Generalstaatsanwalt Elyakim Rubinstein bestätigte in
einem Gutachten, dass in einigen Räumen des Gebäudes tatsächlich
politische Aktivitäten stattfänden. Laut Ansicht der israelischen
Regierung widersprechen solche Aktivitäten dem Abkommen von Oslo, was
nun vom Rechtsberater der Regierung bestätigt wurde. Rubinstein
präzisierte allerdings, dass nur die drei Amtsräume —
das Büro für nationale Institutionen, ein geographisches
Überwachungszentrum sowie ein Büro für nationale Forschung
— geschlossen werden und nicht das gesamte 'Orient House'. Im
weiteren riet Rubinstein der Regierung, die politischen Konsequenzen
einer etwaigen Schliessung vorsichtig abzuwägen.
Die Palästinenser, vor allem der Hausherr des
'Orient House', Faisal Husseini, machen geltend, dass das Gebäude der
PLO einem rechtlich gesehen privaten Verein gehöre und nicht der
palästinensischen Autonomiebehörde. Das 'Orient House' dient den
Palästinensern als inoffizielles Aussenministerium und war der
rechtskonservativen Regierung von Benjamin Netanyahu seit Amtsantritt
ein Dorn im Auge. Politische und soziale Aktivitäten der Palästinenser
in Jerusalem widersprechen nach israelischer Ansicht dem Abkommen von
Oslo.
Schon vor seiner Wahl hatte Netanyahu erklärt, dass
er den Aktivitäten Einhalt gebieten werde, doch ebenso wie seine
Vorgänger liess er die Palästinenser nach seinem Amtsantritt
stillschweigend, gewähren. Bloss von Zeit zu Zeit stiess er Drohungen
aus, denen aber nichts weiteres folgte. Wenige Wochen vor den Wahlen
muss Netanyahu nun aber doch Farbe bekennen. Vor einigen Wochen liess er
von Polizeibeamten Warnungen an die Türen umstrittener palästinensischer
Amtsräume anschlägen, doch dann wurde angeblich ein Kompromiss
ausgehandelt, der die israelische Regierung — zur
Überraschung von Beobachtern —
angeblich zufriedenstellte.
Doch nachdem Palästinenserführer Faisal Husseini
alle in der Heiligen Stadt tätigen Generalkonsuln am israelischen
Unabhängigkeitstag, zu einem Briefing ins 'Orient House' zitiert hatte,
erklärte Ministerpräsident Netanyahu, dass man, nun genug habe und die
ständigen Provokationen der Palästinenser nicht länger hinnehmen könne.
Zuerst wurde der neben dem 'Orient House' gelegene Club für ehemalige
Gefangene polizeilich versiegelt. Polizeiminister Kahalani präzisierte,
dass bis zur Schliessung der Büros im 'Orient House' noch eine Weile
vergehen könne, da die Palästinenser vermutlich alle Rechtsmittel
ausschöpfen werden. Seine Beamten sammelten unterdessen Beweismaterial,
das die angeblich illegalen Aktivitäten der Palästinenser bezeugen
werde.
Sowohl Palästinenser wie auch israelische
Oppositionspolitiker tun den Schliessungsbefehl als Wahlpropaganda ab.
Präsident Weizman nahm mal wieder kein Blatt vor den Mund
— am Unabhängigkeitstag hatte er öffentlich erklärt, dass im Land
Änderungen überfällig seien, drückte sein Missfallen über den
angekündigten Schritt aus. Nach einem Treffen mit dem zu Besprechungen
in Israel weilenden russischen Aussenminister erklärte er, dass ein
vereinigtes Jerusalem zwar eine Priorität des jüdischen Staates
darstelle, dass aber der Friedensprozess nicht wegen umstrittener
Aktivitäten in einem Gebäude gefährdet werden dürfe.
Für die Palästinenser stellt das 'Orient House' eine
rote Linie dar, und sie werden den Kabinettsbeschluss wohl in den
israelischen Gerichten anfechten. Husseini unterstrich, dass er sich
nicht in die Ecke drängen lasse. Zur Unterstützung wandte er sich erneut
an die Generalkonsuln. Die israelische Polizei wappnete sich am Freitag
für Unruhen, die für die Zeit unmittelbar nach den Freitagsgebeten auf
dem Tempelberg befürchtet wurden, doch verlief die Andacht ohne
Zwischenfälle. Dennoch bleiben für die kommenden Tage weiterhin grosse
Sicherheitskontingente in Jerusalem aufgeboten.
G. Szpiro / NZZ