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Am Tag der geplanten Abschiebung:
Kirchenasyl als letzter Ausweg

9-11-99 Die lettische KZ-Überlebende Skaidrite Zeire hat am Tag ihrer geplanten Abschiebung aus Deutschland Asyl in der evangelischen Kirchgemeinde Sülzenbrücken bei Erfurt erhalten. Zeire war eigenen Angaben zufolge im KZ Salapils in Lettland geboren und bis November 1943 mit ihrer Mutter dort inhaftiert. Auch ihr Vater sei in diesem Lager aus politischen Gründen gefangengehalten worden; seine Spur verliere sich im KZ Bergen-Belsen. Als spätere Direktorin der KZ-Gedenkstätte in Salapils sei sie in ihrer Heimat von Neonazis verfolgt worden.

Thüringens Innenminister Christian Köckert (CDU), von 1987 bis 1991 selbst Pfarrer, übte heftige Kritik am Kirchenasyl. Die Gemeinde müsse wissen, ob sie Frau Zeire unterstützen oder beim Abtauchen in die Illegalität behilflich sein wolle, warnte Köckert. Zeire habe nun keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz. Dies gelte auch für die medizinische Versorgung.

Frau Skaidrite Zeire soll nach Lettland abgeschoben werden:
Nazi-Terror ist kein Asylgrund

PRESSEMITTEILUNG: Flüchtlingsrat protestiert gegen Abschiebung eines NS-Opfers aus Lettland - Petitionsausschuß wird übergangen - Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und das Bekenntnis von Tampere

Die Ausländerbehörde der Stadt Erfurt will Frau Skaidrite Zeire nach Lettland abschieben. Skaidrite Zeire überlebte als Kind das lettische Konzentrationslager Salapils. Nach der Besetzung Lettlands durch die deutsche Wehrmacht am 22. Juni 1941 wurde ihr Vater Otto Kukutz am 31.07.1941 wegen seiner politischen Tätigkeit verhaftet. Vom 01.08.1941 bis zum 21.08.1944 war er im Konzentrationslager Salapils inhaftiert und wurde dann in das Lager Bergen-Belsen verlegt, wo sich seine Spuren verlieren. Die Mutter von Frau Zeire, Viktoria Kukutz war ebenfalls Häftling im Konzentrationslager Salapils. Sie wurde zur Entbindung von Skaidrite in das Gefängnis in Riga verlegt, am 18. April 1942 jedoch mit ihrer Tochter zurück in das Konzentrationslager Salapils verbracht. Dort waren Mutter und Tochter bis zum 18. November 1943 inhaftiert.

Skaidrite Zeire war von 1970 bis 1975 Direktorin der Gedenkstätte für KZ-Opfer. Sie war Mitbegründerin der "Gesellschaft ehemaliger Häftlinge (Erwachsene und Kinder) des Salapilsker Konzentrationslagers". Im Rahmen dieser Tätigkeit war sie auch an der Enthüllung von Veruntreuungen aus Entschädigungsfonds beteiligt. Sie wurde daraufhin stark unter Druck gesetzt.

Im Jahre 1994 drehte der schwedische Regisseur Göran Larsson einen Film über das ehemalige Konzentrationslager Salapils, der unter anderem in den USA und in Deutschland aussgestrahlt wurde. Daraufhin wurden Frau Zeire sowie vier weitere Menschen, die im Film mitwirken, verbal und physisch bedroht. Frau Zeire bezeichnet die Aggressoren als Neo-Nazi-Gruppe, die mit der illegalen Organisation "Erinnerung" zusammenarbeiten würde. Bereits 1989 habe der Terror angefangen, sich jedoch mit dem Film verschärft, so daß seit 1994 die jährlichen Treffen ehemaliger Gefangener des Konzentrationslagers aus Sicherheitsgründen nicht mehr durchgeführt werden konnten. Frau Zeire erklärte, durch Staat und Polizei nicht geschützt zu sein.

Im Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention!

Frau Skaidrite Zeire reiste am 29. April 1996 von Lettland nach Deutschland ein. Ihr Asylverfahren wurde negativ beschieden. Im Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention gewährt Deutschland Opfern nichtstaatlicher Verfolgung - die durch den Staat nicht verhindert werden - grundsätzlich kein Asyl.

Frau Zeire befallen in Anbetracht ihrer Abschiebung panikartige Angstzustände. Das amtsärztliche Gutachten, das Frau Zeire Reisefähigkeit bescheinigt, hält der Flüchtlingsrat für inakzeptabel. Seit ihrem Eintreffen in Deutschland befindet sich Frau Zeire in ärztlicher Behandlung. Wegen ihrer Herz- und Nervenkrankheit erhielt sie eine Wohnung. Bereits in Lettland war Frau Zeire aufgrund ihres Nervenleidens als nur bedingt arbeitsfähig und Invalidin (Stufe 3) eingeordnet. Aufgrund ihrer Angst vor einer zwangsweisen Abschiebung wird Frau Zeire nun versuchen, "freiwillig" auszureisen.

Am 31. August 1999 wandte sich Rechtsanwalt Michael Hiemann an den Petitionsausschuß des Thüringer Landtages, um aus humanitären Gründen ein Bleiberecht für Frau Skaidrite Zeire in Deutschland zu erwirken.

Aufgrund der Neukonstituierung des Landtages und der Ausschüsse hat sich der Petitionsausschuß noch nicht mit der Petition befaßt. Angesichts der Tragweite des Falls hält der Flüchtlingsrat die Einleitung der Abschiebung ohne Berücksichtigung der Entscheidung des Petitionsausschusses für skandalös: "Die Petition wird so zu einer Farce."

Bereits unter SPD-Innenminister Dewes wurden Ausländer abgeschoben, ohne die Entscheidung des Petitionsausschusses abzuwarten. "CDU-Innenminister Köckert will offensichtlich die Mißachtung des Landtagsausschusses fortsetzen und Abschiebungen um jeden Preis vollziehen", so der Flüchtlingsrat.

Eine Abschiebung oder erzwungene "freiwillige Ausreise" steht nach Auffassung des Flüchtlingsrates auch im Widerspruch zum Bekenntnis des Europäischen Rates beim Sondergipfel in Tampere am 15./16. Oktober 1999, "die uneingeschränkte und allumfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention" zur Grundlage einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik zu machen. Mehrfach haben britische Gerichte Deutschland als unsicheres Asylland eingestuft, da nichtstaatliche Verfolgung bei der Asylprüfung in Deutschland - wie bei Frau Zeire - unberücksichtigt bleibt.

Der Flüchtlingsrat fordert, daß dem Bekenntnis von Tampere nun konkrete Handlungsschritte auch in Thüringen folgen müssen.

Am 19. Oktober wandte sich der Flüchtlingsrat schriftlich an den Thüringer Innenminister, die Ausländerbehörde der Stadt Erfurt, die (zukünftigen) Mitglieder im Petitionsausschuß, den Ausländerbeauftragten des Landes und die Ausländerbeauftragte der Stadt. Wenn eine Prüfung der Dokumente die Angaben von Frau Zeire bestätigen, muß ihr nach Auffassung des Flüchtlingsrates ein Aufenthaltsstatus in Deutschland zugebilligt werden.

"Es wäre unvertretbar, ein Opfer des Nationalsozialismus an den Ort seiner Traumatisierung abzuschieben. Wir halten es für dringend geboten, eine Entscheidung zu treffen, die der Verantwortung im Umgang mit der deutschen Geschichte gerecht wird", appellierte der Flüchtlingsrat.

Für Rückfragen stehen Ihnen Sandra Jesse (0361-2172720) und Julika Bürgin (0361-2172711) gerne zur Verfügung.

Flüchtlingsrat Thüringen e.V. Rudolfstr. 47 / Gebäude E2 99092 Erfurt Telefon: 0361-21727-20 Telefax: 0361-21727-27 E-mail: fluechtlingsrat-thr@dgb-bwt.de Internet: www.fluechtlingsrat-thr.de

haGalil 10-99

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