Jahrtausendausstellung im
Wiener Jüdischen Museum:
"Zur Geschichte der Zukunft im
Judentum"
Mit seiner
jüngsten Ausstellung deckt das jüdische Museum in Wien gleich mehr als sechs
Jahrtausende ab. Die jungen Ausstellungsmacher Werner Hanak (Kurator) und
Christian Prasser (Architekt) setzen den Beginn der Zukunft mit einer
Rauminstallation von George Segal bei der "Vertreibung aus dem Paradies",
dem Garten Eden an: Eva und Adam als die ersten Menschen, die mit einem
unsicheren Morgen konfrontiert sind.
Am anderen Ende steht
die Zukunft, verkörpert durch eine Milleniumsuhr, die die verbleibenden Tage
zum Jahr 2000 der herkömmlichen und die knapp 240 verbleibenden Jahre zum
Jahr 6000 der jüdischen Zeitrechnung zählt. Dazwischen: der Mensch in seinem
jeweiligen Zeitrahmen, der durch die Jahreszeiten und die Erfordernisse in
der Landwirtschaft, durch den religiösen Jahreszyklus, durch seinen
Lebenszyklus vom Geburt bis zum Tod und nicht zuletzt durch sein
geschichtliches Bewusstsein, das ihn immer wieder die Zukunft - manchmal in
Form religiösen Messianismus, manchmal als utopische Judenstaat-Projekte -
erdenken lässt, festzumachen ist.
Zwischen Utopia und
Makom heißt der Abschnitt der Ausstellung, der die Suche nach dem idealen
und dem sicheren Ort thematisiert. Unter anderem wird die wenig bekannte
Geschichte von Birobidschan thematisiert. Das südostsibirische Gebiet
Birobidschan wurde am 7. Mai 1934 zur "Jüdisch-Autonomen Region" innerhalb
der Sowjetunion erklärt. Tatsächlich kam es in der Folge zu einem
Aufschwung, und zwischen 1936 und 1938 lebten dort rund 20000 Juden. Die
Verfolgung politischer und kultureller jüdischer Institutionen und ihrer
Mitglieder in einer zweiten sogenannten "Säuberungswelle" Ende 1948 brachten
das Ende dieser für kurze Zeit realisierten Utopie.
Von jedem zweiten Raum
der Ausstellung kann man eine Installation mit dem "Vogel, der die Wahl hat"
von Avraham Ofek sehen. Die Ausstellungsmacher sehen die Wahl zwischen zwei
oder mehreren Möglichkeiten als Grundbedingung für den Einzelnen, seine
Zukunft selbst zu gestalten. Die Metapher des Vogels ist auch beim
Prunkstück der Ausstellung im Erdgeschoß des Museums gegeben: dem
Originalmosaik der Synagoge von Zippori (Sepphoris). Das 13,5 x 4,5 Meter
große Bodenmosaik stammt aus dem 5. Jahrhundert und wurde von den
Archäologen bei seiner Entdeckung 1993 mit "Versprechen und Erlösung"
betitelt. Es ist erst- und zugleich letztmalig in Europa ausgestellt, denn
nach seiner Rückführung wird das vollständig restaurierte Mosaik wieder am
Fundort eingelassen. Das Mosaik, das zuvor am Israel Museum in Jerusalem
ausgestellt war, zeigt Darstellung jüdischer Symbole wie der Menorah, den
Tierkreiszeichen sowie figurale Darstellungen aus der Bibel wie die Opferung
Isaaks oder der Besuch der drei Engel bei Abraham und Sarah.
Dem dreitausend Jahre
alte hebräischen Kalender von Geser zu Beginn der Ausstellung setzten die
Ausstellungsmacher am Ende des Ausstellungsrundgangs zwei für die Besucher
zugängliche Computer, die einen Zugang zur jüdische Religion im Internet
anbieten, entgegen. Erstmals wurde ein Audio-Guide erstellt, der den
Besuchern auf Deutsch und auf Englisch durch die Ausstellung führt.
Eden - Zion - Utopia.
Zur Geschichte der Zukunft im Judentum
Bis 20. Februar 2000, Jüdisches Museum der Stadt Wien.
Öffnungszeiten: Sonntag bis Freitag 10 - 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr.
Zur Ausstellung ist ein gleichnamiger Katalog im Wiener Picus-Verlag
erschienen.
Informationen: Tel 0043-1-535 0431; Internet
www.jmw.at
Jüdische Rundschau Nr.
48 vom 2. Dezember 99
Anton Legerer, Jr./ anton@hagalil.com