Bundesverband Informations-
und Beratungsstelle für NS-Verfolgte
eMail vom 05.03.1998 NewsBote
Mutmaßlicher
Nazi-Verbrecher verhaftet - Seit 1959 aktenkundig
Stuttgart (dpa) - Ein mutmaßlicher
Nazi-Verbrecher ist in Stuttgart verhaftet worden. Das ehemalige Mitglied der
Nazi-Behörde "Kommandeur der Sicherheitspolizei (KdS)" in der polnischen Stadt
Lublin wird vorgeworfen, 1942 und 1943 an der Tötung von mehr als 70 000
Menschen, vorwiegend Juden, beteiligt gewesen zu sein.
Der 78jährige habe sich bei einer Zeugenaussage in einem
anderen Nazi- Verfahren der Staatsanwaltschaft Dortmund (Nordrhein-Westfalen)
selbst belastet, berichtete die Staatsanwaltschaft Stuttgart am Mittwoch.
In Dortmund habe er ausgesagt, daß er bei der
sogenannten "Aktion Erntefest" im November 1943 im polnischen
Konzentrationslager Majdanek eigenhändig 500 Menschen, darunter auch Kinder,
erschossen habe. Nach Angaben des Privatsenders "Radio Regenbogen"
(Mannheim/Baden-Württemberg) handelt es sich um Alfons Götzfried. Die
Staatsanwaltschaft wollte dies weder bestätigen noch dementieren.
Bei der Zentralen Stelle zur Verfolgung von
Nazi-Verbrechen in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) ist Götzfried kein
Unbekannter. "In älteren Verfahren taucht er auf", sagte der Leiter der
weltweit größten Nazi-Fahndungsstelle, Oberstaatsanwalt Willi Dreßen.
Götzfried sei in den Archiv-Unterlagen der Zentralstelle
1959 als Mitglied der Nazi-Sondereinheit SS und der Dienststelle "Kommandeur
der Sicherheitspolizei" in Galizien namentlich verzeichnet.
Oberstaatsanwalt Dreßen konnte jedoch nicht sagen, ob er
damals in einem Verfahren lediglich als Zeuge oder als Beschuldigter vernommen
worden ist. Er sei nicht sehr intelligent gewesen, erklärte der Leiter der
Zentralstelle.
Der Verhaftete lebte bis 1991 in der damaligen
Sowjetunion, in Kasachstan. Dann kam er nach Deutschland, wo ihn die
Staatsanwaltschaft Stuttgart 1996 auf Bitten von Scotland Yard wegen eines
Nazi-Verfahrens in Großbritannien vernahm.
1997 habe sich das ehemalige Mitglied der
Nazi-Geheimpolizei (Gestapo) dann bei der Zeugenvernehmung in Dortmund selbst
belastet, hieß es. Er selbst sei nie auf einer Fahndungsliste aufgetaucht.
Der mutmaßliche Kriegsverbrecher wurde bereits am
Dienstag in seiner Wohnung in Stuttgart verhaftet. Der Haftbefehl erging wegen
Beihilfe zum Mord in mehr als 70 000 Fällen. Der Mann sitze in der
Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft, hieß es bei
der Staatsanwaltschaft.
Der 78jährige, der bisher von keinem Anwalt vertreten
werde, habe Haftbeschwerde eingelegt. Es bestehe keine Fluchtgefahr, habe er
argumentiert: "Wo soll ich denn hingehen?" Innerhalb von zwei Wochen müsse nun
das Landgericht Stuttgart darüber entscheiden, ob er auf freien Fuß komme.
Bislang sei er haftfähig, hieß es dazu. Allerdings sei seine Gesundheit
altersbedingt angeschlagen. Außerdem sei er jahrelang in einem sibirischen
Arbeitslager gewesen.
Bei der Anklagebehörde in Stuttgart sind noch drei
Verfahren gegen namentlich bekannte mutmaßliche Nazi-Verbrecher anhängig.
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