Waren die Makkabäer Fundamentalisten?
VON
OBERRABBINER CHAIM EISENBERG / WIEN
Nach den fürchterlichen Ereignissen vom 11.September wird das Wort
"Fundamentalist" häufig verwendet. Darum wollen wir, bevor wir die
Titelfrage beantworten, zunächst das Wort definieren.
Nicht alle sehr religiösen Menschen sind
Fundamentalisten. Fundamentalismus ist oft zunächst nach innen, auf die
eigenen Glaubensbrüder gerichtet.
Fundamentalismus ist, wenn man
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darauf achtet, ob der andere fromm genug
ist.
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wenn man Zwang, politische Mittel oder
sogar Gewalt anwendet, um den anderen zum fromm sein zu zwingen. Erst dann
richtet sich der Fundamentalismus auch nach außen.
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Und hier kann es durch den Missbrauch von
religiösen Ideen für politische oder nationalistische Zwecke zu Gewalt und
Unheil kommen.
Die jüdische Religion ist ein Glaube, der
nicht nur dem Einzelnen gilt. Die Gemeinschaft ist wichtig und jeder ist für
den anderen mit verantwortlich. Die Thorah (Wajikra, Vers 19) geht sogar so
weit, dass sie uns vorschreibt, unseren Nächsten zurecht zu weisen, wenn wir
sehen, dass er eine Sünde begeht. Ist das nicht Fundamentalismus?
Wer aber diese Mizwa genauer betrachtet und
ihre Details bei den Poskim (Gesetzesauslegern) nachliest, wird verstehen,
dass man dieses Gebot mit Takt und Liebe ausführen soll; dass man niemanden
beschämen darf, sondern dass man mit Überzeugungskraft und friedlichen
Mitteln den anderen Juden auf den richtigen (religiösen) Weg führen soll.
Wie war das zur Zeit der Makkabäer? Haben
nicht der alte Priester Matitjahu und seine Söhne auch Gewalt angewendet und
zwar nicht nur gegen die Griechen sondern auch gegen die jüdischen
Helenisten? Das beste Gegenargument, das mir einfällt ist, dass es sich
nicht um einen Angriff der Makkabäer handelte sondern um einen
Verteidigungskrieg.
Es waren die Griechen, die im Tempel zu
Jerusalem ihre Götzenstatuen aufstellten. Sie wollten ihre Kultur und
Religion allen eroberten Völkern aufzwingen und die Makkabäer riefen zur
Verteidigung des jüdischen Glaubens auf Und wenn es um Selbstverteidigung
geht, ist das Judentum eindeutig dafür! Es wäre auch den Makkabäern nie
eingefallen, den besiegten Griechen den jüdischen Glauben aufzuzwingen!
Aber im Tempel von Jerusalem einen anderen
Glauben zu zelebrieren und dort mit der Aufstellung von Statuen der
griechischen Götter zu provozieren — hier muss eine Verteidigung erlaubt
sein. Wir können also beruhigt sein. Die Makkabäer waren keine ,,Fundis" und
wir dürfen umso mehr das Chanukkafest mit Lichtern und Dank an den Ewigen
feiern!
Dezember 2001 - Kislew/Tewet 5762 / Gemeinde
/ Wien 12-2001
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