Relative Mehrheit für Rechtspopulisten im Bundesland Kärnten:
Haiders unaufhaltsamer
Aufstieg
anton legerer, Jr. / anton@hagalil.com
Jüdische Rundschau Nr. 10 vom 11.3.1999, Seite 7
In drei der neun österreichischen Bundesländer - Salzburg,
Tirol und Kärnten - fanden vergangenen Sonntag Wahlen zu den Landtagen, den
Regionalparlamenten, statt. Über Österreich hinaus erlangten die Wahlen zum
Kärntner Landtag Aufsehen. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) von
Jörg Haider konnte dort ihren Stimmenanteil um ein Viertel auf 42 % der
abgegebenen Stimmen erhöhen, in den beiden anderen Ländern kam die FPÖ auf
19,6 % (Salzburg, keine Veränderung zur letzten Wahl 1994) bzw. auf 19,7 %
(Tirol, 3,5 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren). Über alle drei
Bundesländer gemittelt hat Haiders FPÖ mehr als 26 % der Stimmen erhalten.
Mit dem Kärntner Wahlausgang ist die rechtspopulistische Partei erstmals als
stimmenstärkste Partei hervorgegangen - nach dem Nationalsozialismus vor
erst etwas mehr als einem halben Jahrhundert ein Dammbruch.
Die Assoziation mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und
Haiders diesbezüglichen Aussagen macht auch der Präsident der Wiener und
der Bundes-IKG, Ariel Muzicant, der in einem Telefonat mit der Rundschau
von seiner Trauer darüber sprach, daß "so viele Menschen" eine Partei
gewählt haben, deren Obmann wiederholt neonazistische Aussagen getätigt
hat, ohne diese bis heute widerrufen zu haben. Muzicant erwähnt drei der
bedeutendsten Aussagen Haiders: seine Diktum über die "ordentliche
Beschäftigungspolitik des dritten Reiches", das er 1991 als Kärntner
Landeshauptmann im Landtag tätigte, und deretwegen er von den
Sozialdemokraten (SPÖ) und der konservativen Volkspartei (ÖVP) abgewählt
worden war, seine verharmlosende Bezeichnung von Konzentrationslagern
als "Straflager" und der von ihm vorgenommenen Würdigung von ehemaligen
SS-Angehörigen.
Direkt antisemitische Aussagen Haiders sind keine bekannt, auch nicht
zum zeitgenössischen jüdischen Leben in Österreich. Ganz im Gegenteil:
Haider stellte sogar den Wiener Juden Peter Sichrovsky als Kandidat für
die Europawahlen auf. Den mittlerweile verstorbenen Psychologen und
KZ-Überlebenden Viktor E. Frankl bezeichete er als seinen "guten
Freund". Antisemitische Aussagen wurden allerdings immer wieder aus
Haiders Umfeld bekannt - und von ihm toleriert, jedenfalls nicht
widersprochen.
Jörg Haider hatte die traditionell national ausgerichtete FPÖ 1986
putschartig übernommen und führte die bis dahin mit einem Wähleranteil
von rund fünf Prozent stagnierende Partei, die ab 1983 mit der SPÖ eine
Koalitionsregierung bildete, von einem Wahlerfolg zum nächsten. Bei den
letzten Nationalratswahlen 1995 erreichte die FPÖ 22 % der Stimmen. Bis
zu den letzten Wahlen schien damit der Höhepunkt von Haiders Erfolg
überschritten, Haiders Lieblingsthemen Ausländerpolitik und Korruption
wurden von Korruptionsfällen in der eigenen Partei überschattet. Auch
schien sein despotischer Führungsstil - so setze er im Vorjahr sämtliche
FP-Funktionäre in Salzburg ab und dann wieder ein - die Grenzen seiner
Politik aufzuzeigen. Nach der Erringung der relativen Mehrheit gilt eine
erneute Wahl Haiders zum Landeshauptmann - diese Wahl hat durch den
neuen Landtag zu erfolgen - als sehr wahrscheinlich, zumal im Gefolge
des überraschenden Wahlerfolgs die Spitzenkandidaten von SPÖ und ÖVP den
Anspruch auf diese Funktion aufgegeben haben. Nach letzten Meldungen
möchte die SPÖ doch noch einen eigenen Kandidaten aufstellen, bei
Nicht-Wahl würde die in Kärnten einst dominierende SPÖ die Wahl Haiders
nicht "blockieren".
Die geschätzten 16000 in Österreich lebenden Juden - nur rund die
Hälfte ist als Mitglied bei einer Gemeinde registriert - verfolgen die
österreichische Politik sehr aufmerksam, für viele ist der Wahlausgang
vom letzten Sonntag die Fortsetzung eines langjährigen Trends und damit
wenig überraschend. Zum Teil wird dafür auch die fehlende Alternative in
der politischen Auseinandersetzung der beiden auf Bundesebene
koalierenden Parteien ÖVP und SPÖ verantwortlich gemacht. Haiders
ausländerfeindlichen Parolen versuchten sie mit restriktiveren
Ausländergesetzen entgegenzuhalten, seinen wiederholten Aussagen zum
Nationalsozialismus konnten sie nur ungenügend und unwillig
entgegentreten - zu groß war und ist die Angst vor weiterem
Wählerschwund. Die Angst vor der eigenen Bevölkerung dient zudem bis
heute als Argumentation für unzureichende Restitutions- und
Entschädigungsleistungen. Darin liegt auch die wahrscheinlichste, nun zu
befürchtende Konsequenz auf Bundesebene: die Restitutions- und
Entschädigungszahlungen - erst vor wenigen Monaten wurde eine
Historikerkommission eingesetzt - könnten weiter verzögert werden.
Kommentar:
Haiders Österreich
haGalil
onLine - Montag 15-03-99 |