdische Falschgelddrucker
im KZ ist für Abraham Sonnenfeld
eine späte Genugtuung...
Source:
Czech Radio 7, Radio Prague
26.12.2007 - Begegnungen
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/98993
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