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Ein Bericht von Wilfried Prill, Georg Restle

MONITOR 20.05.99 http://www.ard.de - http://www.wdr.de

Klaus Bednarz: "Unser Bericht (MONITOR - 20-05-98) führt uns in die Zeit, in der, wie wir bis vor kurzem irrtümlicherweise glaubten, Deutschland zum letzten Mal Krieg geführt hat, in die Zeit des Dritten Reiches. Es geht um den größten deutschen Medienkonzern, eines der größten Unternehmen unseres Landes überhaupt, um Bertelsmann, und um die Rolle, die dieser Konzern in der Nazi-Zeit gespielt hat. Ein "Widerstandsverlag" sei er gewesen, verkündet heute voller Stolz die Firmenleitung. Ein Verlag, der von den Nazis verfolgt und schließlich sogar geschlossen wurde. Eine schöne Geschichte, die nur einen Haken hat: Sie stimmt nicht. Im Gegenteil: Die Erfolgsgeschichte von Bertelsmann wäre ohne die Geschäfte mit der Kriegs- und Nazi-Propaganda kaum möglich gewesen."

Bestseller im Dritten Reich:
Die braune Vergangenheit von Bertelsmann

New York, Medienhauptstadt der Vereinigten Staaten. Wer mitspielen will im weltweiten Mediengeschäft, muß hier Präsenz zeigen. Der Times Square im Zentrum der Stadt: Hier steht der sogenannte Bertelsmann-Tower. Über 30 % seines weltweiten Geschäfts steuert der Gütersloher Konzern mittlerweile von seiner us-amerikanischen Zentrale aus. Im letzten Jahr gelang der große Coup: Mit Erwerb der ehemals jüdischen Verlagsgruppe Random House wuchs Bertelsmann auch in den USA zum Medien-Giganten heran.

Der spektakuläre Deal mit den amerikanischen Verlagen machte Bertelsmann zur mit Abstand größten Verlagsgruppe weltweit. Für den Kauf brauchte der Konzern ein blitzsauberes Firmen-Image. Genau so, wie es der Vorstandsvorsitzende Middelhoff letztes Jahr in New York präsentierte:

"Ich schätze mich sehr glücklich, für ein Unternehmen zu arbeiten, das sich schon immer eingesetzt hat für die Freiheit der Religionen und der Rassen. Während des Zweiten Weltkrieges haben wir Bücher publiziert, die vom Dritten Reich als 'subversiv' verboten wurden.
Die fortlaufende Existenz von Bertelsmann war eine Bedrohung für die Nazis bei ihrem Versuch, die Meinungsfreiheit unter ihre Kontrolle zu bringen."

Bertelsmann als Widerstandsverlag. Das kam gut an in den Vereinigten Staaten. Doch wie sah das Verlagsprogramm von Bertelsmann in der NS-Zeit wirklich aus? Hier in der Deutschen Bücherei in Leipzig finden sich heute noch die Bücher, die als Kriegs- und Nazi-Propaganda von den Alliierten nach 1945 verboten wurden, darunter viele Bücher von Bertelsmann.

Jörg Räuber, Deutsche Bücherei Leipzig: "Diese Literatur vermittelte stark anti-semitische, rassistische, militaristische Inhalte und die nationalsozialistische Propaganda, und der Bertelsmann-Verlag war einer der herausragenden Vertreter, der solche Literatur produzierte."

NS-Propaganda aus dem Hause C. Bertelsmann. Und das von Anfang an: "Sterilisation und Euthanasie" - eine Rechtfertigungsschrift für das spätere NS-Erbgesundheitsgesetz erschien bereits 1933. Nur ein Jahr später: Der "Kleine Katechismus für den braunen Mann". Und immer wieder: Unverhohlener Antisemitismus, publiziert von Bertelsmann. Herbert Volcks "Rebellen um Ehre", eine antisemitische Kampfschrift - ganz im Sinne des NS-Propagandaministeriums.

Josef Goebbels, Reichspropagandaminister: "Die nationale Politik eines Volkes findet ihren beredetsten Ausdruck, ja ihr Symbol, in Buch und Schwert. Wir Männer der nationalsozialistischen Tat könnten ein Leben ohne Buch nicht mehr als lebenswert erachten."

Der Historiker Hersch Fischler hat die Beziehungen des Bertelsmann-Verlags zu Goebbels Propagandaministerium intensiv erforscht. Die Bertelsmann-Geschichte vom Widerstandsverlag ist für ihn eine einzige Lebenslüge.

Hersch Fischler, Historiker: "Wenn Bertelsmann behauptet, es wäre ein Widerstandsverlag gewesen, dann ist das eine sehr nützliche Legende für Bertelsmann, aber sie hat mit der historischen Wahrheit nichts zu tun."

Reporter: "Was haben Sie herausgefunden?"

Hersch Fischler, Historiker: "Bertelsmann hatte sehr gute Beziehungen zum Propaganda-Ministerium, zur nationalsozialistischen Partei, und hat diese Beziehungen genutzt, um Geschäfte zu machen."

Der Bertelsmann-Verlag Hand in Hand mit dem NS-Propaganda-Ministerium? Ein Bild, das man im Firmensitz Gütersloh bis heute nicht wahrhaben will. In der immer noch gültigen Firmenchronik des Unternehmens stellt man sich lieber als konfessionellen Verlag mit Kontakten zur bekennenden Kirche dar. Man sei den Machthabern ein Dorn im Auge gewesen, heißt es. Ende 1943 sei der Konflikt sogar eskaliert. Zitat:

"Der C. Bertelsmann Verlag wurde von den Nationalsozialisten kurz darauf geschlossen."

Eine offensichtliche Legende, für die der Bertelsmann-Konzern bisher nicht einen einzigen Beweis vorlegen konnte. Die Dokumente im Staatsarchiv von Detmold belegen sogar das Gegenteil: Wegen seiner kriegswichtigen Aufgaben, so steht es in den Akten der Staatsanwaltschaft Bielefeld aus dem Jahr 1944, sollte der C. Bertelsmann Verlag von einer Schließung ausdrücklich verschont bleiben. Und weiter heißt es:

"Die Firma C. Bertelsmann hat ... sich auch bei den maßgeblichen Stellen des Staates, der Wehrmacht und der Partei außerordentliches Ansehen erworben."

Außerordentliches Ansehen - vor allem durch Geschäfte mit der Wehrmacht im sogenannten Feldpostbuchhandel. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs begann für Bertelsmann der rasante Aufstieg. Der Verlag avancierte zum Kriegsgewinnler - vor allem auch im Geschäft mit der Kriegspropaganda: Rund 20 Millionen Gesamtauflage alleine für die Wehrmacht - kein anderer privater Verlag profitierte so sehr vom Kriegsgeschäft wie Bertelsmann.

Titel eines selbsternannten Widerstandsverlages: "Deutsche Tanks fahren in die Hölle" - "Wir knacken einen Geleitzug" - "Der Berg des Blutes" - "Sturm auf den Annaberg" - "Ein Stoßtrupp dringt in Warschau ein".

Siegfried Lokatis, Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam: "Man muß sagen, daß damals Bertelsmann im Kriegsbuchhandel und im Feldposthandel die Nummer 1 wurde, unmittelbar neben den direkt nationalsozialistischen Firmen, und man wird also in diesem Ausmaß der wirklich enormen märchenhaften Gewinne, die man in dieser Zeit mit diesem Geschäft machen konnte, sicherlich nicht mehr von einer Anpassung reden können, die man machen mußte, wie man das dann natürlich nach 1945 wiederum gern gesehen hätte."

Und wie man es heute auch noch gerne sieht. Wie hartnäckig Bertelsmann an seiner Lebenslüge vom Widerstandsverlag festhält, mußten Journalisten des 3sat-Magazins "Kulturzeit" erleben. Hier hatte man vor einigen Monaten damit begonnen, die NS-Vergangenheit von Bertelsmann zu recherchieren und auch einen Beitrag darüber gesendet. Als man jedoch weiter recherchieren wollte, gab es plötzlich Probleme.
Denn beim Bertelsmann-Konzern sah man die Recherchen der Journalisten überhaupt nicht gern - und intervenierte direkt bei den Intendanten des öffentlich-rechtlichen Senders. Bertelsmann-Pressechef Manfred Harnischfeger sah den guten Ruf seines Unternehmens durch die Journalisten bedroht und beschimpfte deren Arbeit als

"unheimlich und gefahrvoll".

Schließlich habe man sich nichts vorzuwerfen. Denn:

"Wir können uns nicht vorstellen, daß Bertelsmann in irgendeiner Weise zum publizistischen Handlanger des damaligen Regimes wurde."

Der Brief endet mit einer klaren Aufforderung an die 3sat-Verantwortlichen:

"Wir wären Ihnen dankbar, wenn ... Sie die notwendigen vorsorglichen Veranlassungen treffen."

Die Drohgebärden von Bertelsmann hatten offensichtlich Erfolg. Die Recherchen der Kulturzeit-Redaktion an einem weiteren Beitrag über die Geschichte des Unternehmens wurden zunächst einmal eingestellt. Der Medienexperte Volker Lilienthal vom Evangelischen Pressedienst hat sich intensiv mit dem Vorgang beschäftigt. Für ihn steht fest: Verantwortlich für den plötzlichen Recherche-Stop war vor allem der Intendant des ZDF.

Volker Lilienthal, Medienexperte, epd: "Nach meinen Erkenntnissen geht das Rechercheverbot für die Kulturzeit-Redaktion zurück auf ZDF-Intendant Dieter Stolte, der eine zu große persönliche Nähe zur Bertelsmann-Stiftung hat. Er sitzt in deren Aufsichtsrat, er sitzt in deren Jury für den Carl-Bertelsmann-Preis, da sind sozusagen Freunde, da sind Geschäftspartner unter sich, die immer viel Verständnis für das wechselseitige Anliegen haben. Daß Stolte diesem Verlangen von Bertelsmann, die Berichterstattung darüber zunächst einzustellen, nachgegeben hat, finde ich hoch problematisch, weil, gerade eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt sollte weiterhin immer daran interessiert sein, die Wahrheit allumfassend zu erkennen und nicht Rücksicht zu nehmen auf Einzelinteressen von privaten Konzernen."

Beim ZDF in Mainz weist man die Vorwürfe kategorisch zurück. Allerdings wenig überzeugend. Denn Intendant Dieter Stolte bestreitet gegenüber MONITOR auch, daß es überhaupt irgendeinen Versuch von Bertelsmann gegeben habe, die Berichterstattung zu beeinflussen.

Der Bertelsmann-Konzern möchte sich uns gegenüber nicht vor der Kamera äußern. Statt dessen verweist man auf einige Pressemitteilungen im Internet und eine unabhängige Historikerkommission, die in zwei bis drei Jahren endgültige Ergebnisse vorlegen soll. Darüber durfte dann auch 3sat wieder berichten - inklusive Eigenlob des Bertelsmann-Chefs.

Thomas Middelhoff, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG (21.12.98): "Wir haben vor zwei Wochen veröffentlicht, daß wir eine unabhängige Historiker-Kommission beauftragen, diesen Sachzusammenhang zu klären. Sie müssen mir mal ein Unternehmen zeigen auf diesem Globus, was eine derartig schnelle und entschiedene Reaktion zeigt."

Bertelsmann als Musterknabe? Die Reaktionen in den USA waren weniger euphorisch. Hier gab es keine gute Presse für das deutsche Medienunternehmen. Die braunen Flecken auf dem Saubermann-Image sorgten für Empörung in der New Yorker Presselandschaft. Der Medienexperte Paul Schiffrin hält die Einrichtung einer Historikerkommission durch Bertelsmann allenfalls für eine clevere PR-Aktion.

Paul Schiffrin, Medienexperte, New York: "Viele Menschen hier waren überrascht, als sie von den Vorwürfen gegenüber Bertelsmann und den Nazis hörten. Bertelsmann hätte bisher von sich aus viel mehr zur Aufklärung beitragen müssen, so daß das jetzige Verhalten ziemlich unaufrichtig erscheint. Den meisten hier fällt es schwer zu glauben, daß Bertelsmann bis jetzt so wenig über seine wirkliche Rolle in der Nazi-Zeit gewußt haben will."
Auch in New York wird Bertelsmann nun von seiner eigenen Geschichte eingeholt. Von seinem sauberen Firmen-Image muß sich der Medienkonzern wohl wider Willen verabschieden. Denn an die schöne Mär vom Widerstandsverlag glaubt hier niemand mehr.

Klaus Bednarz: "In seinen Firmengrundsätzen bekennt sich Bertelsmann zu Werten wie Unabhängigkeit, Toleranz und künstlerischer Freiheit. Es wäre schön, wenn sich das Medienunternehmen in Zukunft - was seine eigene Geschichte angeht - auch der Wahrheit verpflichtet fühlen würde."

© 1999 WDR Köln

 
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