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Otto Graf Lambsdorff:
Überlebende der Shoah fordern Ablösung
Presseerklärung / 22.8.99: Wir
Ueberlebende der Shoah, der Konzentrationslager und der Zwangsarbeit
fordern die Bundesregierung und die betroffenen Firmen der
Unternehmensstiftung auf,den Beauftragten fuer die Verhandlungen zur
Entschaedigung der Zwangsarbeiter und anderer NS-Opfer, Otto Graf
Lambsdorff, von seinem Amt zu entbinden.
Entgegen seiner Angabe über seine
beginnende politischen "Laeuterung" durch den Eindruck der Nuernberger
Kriegsverbrecherprozesse, hat Otto Graf Lambsdorff 1952 in seiner
Funktion als 1. Bezirksvorsitzender und Hauptgeschäftsfuehrer in Aachen
und ab 1953 als Mitglied des Landesvorstandes der FDP in NRW sich in
Wort und Tat zum politischen Helfershelfer von Nazikriegsverbrechern
gemacht.
Nach den Recherchen des Wuppertaler
Historikers Stephan Stracke ist der Vorstand der FDP in Aachen 1952 vom
rechten Fluegel der FDP übernommen worden. Der Vorstand in Aachen
bestand damals aus den NS-vorbelasteten Herren H. Schaefer und R. Weege,
und aus Otto Graf Lambsdorff, dem Bezirksvorsitzenden von Aachen-Land.
Die offen rechtsradikale Ausrichtung der
FDP in NRW ist der Oeffentlichkeit durch die zeitgeschichtliche
Forschung u.a. von Norbert Frei, Ulrich Herbert und Ralph Schleimer
bekannt. Bisher unbekannt ist die aktive Rolle von Otto Graf Lambsdorff.
In einem TAZ Interview vom 26.4.1994 führte Lambsdorff noch aus: "Fuer
mich war es ein langsamer Prozeß, zu erkennen, was die Deutschen
angerichtet hatten. Das ging schrittweise und stand in Verbindung zu den
Nuernberger Prozessen. Das war schlimm, so hatte ich mir Deutschland
nicht vorgestellt."
Herr Lambsdorffs Erinnerung ist sehr lueckenhaft. 1952, einige Jahre
nach den Nuernberger Prozessen, hat er sich als Funktionaer der FDP
aktiv an einer Politik beteiligt, die die Verbrechen des
Nationalsozialismus verharmlost, und die Partei für Nazi-Moerder
ergreift.
Hier die wesentlichen Fakten: - Am 26.
Dezember 1952 gelang 7 hollaendischen Kriegsverbrechern die Flucht aus
dem Gefaengnis in Breda. Einer der Flüchtigen, Antoine Touseul, von
einem hollaendischen Gericht zu lebenslaenglichem Gefaengnis verurteilt,
begab sich nach Aachen und waehlte als Anlaufpunkt das Buero des
Chefredakteurs der Aachener Nachrichten und 2. Kreisvorsitzenden der FDP
Hermann Schaefer. Schaefer war als ehemaliger HJ-Führer mit
vielfaeltigen Kontakten zu NS-Funktionseliten den Fluchthelfern wohl
bekannt. Touseul wurde aufgenommen, verpflegt und untergebracht. Die
Funktionaere der FDP in Aachen waren sehr hilfsbereit, es kam zu
mehreren Treffen mit Touseul.
Auch Otto Graf Lambsdorff traf mit dem
verurteilten, fluechtigen Kriegsverbrecher zusammen, so die Aussage von
Lambsdorff in dem Vernehmungsbericht der BKA Sicherungsgruppe Bonn
vom 22. Januar 1953. Am 9. Januar 1953 begleitete Schaefer T.
persoenlich zu einen Gespräch mit dem FDP Bundestagsabgeordneten Erich
Mende ins Bundeshaus nach Bonn- Mende erklärte sich einen Tag spaeter
oeffentlich für den steckbrieflich gesuchten Kriegsverbrecher und lehnte
die geforderte Auslieferung an Holland ab. Nach dem Gespraech mit Mende
taucht der Gesuchte wieder im Raum Aachen unter, erst Monate spaeter
wird das belgische Mitglied der Waffen-SS verhaftet. In einem
spektakulären Prozeß 1954 wird er aber freigelassen, weil er als
SS-Angehoeriger die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hatte.
- Lambsdorff hat sich öffentlich in
Veranstaltungen für eine Generalamnestie für Kriegsverbrecher stark
gemacht. Zu nennen ist hier besonders eine Veranstaltung mit dem
Kriegsverbrecher Dr. Werner Best zum Thema Generalamnestie, bei der
Lambsdorff die Begrüßungsworte sprach. Best war Stellvertreter Heydrichs
bei der Gestapo, Chef der Innenverwaltung im besetzten Frankreich und
Reichsbevollmaechtigter in Daenemark Lambsdorff war bekannt mit dem
Freiherrn von Rechenberg, der die FDP auf den Kurs der "Nationalen
Sammlung" fuehrte und unterhielt Kontakt zum Außendienstgeschäftsfuehrer
für Aachen, zu dem ehemaligen SD-Mann und SS-Standartenführer, Karl
Peter Marks. Über seine Mitarbeit im Landesvorstand war er eingebunden
in die Kreise um Friedrich Middelhauve, Ernst Achenbach, Werner Best,
Wolfgang Dierwege.
- Nach den Verhaftungen des
Naumann-Kreises im Januar 1953 betrieb die FDP in Aachen unter der
Verantwortung von Lambsdorff, Weege und Schaefer, darüberhinaus den
bundesweit einzigen Versuch eine Kundgebung gegen die Verhaftungen zu
organisieren. Erst auf Intervention der Bundes-FDP konnte das Vorhaben
gestoppt werden.
Lambsdorff ist in seiner Funktion als
Verhandlungsfuehrer der Bundesregierung für uns als Überlebende
untragbar. Wer Nazikriegsverbrecher trifft, unterstützt, ihre Kampagnen
mittraegt und persoenlich mit ihnen Veranstaltungen abhaelt, hat sich
disqualifiziert für Verhandlungen mit den Üeberlebenden der Shoah, der
Konzentrationslager und der Zwangsarbeit. Wir appellieren an die
Verbaende der Opfer, an die Anwaelte, aber auch an die Politiker und an
die oeffentliche Meinung im In- und Ausland. Sorgen Sie mit uns dafür,
daß Otto Graf Lambsdorff von der Bundesregierung aus den Verhandlungen
zurueckgezogen wird. Gleichzeitig fordern wir erneut die
schnellstmoegliche Entschaedigung aller ZwangsarbeiterInnen und
NS-Opfer. Die betroffenen Menschen wollen und koennen nicht mehr laenger
auf die sogenannte "Rechtssicherheit" für die deutschen Unternehmen
warten. Und natuerlich bestehen wir darauf, daß ein Vertreter der
ZwangsarbeiterInnen in der geplanten Stiftung Sitz und Stimme erhält.
Erstunterzeichner und -
unterzeichnerinnen:
Esther Bejarano, Auschwitz-Komitee,
Zwangsarbeiterin bei Siemens, Lagergemeinschaft Ravensbrück/
Freundeskreis e.V. Peter Gingold, Auschwitz-Komitee, Vizepraesident des
Verbandes der Deutschen in der Resistance (D.R.A.F.D.) Kurt Goldstein,
Vizepraesident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Ehrenvorsitzender
der IVVDN Waltraud Blaß, Zwangsarbeiterin bei Siemens,
Lagergemeinschaft Ravensbrueck/ Freundeskreis e.V. Gertrud Müller,
Ehrenvorsitzende der Lagergemeinschaft Ravensbrueck / Freundeskreis
e.V., Internationales Komitee Ravensbrueck
Wir werden auf einer Pressekonferenz am
Dienstag zusaetzliche Materialien praesentieren.
Kontakt über 0202 / 318606
PRESSESPIEGEL
haGalil 24-08-99
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