Anton Legerer, jr. (anton@hagalil.com)
Jüdische Rundschau / 18
Der Gemeinderat der Stadt Wien beschloss letzten Donnerstag die
Einrichtung einer eigenen Kommission, die über die Rückgabe von arisierten
und heute im Besitz der Stadt befindlichen Kunst- und Kulturgegenständen
beraten soll. Mit diesem Beschluss reagieren die Stadtväter auf die
Ergebnisse einer im Vorjahr begonnenen Durchforstung der Museums-,
Bibliotheks-, Archivs- und Sammlungsbestände, die allein im Historischen
Museum der Stadt Wien 700 Erwerbungen zutage brachte, die aus heutiger Sicht
zweifelhaft erscheinen.
Die Mehrzahl der Erwerbungen wurde über das Dorotheum, das als
Drehscheibe der nationalsozialistischen Hehler in Wien fungierte,
abgewickelt. Das Historische Museum der Stadt Wien tätigte so etliche
Erwerbungen. Die Abwicklungsdokumentation des Dorotheums wurde
allerdings bei einem Brand nach 1945 vernichtet, sodass der
ursprüngliche Arisierungsvorgang heute nur bedingt nachvollziehbar ist.
Die mangelhafte Archivlage mag wohl der Grund dafür sein, dass der
fünfköpfigen Kommission drei Juristen und nur zwei Historiker
(Kunstgeschichte und Zeitgeschichte) angehören werden.
Auch die nach dem Krieg durch Nötigung von den ehemaligen Eigentümern -
im Gegenzug etwa für eine Ausfuhrbewilligung für andere Kunstgegenstände
- erpressten Objekte sollen - wie zuletzt bei der Familie Rothschild,
deren nach dem Krieg durch Nötigung enteignetes Eigentum sich in
Beständen von Bundesmuseen befand - ausgehändigt werden. In all jenen
Fällen, in denen die Eigentümer bzw. deren Nachkommen nicht mehr
ausfindig gemacht werden können, werden die unrechtmässig erworbene
Kunstgegenstände an den Nationalfonds für die Opfer des
Nationalsozialismus zur Verwertung übergeben.
Trotz der nun beschlossenen Expertenkommission hält sich die Stadt zwei
Hintertüren offen: die Kommission wird erstens nur über jene Fälle
beraten, die der Kulturstadtrat von sich aus vorlegt. Zweitens kann die
Kommission nur Empfehlungen über die Rückgabe, nicht jedoch die Rückgabe
selbst beschließen. Dafür ist wieder der Kulturstadtrat zuständig. Wenig
überraschend aber doch bezeichnend ist, daß der Text für den
Gemeinderatsbeschluß ebenfalls vom Kulturstadtrat stammt. Eine
Fristsetzung für den Abschluß der Rückgaben ist nicht vorgesehen, als
Indikator für eine längerfristige Prozedur kann die Amtsperiode für die
Mitglieder der Kommission herangezogen werden: sie beträgt jeweils zwei
Jahre.