Wien - Presseaussendungen
von FPÖ und Israelitischer Kultusgemeinde (IKG) liessen einen offenen
Konflikt sichtbar werden. Während IKG-Präsident Dr. Ariel Muzicant bereits
am Mittwoch den FP-EU-Abg. Peter Sichrovsky, weil dieser "einige Rabbiner
aus Israel" bezüglich der Politik von Jörg Haider "hinters Licht geführt"
habe, als "Haiders Hofjuden" bezeichnet hatte, konterte EU-Parlamentarier
Sichrovsky am Freitag mit einem offenen Brief der vier angesprochenen
Rabbiner. Sichrovsky, einer der Mitbegründer der Tageszeitung "Der
Standard"und Autor einiger Bücher, deren bekanntestes "Schuldig geboren"
ist, hatte hefige Konflikte mit mehreren Vorsitzenden jüdischer Gemeinden,
unter anderem mit Ignatz Bubis, dessen "Ghostwriter" Sichrovski war.
Die Rabbiner S.I. Halberstadt, E. Dünner, J. Posen, alle aus Israel,
sowie der deutsche Baruch Adler bezichtigten laut FP-Aussendung Muzicant
der Unwahrheit. Denn es sei "die Unwahrheit, daß Sichrovsky sie hinters
Licht geführt habe". Die Aussendung der vier Rabbiner zum Wahlresultat
in Kärnten vom 10. März (darin heißt es: "Ihnen sei weder eine
antisemitische noch eine antiisraelische Aussage von Jörg Haider
bekannt. Es gebe keine Gefahr für die Juden in Österreich", Anm.) sei
"beabsichtigt gewesen und unter voller Kenntnis der politischen
Situation in Österreich" verfaßt worden. Muzicant hatte Sichrovsky
weiters vorgeworfen, die öffentliche Meinung zu manipulieren.
Den neu gegründeten "Bund der gesetzestreuen Juden in Deutschland",
dessen Vorsitzender Sichrovsky ist, bezeichnete der IKG-Präsident als
"obskur". Beide Vorwürfe wurden laut FPÖ von den vier Rabbinern
zurückgewiesen. Muzicant selbst warf die FPÖ, er lasse sich "für
politische Zwecke mißbrauchen".
Nach dem Wahlerfolg Haiders in Kärnten (seine rechtspopulistische FPÖ
erhielt 42% der Stimmen) war Muzicant einer der wenigen, die Haiders
kalkulierte Ausrutscher der letzten Jahre zur Sprache brachten. So hatte
Haider von einer "Ordentlichen Beschäftigungspolitik" der Nazis
gesprochen, hatte Konzentrationslager als "Straflager" bezeichnet und
SS-Veteranen als "anständig" bezeichnet. Der frühere österreichische
Kanzler Vranitzky warnte deutlich vor der Einbindung Haiders in jegliche
Machtstrukturen. Die Sozialdemokraten und die konservative Volkspartei,
beide in einer großen Koalition verbunden, scheinen kein Rezept gegen
den Aufstieg Haiders zu finden.
SLW