'Goldene Kamera' einmal anders:
Schönherr fordert 'Recht auf
Erinnerung'
Laudatio, herzliche Gratulation, kurze Dankesrede und
Grüße an Familie, Freunde und Kollegen..., in diesem Rahmen bewegen sich
Film- und Fernsehpreisverleihungen im Allgemeinen. Bei der als
"Millennium-Gala" gefeierten Veranstaltung zur 'Goldenen Kamera' in Berlin,
fiel denn auch der Beitrag von Dietmar Schönherr deutlich aus dem Rahmen.
Schönherr (72), der für seine Rolle als Commander McLane
in "Raumpatrouille Orion" einen der ' Jahrhundertpreise' erhielt, nützte
diese Gelegenheit um sich zur Walser-Rede zu äußern und klar und deutlich zu
fordern, dass 'historische Verantwortung in unserem Bewußtsein
festgeschrieben' sein müsse.
Sogleich folgten Relativierungen und Spekulationen, warum
und weshalb Schönherr zu so einer Rede komme. Das ZDF wollte Schönherrs Rede
bei Ausstrahlung (12.2.99) einer Aufzeichnung von der Veranstaltung (9.2.99)
diesen Part nur gekürzt wiedergeben.
Dietmar Schönherr bei der Verleihung einer
Goldenen Kamera von HÖRZU am Dienstag, den 9. Februar 1999 in Berlin,
vom ZDF ausgestrahlt am Sonntag, den 14. Februar 1999
Ich bin dankbar, bewegt, also auf
gut deutsch: ich freue mich sehr, daß die HÖRZU mir diese Goldenen
Kamera zuerkannt hat. Ich danke Ihnen allen für diesen überaus
liebenswürdigen Applaus. Ich danke dem Fernsehpublikum für seine Treue.
Ich danke der Redaktions-Jury, aber mein Freund Tommy [Thomas
Gottschalk] hat vorhin gesagt, das wäre so etwas wie eine Feierstunde.
Dem möchte ich gerecht werden.
Vor einigen Wochen, anläßlich
der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, hat ein
Mann meiner Generation mit einer verschwommenen wolkigen Rede Unfrieden
gestiftet. Die Elite der deutschen Politik hat stehend applaudiert. Der
unpolitische Großdichter sprach von der "Auschwitzkeule", von der er
sich bedroht fühlt und von einer Methode des "Wegschauens" und
"Wegdenkens".
Er sprach davon, daß das Gewissen
eine ganz persönliche Angelegenheit sei. Mag er damit recht haben; ich
möchte mir, und ich glaube, ich spreche im Namen von sehr vielen in
diesem Saal und ganz bestimmt im Namen des großen Axel Springer, ich
möchte mir weder von Herrn Walser noch von irgendjemandem vorschreiben
lassen, wie ich mit meinem Gewissen umzugehen habe.
Ich möchte mich immer – und das ist die
Feierstunde – erinnern dürfen, im Schmerz und im Bewußtsein des
wegschauenden Versagens, an die vielen Kollegen, die von einem
menschenverachtenden Mörderregime um ihr Leben gebracht worden sind,
ganz besonders an:
Joachim Gottschalk, Schauspieler,
Stefan Zweig, Schriftsteller,
Kurt Tucholsky, Satiriker und Schriftsteller, von den Nazis in den
Selbstmord getrieben.
Erich Mühsam, Schriftsteller, in Oranienburg ermordet.
Jura Soyfer, Schriftsteller, in Buchenwald ermordet,
und so wie er auch Paul Morgan, Filmschauspieler,
Fritz Grünbaum, Filmschauspieler und Kabarettist, in Dachau ermordet.
Alice Dorell, Schauspielerin,
Kurt Gerron, Regisseur, Kabarettist und Schauspieler,
Dora Gerson, Schauspielerin,
Willy Rosen, Kabarettist und Filmkomponist,
Otto Walburg, Kabarettist und Filmschauspieler.
Alle in Auschwitz ermordet. Sie
alle waren unserem Medium aufs tiefste verbunden. Sie alle waren berühmt
damals und beliebt und wurden trotzdem umgebracht. Und einige von ihnen
hätten ganz bestimmt nicht nur eine, sondern mehrere goldene Kameras
verdient und auch bekommen.
Die Normalität, meine Damen und Herren, die wir
uns alle offenbar so sehr wünschen, kann für die deutsche Nation und
auch für uns Österreicher nur dann eintreten, wenn wir lernen, den
aufrechten Gang zu gehen, wenn wir alle, fähig zu trauen, unsere
historische Verantwortung in unserem Bewußtsein festschreiben, wenn wir
und die nachkommenden Generationen erlernen, mit unserer Vergangenheit
zu leben. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
haGalil
onLine - Dienstag 16-02-99 |