
Keine Verbrechen gegen
die Menschlichkeit:
Profit aus
Zwangsarbeit in exklusive Mode investiert
Insgesamt 150
Zwangsarbeiter haben in den Kriegsjahren bei Hugo Boss in Metzingen SS-, SA-
und HJ-Uniformen genäht. Eine Untersuchung über diese Zeit, die der
Modekonzern vor zwei Jahren selbst in Auftrag gegeben hat, wartet immer noch
auf ihre Veröffentlichung.
Von Thomas Spengler
Im Frühsommer 1997 hat es die
Hugo Boss AG in Metzingen kalt erwischt. Als die Schweizer
Bankiersvereinigung auf internationalen Druck die Liste nachrichtenloser
Konten aus der NS-Zeit veröffentlichte, tauchte auch der Name 'Hugo Boss,
Metzingen' auf. Plötzlich sah sich der Modekonzern wieder mit der
nationalsozialistischen Gesinnung des Namensgebers der inzwischen weltweit
bekannten Marke konfrontiert.
Doch als international renommierte
Blätter Titelzeilen wie ''Der braune Boss-Boß'' oder ''Fashion for
Fascists'' (Mode für Faschisten) brachten, reagierte die Unternehmensführung
vor zwei Jahren prompt. Unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Joachim
Vogt wurde die Tübinger Historikerin Elisabeth Timm beauftragt, eine Studie
zur Aufarbeitung der braunen Vergangenheit der Metzinger Modemacher zu
erstellen. Auf die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse aber wartet die
Öffentlichkeit noch heute. Inzwischen ist zwischen dem Unternehmen und der
Autorin eine Kontroverse um die Frage entstanden, ob die Untersuchung nun
tatsächlich fertig gestellt wurde oder nicht. Die Studie stehe erst ''kurz
vor dem Abschluss'', heißt es dazu bei Boss in Metzingen. Das sei falsch,
sagt dagegen die Historikerin Timm. Sie habe ihre Arbeit bereits zu Beginn
des Jahres abgeschlossen und wundere sich, warum das Unternehmen ihre Arbeit
seitdem unter Verschluss halte.
Hugo Boss, der 1923 das
Textilunternehmen am Rande der schwäbischen Alb ins Leben rief, hatte
zunächst recht glücklos agiert und sein Unternehmen sieben Jahre später in
den Konkurs geführt. Das Los wendete sich schließlich für Boss, als er durch
den raschen Eintritt in die NSDAP Gesinnung mit Erfolg zu koppeln wusste.
Nachdem er zunächst mit der Produktion von Arbeitskleidung begonnen hatte,
ließ er unter den Nazis fortan in Metzingen Uniformen für die SS, die SA und
die Hitlerjugend schneidern und entwickelte sich damit zum Profiteur der
nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. Wie andere Textilunternehmen
forderte auch die Firma Hugo Boss, Uniform- und Kleiderfabrik, Metzingen,
während des Krieges Zwangsarbeiter zur Aufrechterhaltung der Produktion an.
Insgesamt wurden Boss in der Zeit von 1940 bis Kriegsende 150 osteuropäische
Zwangsarbeiter - die meisten aus Polen - zugeteilt, bestätigt ein Sprecher
des Unternehmens. Hinzu kamen 30 französische Kriegsgefangene. Untergebracht
waren sie zusammen mit den Zwangsarbeitern von rund 20 anderen
Textilbetrieben in einem Sammellager in Metzingen, an dem auch die Gemeinde
als Gesellschafterin beteiligt war.
Nach dem Tod des Firmengründers im
Jahr 1948 führten sein Sohn Siegfried sowie dessen Schwiegersohn Eugen Holy
das Unternehmen weiter. Zunächst wurden Uniformen für Post und Eisenbahn
genäht, bevor in den 50er Jahren mit der Produktion von Herrenanzügen
begonnen wurde. Die Weichen hin zum weltweit erfolgreich agierenden
Modekonzern stellten schließlich die Enkel Uwe und Jochen Holy, die die
Firma Ende der 60er Jahre übernahmen.
Immerhin, die Untersuchung der von
dem Unternehmen beauftragten Historikerin habe bisher ergeben, dass es ''im
Rahmen der Zwangsarbeit keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit'' gegeben
habe, heißt es bei Boss. Außerdem sei es ''Teil der Unternehmenspolitik,
allen berechtigten Ansprüchen ehemaliger Zwangsarbeiter zu entsprechen'', so
die offizielle Sprachregelung des Unternehmens. Was diese Formulierung aber
genau bedeutet, könne man noch nicht sagen, heißt es bei Boss. Momentan
werde auf Vorstandsebene diskutiert, wie man mit dem Thema Zwangsarbeiter
umgehen werde. Dies könne sowohl den Beitritt zur Stiftung der Deutschen
Industrie zur Entschädigung von Zwangsarbeitern als auch die Gründung einer
eigenen Stiftung zum Ergebnis haben, sagt ein Sprecher. ''Ende des Jahres,
vielleicht auch erst Anfang nächsten Jahres'' wolle man dann an die
Öffentlichkeit gehen.