hagalil.com - bet-debora.de

http://www.hagalil.com

Neue Auslegungen

Frauen legen die Heiligen Schriften oftmals anders aus als Männer. Während Bet Debora fand vor allem ein von Eveline Goodman-Thau selbst verfaßter und von ihr vorgetragener Midrasch großen Anklang. In einigen Workshops und Schiurim zeigte sich, daß Frauen neue Fragen an die Tora stellen, eigene Schwerpunkte legen und dabei auch Tabus aufgreifen. Judith Frishman zeichnete in ihrem Vortrag Möglichkeiten einer feministischen Perspektive auf, die im Einklang mit einer "brauchbaren Vergangenheit" stehen.

Eine "nutzbare" Vergangenheit

Prof. Dr. Judith Frishman

"Durch Erforschung des Einzelnen zur Erkenntnis des Allgemeinen. Durch die Kenntnis der Vergangenheit zum Verständnis der Gegenwart. Durch Wissen zum Glauben." Dies ist das Motto Abraham Geigers, der führenden Persönlichkeit bei der wissenschaftlichen Erforschung des Judentums und einer der einflussreichsten Begründer des Reformjudentums. Er war ein Verfechter der Rechte der Frauen, Rabbiner der Oranienburger Synagoge und Dozent an der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. (...) 

In seinem klassischen Werk "Urschrift und Uebersetzung der Bibel" (1856) und später popularisiert in zwei Vortragsreihen: "Das Judentum und seine Geschichte" (1864-1865) und "Allgemeine Einführung in die Wissenschaft des Judentums" (1872-1874) beginnt der Autor seine Darstellung der jüdischen Geschichte mit der Zeit der Sekten, die kurz nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil um 533 v.d.Z. einsetzt.
Der Tempel war wiedererrichtet und Opfer und Priesterschaft wiederhergestellt. Die Davidische Linie jedoch wurde deshalb weniger wichtig, weil jene fremden Mächte, die nacheinander über Palästina regierten, kaum irgendeine politische Führerschaft duldeten. Eine Priesterfamilie stürmte vor, um die Lücke zu füllen und erklärte sich selbst zu den legitimen Führern des Volkes. Diese Söhne Zadoks gehörten einer Aristokratie an, die sich selbst mit dem Heiligtum identifizierten und für sich beanspruchten. Andere Priesterliche Familien wurden zur Seite gedrängt.

Pharisäische Revolution

Die Sadduzäer übernahmen die Syrisch-Griechische Kultur sehr schnell, die im 3. Jahrhundert V.d.Z. in Palästina eindrang, und mit ihrer Zustimmung wurde eine Statue des Zeus im Tempel aufgestellt und Spenden für die Errichtung eines Herkules geweihten Tempels gesammelt. Die Menschen widersetzten sich mehrheitlich diesem Niedergang und revoltierten gegen jene, die ihr geistiges Erbe konfiszierten – und nicht ihr Land und ihre materiellen Güter. Unter der Führung der Hasmonäer wurde der Tempel wieder erobert, aber die Mitglieder dieser verdrängten Priesterfamilie gingen schon bald Bündnisse mit der alten Aristokratie ein. Am Ende waren es die Pharisäer, die mit ihnen gemeinsame Sache machen sollten. Der Widerstand der Pharisäer bestand darin, die Heiligung des gesamten Volkes zu propagieren. Jeder war ein Priester und mußte als solcher den besonderen Reinheitsgesetzen verpflichtet sein und seine Nahrung im Zustand der Reinheit zu sich nehmen – wie die Priester, wenn sie ihre Opfer aßen. Die Pharisäer waren keine Haarspalter. Im Gegenteil, in Wahrheit bildeten sie den Kern des jüdischen Volkes. Sie kämpften für die Gleichstellung aller Klassen. Ihr Kampf war der ewige Kampf gegen die Priester, gegen Hierarchie, gegen die Favorisierung der jeweils eigenen Klasse und dagegen, daß man oberflächlichen Dingen größeren Wert beimißt. Nach Geiger schätzten die Pharisäer innere religiöse Erfahrung. Weil sie sich fürchteten, die Notwendigkeit zur Veränderung offen zum Ausdruck zu bringen, banden sie ihre neuen Regeln in traditionelle Begriffe ein. So beriefen sie sich auf die Schrift, statteten sie aber mit neuen, wenngleich überzogenen Interpretationen aus. Pharisäertum ist also nicht einfach der Name einer Bewegung des frühen Judentums, sondern steht für jenes Prinzip, das Evolution in die Weltgeschichte trägt. Der Kampf zu Geigers Zeit in Deutschland für eine fortschrittliche Gesellschaft gegenüber einer engstirnigen Aristokratie wiederholt im Grunde den Kampf der Pharisäer. Geiger dienten die Pharisäer als universelles Symbol des Fortschritts, und daher schrieb er die jüdische Geschichte neu, um sein neu geschaffenes Bild des rabbinischen Judentums einzuordnen. Er spürte, daß seine Herangehensweise anders war als die traditionelle, monolithische Sicht der Tradition. Sollte es je geschehen, als Resultat vielleicht der monolithischen Sicht, daß der Jude auf das Judentum zurückblickt und es als etwas ansieht, das der Vergangenheit angehört, und es doch blind aus einer Liebe für verwitterte Ruinen am Leben erhält, dann ist das Judentum tot, ein wandelndes Skelett auf dem Weg zu seinem Ende. Aber das könne nie geschehen – sagte Geiger –, denn das Judentum sei eine lebendige Tradition, in der innere schöpferische Kräfte das Judentum ständig zu verändern vermochten. Diese Vision des Judentums ist der Schlüssel zu Geigers Geschichtsschreibung. Seine Geschichte war nicht einfach eine Gegen-Geschichte, sondern, in den Worten Arnold Eisens, "die Rekonstruktion einer nutzbaren Vergangenheit", einer Vergangenheit, welche die religiöse Reform zu Geigers eigener Zeit rechtfertigen konnte, einschließlich der Veränderung für den Status der Frau.

Das Konzept "Tradition"

Die Notwendigkeit, eine nutzbare Vergangenheit zu konstruieren oder sich die jüdische Tradition in neuer Form anzueignen, ist ein relativ neues Phänomen, das fraglos in der Antwort auf die Krise aus dem Aufeinandertreffen zwischen Moderne und Tradition erwuchs. In der Tat – so, wie es Charles Liebman vorgeschlagen hat – ist selbst der Begriff Tradition eigentümlich modern. "Wir haben einen Begriff von Tradition", sagt er, "weil wir einen Begriff von uns selbst als von der Tradition verschieden haben. Die traditionelle Gesellschaft nimmt ihre Lebensrhythmen, einschließlich der Veränderungen als gegeben hin. Dies wird emotionell wie auch intellektuell, in Beurteilung und Handlungsweise von nicht hinterfragten Vorurteilen angeleitet. Mensch und Gesellschaft können in der Vergangenheit ihr Leben in vollkommenem Einklang mit der Tradition gelebt haben. Wenn dies aber so war, dann waren sie sich der Tradition nicht bewußt." Es ist das historische Bewußtsein seiner selbst, das im 18. und 19. Jahrhundert der Idee einer Tradition Auftrieb gab. Für Liebman "scheint die Schlußfolgerung daher plausibel zu sein, daß, ganz gleich, wie sehr eine moderne Gesellschaft auch behaupten mag, der Tradition treu zu sein, sie per definitionem nicht traditionell ist".

Man wird sich erinnern, daß Abraham Geiger dazu gebracht wurde, seine Sichtweisen auf das Judentum zunächst einmal deshalb zu überdenken, weil er die Historizität der Bibel angezweifelt hatte. Wenn sowohl die geschriebene als auch die mündliche Tora Israel nicht am Berge Sinai übergeben worden waren, welche Stellung nimmt dann die Bibel ein? In welcher Weise konnte sie als Gottes Offenbarung betrachtet werden? Welche Autorität hatten Mischna und Talmud, wenn sie als reine Produkte des Menschen erachtet werden sollten; was waren dann die Konsequenzen für die Halacha? Wenn das Judentum sich erwiesenermaßen entwickelt hatte, was war dann daran unveränderlich und was ewig? Für Geiger war es sicherlich nicht die Halacha, die er für ewig gültig hielt. Statt dessen sprach er - und griff hierbei Herders Gedanken auf - von einem religiösen Genius, einem religiösen Geist, der im Kollektiv der Israeliten wohnte (Volksgenius), denn es war das Volk der Offenbarung. Welche war dann die Rolle der Mizwot, der Gebote? Geiger unterschied zwischen Mizwot, die zum Kern des Judentums und denen, die zur äußeren Hülle gehörten. Bestimmte Gesetze und Bräuche betrachtete er als orientalisch und überholt. Indem er das tat, begab er sich auf ungesichertes Terrain und billigte so dem zeitgenössischen Bewußtsein und zeitgenössischer Sensibilität ein Mitspracherecht zu und auch seiner eigenen Sensibilität gegenüber der Ansicht, welche die christlichen Gesellschaft vom Judentum hatte. Es ging also nicht nur um ein kritisch historisches Studium, sondern um ein individuelles, intellektuelles und moralisches Anliegen, das Geigers Rekonstruktion der Geschichte und Neuformulierung der Tradition bestimmte. Und diese so charakteristischen Faktoren für die Moderne, zwingen uns dauerhaft, die Formen der Tradition neu zu formulieren.

Die Wichtigkeit einer kritischen, historischen Studie spiegelt ohne Zweifel seine Bedeutung für jüdischen Feminismus und Frauenstudien ganz im allgemeinen wider. Für jüdische Frauen bestand das Problem in zweierlei Hinsicht. Nicht nur ist ihnen – uns! – nur ein sehr eingeschränkter Raum in der traditionellen (kanonischen) Literatur zugestanden worden, sie sind auch mehr oder weniger aus den historischen Studien zu jüdischer Geschichte und Kultur herausgestrichen. Heute jedoch muß man nur einmal die Regale der örtlichen Buchhandlung oder der (Universitäts-)Bibliothek sorgfältig durchgehen, um zu entdecken, daß viele moderne Gelehrte, männlich wie weiblich, sich den feministischen kritischen Ansatz zu Herzen genommen und die Geschichte der Frauen in ihre Werke integriert haben, wenn auch vielleicht nur zusammenfassend oder in einem Versuch der Political Correctness. Im ersten Schritt galt es, die Rolle der Frau zu bestimmen, wie sie in den Quellen dargestellt wurde. Das kritische Studium der Mischna beispielsweise hat verdeutlicht, daß Frauen nur in Bezug auf Männer betrachtet werden und hier besonders in all jenen Situationen, in denen die Kontrolle des Mannes über die Frau auf dem Spiel steht. Feministische Hermeneutik des Zweifels hat uns gelehrt, Texte zu dekonstruieren, um den Beweis eines weiblichen Handelns und weiblicher Stärke zu entdecken, im Gegensatz zu dem, was auf der Grundlage eines vorgeschriebenen Verhaltens erwartet wird. Ergänzend dienen mehr und mehr ausgewählte Beweismittel von schriftlichen Dokumenten, die nicht zum Kanon gehörten, wie Heiratsverträge und im Zusammenhang mit archäologischen Ausgrabungen entdeckte Grabsteine dazu, ein neues Bild von dem zu entwerfen, wie insgesamt die Gesellschaft in rabbinischer Zeit ausgesehen haben könnte. Sicherlich ist all diese erhöhte, neu ausgerichtete Aktivität das Ergebnis modernen Bewußtseins und moderner Sensibilität. (...)

Feministische Historiographie

Die "Rückkehr zur Tradition" ist, wie ich bereits erwähnt habe, auch bei einzelnen Juden spürbar. Für viele spiegelt diese Rückkehr das Bedürfnis nach einer generationsimmanenten Verbindung mit der Vergangenheit wider. Für eine kleinere Anzahl ist diese Rückkehr aufrichtig motiviert durch das Verlangen, sich in einem volleren und reicheren Leben mit religiöser Praxis einzubringen, das von der Tora im Allgemeinen oder, etwas spezifischer, von der Halacha geprägt ist. Für manche hat der Wunsch, in der Halacha zu verbleiben, zu einer Suche nach der wahren Natur und der Funktion der Halacha geführt. Eliezer Berkovits den Beweis geführt, daß nicht die Halacha es ist, sondern ihre heutigen Interpreten, welche die Milderung des Unrechts gegenüber Frauen unmöglich machen, wie die ungelösten Probleme der Scheidungsgesetze und der Aguna es bezeugen. Und doch ist für Berkovits und andere liberale Halachiker Veränderung möglich.

Judith Hauptmann in ihrem Buch "Rereading the Rabbis" und Daniel Boyarin mit seiner brillanten Auslegung talmudischer Texte in seiner Publikation "Carnal Israel", haben die jüngsten Versuche unternommen, das rabbinische Judentum für den Feminismus zu retten. Keiner von beiden, meiner Meinung nach, übrigens besonders erfolgreich. Boyarin hat in der Tat ein besseres Argument für die Akzeptanz dessen, was er "verweiblichte" Männer oder "Schwächlinge" in rabbinischer Tradition nennt, als vergleichsweise für die befähigte ("empowered") Frau. Das Resultat einer Gleichsetzung dieser, von der Norm abweichenden männlichen Rolle mit der jüdischen Frau muß nicht, und dessen ist sich Boyarin bewußt, notwendigerweise positiv sein.

Die beiden Autoren, deren neue Theologien meines Erachtens höchste Aufmerksamkeit verdienen, sind Judith Plaskow und Rachel Adler. Plaskow unterteilt ihre Theologie in "Standing again at Sinai" in die Triade von Tora, Israel und Gott und macht dabei Gebrauch von traditionellen Kategorien, die sie aber im selben Moment verändert. Sie betrachete die Tora zu allererst als Geschichte, die Erinnerungen aus der Vergangenheit beinhaltet, aber eine unvollendete Vergangenheit ist. Feministische Historiographie, schreibt sie, "kann neue Fragen eröffnen, die man an die Vergangenheit stellt, und ein breiteres Bild von jüdischer religiöser Erfahrung bieten. Es muß jedoch zuerst einmal mit feministischem Midrasch und Liturgie verbunden werden, bevor es die jüdische Beziehung mit Gott und der Welt formen, ein Teil des kollektiven Gedächtnisses der Gemeinschaft werden und also zur Umwandlung der Tora beitragen kann." Plaskow will die Realisierbarkeit des Gesprächs mit Gott im Judentum wiederherstellen, indem man eine neue Sprache gebraucht. Ist Halacha dann aber Teil dieser Sprache? Die Autorin ist sehr darauf bedacht, durchweg über die Tora und nicht über die Halacha zu sprechen. Für sie ist Gesetz nur ein Aspekt der Tora und sicherlich nicht deren Kernstück. Tatsächlich sieht unsere Autorin überhaupt davon ab, ein Wesen des Judentums zu identifizieren, wie es von einer patriarchalen Gesellschaft gebildet ist, dergemäß der Wille des Mannes gleich der Gottes wird. Obwohl sie in ihrer Ablehnung der Halacha weniger radikal ist als in früheren Essays und nicht darauf besteht, daß Gesetz antithetisch zu einem weiblichen Verständnis des Lebens ist, betont Plaskow das Konzept der Gesetzesbildung als einem gemeinsamen und gemeinschaftlichen Prozeß im feministischen Judentum, was es, wie sie sagt, im traditionellen rabbinischen Judentum nicht ist. Aber am Ende warnt sie, daß sogar wenn Feministinnen eine Position gegenüber der Halacha sich vorstellen können, die mit einer radikalen Veränderung in der Halacha vereinbar wäre, sie im selben Moment mißtrauisch gegenüber der Behauptung sein müssen, ohne Halacha gebe es kein Judentum. Also muß Tora, obschon sie definitiv den Midrasch umfaßt – jene Methode, mit der Frauen dort eine Vergangenheit erschaffen können, wo sich keine entdecken läßt –, nicht notwendigerweise Halacha beinhalten. Es mag in der Tat, wie es Buber empfand, mit der Möglichkeit kollidieren, unmittelbar mit Gott zu kommunizieren.

Feministische Jurisgenese

Rachel Adler verwendet in "Engendering Judaism. An Inclusive Theology and Ethics" eine leicht abgeänderte Strategie. Anstatt die Tora zu verändern, verändert sie die Bedeutung der Halacha. Halacha ist nicht beschränkt auf "klassische Halacha", sondern ist eine Neuerung. Halacha übersetzt die Geschichten und Werte des Judentums in eine andauernde Aktion. Halacha ist in diesem Sinne ein integraler Bestandteil nicht nur der Orthodoxie, sondern jeder Art des Judentums – hier paßt Adler die Halacha den Juden erneut an. Halacha ist authentische Sprache des Judentums, um jenes System der Pflichten auszudrücken, die den Inhalt des Bundes ausmachen. Es ist die Praxis einer Gemeinschaft, die in jüdischen Geschichten gründet. Wie Plaskow besteht auch Adler darauf, daß, wenn die Praxis in der Tat die Verkörperung von Werten und Verpflichtungen ist, die einer bestimmten Geschichte innewohnen - und zwar in Form einer Aktion zu einem bestimmten Zeitpunkt - , die Geschichten der Frauen und deren Werte und Verpflichtungen miteinbezogen werden müssen . Wenn man anerkennt, daß jede Gesellschaft ein menschliches Konstrukt ist, das man nur in einem Kontext verstehen kann (das heißt durch ein kritisches historisches Studium), weist Adler den Begriff einer von Gott offenbarten Halacha zurück. Anstatt eine irreparable Halacha zu reparieren, ruft sie nach einer feministischen Jurisgenese, die eine Welt mit gesetzlicher Bedeutung regenerieren würde, in der die Geschichten, Träume und Offenbarungen jüdischer Frauen und Männer vollständig und auf komplexe Weise integriert sind.

Sie entleiht Robert Covers Rechtskonzept als einen Brückenschlag zwischen der realen Welt – unsere Welt der Normen und Verhaltensweisen in Antwort auf jene Normen – und der anderen Welt – die anderen normativen Welten, die wir uns vorstellen mögen. Gesetz ist dann weder die reale noch die andere Welt, sondern das, was die Kluft überbrückt: ein zuverlässiges Sozialverhalten, das die Art und Weise ausmacht, in der eine Gruppe Menschen den Versuch unternimmt, von hier nach da zu gelangen. Für Adler wird die Halacha nicht von Orthodoxien oder Visionen ("Es ist nicht im Himmel") am Leben erhalten oder erneuert, sondern durch Verpflichtungen von Gemeinschaften, um entweder dem Gesetz, so wie es ist, zu gehorchen oder ihm zu widerstehen und es zu verwerfen, um eine andere, alternative Vision des Gesetzes auszuleben. Auch für Plaskow geht das Problem der Authorität in der Frage auf, ob die Urgemeinde, der sie verantwortlich ist, ihre Bilder von Gott, oder von der Tora oder Israel als zwingend erachtet.

Ich möchte mit einer Geschichte des Baal Schem Tow, des Begründers des Chassidismus, als einer Parabel über das momentane Dilemma der Juden, und etwas allgemeiner, der modernen religiösen Situation schließen: Der Baal Schem Tow pflegte, wann immer er mit einer schwierigen Aufgabe konfrontiert war, in den Wald zu gehen. Er zündete ein Licht, sprach ein Gebet, und was er sich zu tun angeschickt hatte, war getan. In der nächsten Generation wußte sein Schüler, der Maggid von Meseritz, zwar nicht mehr das Licht zu zünden, aber er kannte den Ort und das zu sprechende Gebet. Die dritte Generation konnte weder das Licht zünden noch das Gebet sprechen, aber konnte noch immer den heiligen Ort im Wald finden. Alle Generationen seither können nicht einmal mehr dies. Was können sie, was können wir tun? Sind wir beschränkt auf das bloße Wiedergeben dieser Geschichte und auf die Hoffnung, daß dies die selbe Wirkung haben wird, wie die Handlungen der anderen drei Generationen? Nicht wenn es nach den Frauen geht. Wir haben unser eigenes Feuer, unsere eigenen Gebete und unsere eigenen Orte, die wir finden müssen, um jene Wirkung zu erzielen, die andere Lichter und andere Gebete anderer Juden in der Vergangenheit gehabt haben.

Auszüge aus dem Vortrag, den die Autorin auf der Tagung (Bet-Debora) hielt; übersetzt aus dem Englischen von Esther Kontarsky.

Judith Frishman, geboren 1953 in New York, lebt in Amsterdam. Sie ist sowohl Professorin für Geschichte des rabbinischen Judentums an der Katholisch Theologischen Universität in Utrecht als auch Professorin für die Geschichte der Jüdisch-Christlichen Beziehungen in der Moderne an der Universität Leiden. Sie ist aktives Mitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde der Niederlande. 

[photo-exhibition] - [program] - [reactions]
[history of women in the rabbinate] - [women on the bima]
[start in german] - [start in english]

every comment or feedback is appreciated
iris@hagalil.com

http://www.hagalil.com





content: 1996 - 1999