Neue Hoffnung in Israel:
Armee und Geheimdienst in Alarmbereitschaft
Etwa 4,3 Millionen Stimmberechtigte sind heute in Israel dazu aufgerufen,
ein neues Parlament (Knesset) und einen Ministerpräsidenten zu wählen. Schon
zum Auftakt zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. Bis zum frühen
Nachmittag gab bereits mehr als jeder dritte Wahlberechtigte seine Stimme
ab, wie die Wahlkommission mitteilte. Das sei mehr als bei den letzten
Wahlen vor drei Jahren.
Den letzten Meinungsumfragen vor Wahlbeginn zufolge hat Barak
einen Vorsprung von sieben bis zehn Prozent der Wählerstimmen gegenüber
Netanyahu und nähert sich den notwendigen 50 Prozent. Rund acht Prozent
der Wähler haben sich jedoch bisher als unentschlossen deklariert. Ein
Sieg des Chefs der Arbeitspartei, Barak, würde einen Machtwechsel von
Rechts nach Links bedeuten.
Meinungsforscher erwarten, daß die Stimmen des Vorsitzenden der
neugegründeten Zentrumspartei, Yitzhak Mordechai, und des Chefs der
arabischen Balad-Partei, Azmi Bishara, nach deren Verzicht eher Barak
zugute kommen. Für Netanyahu werden vermutlich die Anhänger Benjamin
Begins der rechtsstehenden Herut-Partei stimmen. Wie schon vor drei
Jahren dürfte auch dieses Jahr das Votum der 550.000 wahlberechtigten
russischstämmigen Juden den Ausschlag geben. Immerhin geht es um eine
Gruppe von 15 Prozent der Wähler.
Vor dem Wahltag war es in einigen Städten zu blutigen
Zusammenstößen zwischen Anhängern Netanyahus und Baraks gekommen.
Angesichts der herrschenden Hochspannung sind heute 15.000 Polizisten
rings um die Wahllokale postiert, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu halten
und Wahlfälschungen zu vereiteln.
Israels Armee und Geheimdienste wurden in erhöhte
Alarmbereitschaft gesetzt. Die "Jerusalem Post" berichtet, dies sei aus
Furcht vor möglichen Anschlägen radikalislamischer Palästinenser
geschehen. Konkrete Hinweise gebe es nicht. Terroranschläge islamischer
Extremisten hatten vor den Parlamentswahlen im Jahr 1996 einen
Meinungsumschwung in Israel ausgelöst. Netanyahu gewann daraufhin
überraschend die Wahlen. Der für einen Friedensschluß mit den
Palästinensern eintretende Interims-Premier Shimon Peres von der
Arbeitspartei wurde abgewählt.
Ethnische und religiöse Differenzen
Der Ausgang der Wahlen ist von entscheidender Bedeutung für den
Friedensprozeß im Nahen Osten. Die Zukunft der explosiven Region spielte
im Wahlkampf allerdings eine eher untergeordnete Rolle. Beherrschende
Themen waren die ethnischen und religiösen Differenzen innerhalb der
israelischen Gesellschaft.
Netanyahu schürte im Wahlkampf Hass und Ängste
Der 50jährige Netanyahu, Vorsitzender des rechtsgerichteten
Likud-Blocks, versuchte im Wahlkampf die Ängste der Bevölkerung zu
schüren - wie 1996, als er auf die Furcht vieler Israeli vor Anschlägen
palästinensischer Extremisten setzte. Er beschuldigte Barak, Jerusalem
teilen und Zugeständnisse eingehen zu wollen, die lediglich zu neuen
Gewalttaten radikaler Palästinenser führen würden.
Barak als Erbe Rabins
Der 57jährige Barak parierte die Angriffe geschickt. Einerseits
präsentierte er sich als Erbe des 1995 von einem jüdischen Extremisten
ermordeten Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin, der die Oslo-Abkommen mit
den Palästinensern abschloß und den Friedensvertrag mit Jordanien
unterzeichnete. Andererseits konzentrierte sich Barak, der dem rechten
Flügel der Arbeitspartei angehört, auf Sicherheitsthemen und verwies auf
seine Leistungen als hochdekorierter Militär und ehemaliger
Generalstabschef der Armee.
Wirtschafts- und Sozialpolitik im Mittelpunkt
Mangels palästinensischer Attentate geriet der Sicherheitsaspekt
zunehmend in den Hintergrund - zugunsten von wirtschaftlichen und
sozialen Fragen. Auf diesem Gebiet ist die Bilanz der Regierung
Netanyahu alles andere als brillant.
Die Arbeitslosenrate ist seit Netanyahus Amtsantritt um zwei
Prozentpunkte auf 8,7 Prozent gestiegen. Der Ministerpräsident versuchte
dies zu überspielen, indem er Salz in alte israelische Wunden streute
und insbesondere den Streit zwischen den Sephardim, den orientalischen
Juden, und den aus Europa stammenden Aschkenasim weiter anheizte.
Knesset nach Neuwahl noch stärker zersplittert
Egal, ob Barak oder Netanyahu das Rennen macht, der Sieger wird
mit einem schwer zu regierenden Parlament konfrontiert sein. Die Folge
dieser Konstellation könnte die Bildung einer sogenannten Regierung der
nationalen Einheit sein.
Tatsächlich könnte aus den Parlamentswahlen eine Knesset
hervorgehen, die noch stärker in Fraktionen zersplittert ist als die
bisherige. Zur Wahl am Montag tritt eine Rekordzahl von mehr als 30
Parteien an.
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Montag 17-05-99 |