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Editorial
 

"Es stockten die Wanderzüge, 
   die Straßengänger gingen krumme Wanderpfade, 
   das Bauerntum stockte in Israel. 
   Es stockte, bis du aufstandst, Debora." 
   (Ri. 5,6)

"Debora ist gut!" Sie war Richterin, sie war Prophetin, sie war eine militärische Führerin. Aber sehen wir uns als ihre "Töchter" oder als ihre "Schwestern"? Eben hatte Rachel vorgeschlagen, unserer Tagung den Namen "Deboras Töchter" zu geben. Aber warum bezeichnen sich Frauen so oft in biologischen Linien? Ist unser Thema nicht viel größer – geht es nicht um den Geist – um Schülerinnen – um eine Schule – um einen Ort, den wir schaffen wollen? So wie die Schule von Hillel? - "Bet Debora!", rief Rachel. – Ja! Ein "Bet" – ein Haus, ein Ort der Begegnung und des Lernens. Ein geistiges Zentrum, das neue Ideen in die Welt trägt.

Wir drei Frauen saßen an einem großen Tisch, auf dem sich inzwischen viel Papier stapelte, und überlegten, welche Gestalt ein Forum für "rabbinisch gelehrte und interessierte" jüdische Frauen in Europa haben sollte. Als wir sagten, wir beschränken uns auf Europa, meinten viele: "Na, da werdet ihr kaum Rabbinerinnen finden, vielleicht ein paar in England, und noch Bea Wyler in Oldenburg. Ihr solltet Referentinnen aus Amerika und Israel einladen." Aber genau das wollten wir nicht. Wir wollten uns nicht wieder am Ausland orientieren, uns von Juden aus den USA oder Israel belehren lassen, was unser Judentum sein soll. Hatten wir nicht schon längst etwas Eigenes aufgebaut? Und nicht nur wir, sondern viele Jüdinnen und Juden in anderen Ländern Europas auch?

Wir sind drei Frauen in Deutschland, dem Land, von dem viele sagten, daß es niemals mehr ein authentisches jüdisches Leben hervorbringen würde. In diesem Bewußtsein sind wir aufgewachsen. Bei all den unterschiedlichen Erfahrungen, die wir drei einbrachten, waren wir uns in einem zutiefst einig: Wir waren es leid, immer wieder zu hören, was wir hier nicht haben, was angeblich hier nicht möglich sei, weil wir das Wissen um unsere Tradition verloren hätten. Wir hatten genug davon, uns selbst zu bemitleiden! Wir wollten etwas machen. Jede von uns hatte gelernt, sich jüdisches Wissen angeeignet, sich mit ihrer jeweils brüchigen jüdischen Familiengeschichte auseinandergesetzt – schmerzvoll – jedoch mit einem Ergebnis: Wir sind hier und bleiben hier. Und wir leben hier als feministisch engagierte Frauen.

Was waren unsere Vorstellungen von Bet Debora? - Keine Hierarchie, keine Konkurrenz, keine Mehrheitsentscheidungen! Alle haben etwas einzubringen. So erlebten wir schon unsere Zusammenarbeit bei der Vorbereitung: Jede von uns konnte ihren Stil, ihr Wissen und ihre Wünsche einfließen lassen. Wir sind aneinander gewachsen und haben viel voneinander gelernt. Das wünschten wir uns auch für "Bet Debora". Aus ganz Europa luden wir zu einer ersten Tagung europäische Rabbinerinnen, Kantorinnen und rabbinisch gelehrte und interessierte Jüdinnen und Juden nach Berlin ein. Für vier Tage im Mai 1999 sollte das historische Gebäude der ehemaligen Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße im Zeichen eines Aufbruchs stehen.

Die Beiträge in diesem Journal zeugen von der Vielfalt und Lebendigkeit unserer Tagung, zu der 200 Frauen und Männer aus 16 Ländern gekommen sind. Das Journal erscheint in drei Sprachen – Deutsch, Englisch und Russisch. Es geht über eine reine Tagungsdokumentation hinaus. Neben Auszügen aus den gehaltenen Vorträgen und Workshop-Beschreibungen enthält es Essays, Reflexionen und Gespräche. Uns war es wichtig, auch die Teilnehmerinnen selbst zu Worte kommen zu lassen. Wir waren überwältigt von den vielen Texten, die uns erreicht haben. Leider ist der Platz begrenzt. Fast alle Artikel mußten wir kürzen, damit sie auch erscheinen konnten. Die vollständigen Versionen und alles, was uns noch erreichen wird, stellen wir in unsere Bet Debora Homepage ins Internet (http://www.hagalil.com/bet-debora).

Bet Debora geht also weiter! Neben unserer Homepage und diesem ersten Journal unternehmen wir Schritte zur Errichtung einer eigenen Bibliothek mit angeschlossenem Archiv. Wir sammeln Gedrucktes und Handgeschriebenes, um das Leben und Wirken jüdischer Frauen zu dokumentieren. Wir träumen von einem eigenen Lehrhaus mit Verlag. In jedem Fall möchten wir zum Aufbau eines europäisch-jüdischen Frauennetzwerks beitragen.

Für das Frühjahr 2001 planen wir ein zweites großes Treffen, auf dem wir aus Frauensicht Fragen zum Thema "Familie" aufwerfen wollen: Ist die Familie immer noch die Basis jüdischen Lebens, und wer gehört überhaupt dazu? Wie sieht es aus mit Singles, lesbischen Paaren, Kindern jüdischer Väter oder Alleinerziehenden? Wie verändert die bestehende Vielfalt von Lebensformen das Judentum und seine Weiterentwicklung? Wir freuen uns über alle Anregungen – via Post, Telefon, Net oder Fax.

Auch Reaktionen auf dieses Journal sind willkommen und mögen zu weiteren Diskussionen führen. Wir danken dem Bundesfrauenministerium, insbesondere Anna-Gertraude Schmidt und Gudrun Dölling, für die Finanzierung dieses Journals. Wir danken Gabi Burde und Judith Kessler für ihren unermüdlichen Einsatz bei der graphischen Gestaltung. Wir danken allen Autorinnen für ihre Beiträge und allen Übersetzerinnen für die große Leistung, die sie innerhalb kürzester Zeit vollbrachten. Nicht zuletzt danken wir unseren Freundinnen und Freunden für ihren Ansporn und ihre geistige Unterstützung.

 Rachel Monika Herweg
 Lara Dämmig
 Elisa Klapheck

[INHALTSVERZEICHNIS BET-DEBORA JOURNAL]

[photo-exhibition] - [program] - [reactions]
[history of women in the rabbinate] - [women on the bima]
[start in german] - [start in english]

every comment or feedback is appreciated
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content: 1996 - 1999