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Meldungen aus den Jahren 1995 - 1999 |
 
Die Union weiß ganz genau was sie tut:
Abstimmungsmotto 'Ausländer raus'?
Die CDU-Unterschriftenaktion wird diese Woche auch in Mecklenburg-Vorpommern
starten. Die Zustimmung sei groß und viele Kreisverbänden fragten bereits
ungeduldig an, wann die Aktion endlich beginne, so Angela Merke,
CDU-Generalsekretärin und Landesvorsitzende der Union. Der Landesvorstand
habe sich einvernehmlich für das Vorhaben ausgesprochen, sagte sie weiter.
Die in Hessen bereits angelaufenen Kampagne betrachtet
der hessische CDU-Chef Roland Koch als eine machtvolle Demonstration des
Bürgerwillens. Der Andrang an die Unterschriftenstände der Union sei
überwältigend: Der deutsche Bürger ist gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft! In weniger als 15 Minuten waren die Listen voll, so
der Unionsabgeordnete Klein.
Erregte
Bürger stehen um die CDU-Tische. Unionsanhänger beschimpfen einige
Sympathisanten der 'Grünen', die die CDU-Aktion als geistige
Brandstiftung verurteilen. 'Die Aktion spaltet die Gesellschaft', so
Hubert Müller, Kandidat der 'Grünen', 'es gibt nur noch Ja oder Nein.
Viele Bürger fassen die Aktion als eine Abstimmung gegen Türken auf.'
Besonnene Gespräche sind kaum mehr möglich. Viele der
Unionsanhänger äußern Bürger offenen Nationalismus: 'Die Türken gehören doch
nicht nach Europa!'. Eine Frau ruft 'Die Türken suchen doch nur ihren
Vorteil und die Roten helfen denen noch'. Eine ältere Dame erklärt ihre
Zustimmung zur CDU-Aktion: 'Es ist endlich Zeit, dass die Union hier
aufräumt. Überall stehen doch schon Ausländer herum, das ist doch eine
Sauerei!'.
Die CDU-Aktivisten am Stand mischen sich in diese Gespräche nicht ein.
Ab und zu nicken sie oder lächeln zufrieden. Neue Listen werden
ausgelegt. Kugelschreiber sind zur Hand. Man will auf die Gefahren der
Überfremdung hinweisen. Die Angst im Volke müsse ernst genommen werden,
so eine der Aktivistinnen. Natürlich sei die Gefahr, daß die
Unterschriftenaktion als gegen Ausländer allgemein gerichtet
mißverstanden werden könne. Sollte aber der doppelte Paß kommen, könne
in Deutschland so etwas wie einen Staat im Staat entstehen.
'Ich möchte deutsch bleiben', so ein älterer Herr. Die Ausländer werden
die deutsche Kultur zurückdrängen, wenn die doppelte Staatsbürgerschaft
kommt. Über soviel Zustimmung freut sich die hessische CDU. In 3 Wochen
wird gewählt, und die Union liegt in allen Umfragen deutlich hinter der
SPD. Unions-Chef Koch betont deshalb noch einmal: 'Die Sozialdemokraten
müssen sich das mit der doppelten Staatsbürgerschaft noch einmal gut
überlegen, wenn sie die Hessen-Wahl verlieren. Das sollte jeder wissen,
der zur Wahl geht!'.
Auch in Berlin findet die Unterschriftenaktion großen Zuspruch.
In stetem Zustrom kommen Bürger, die die Warnungen der Union vor
weiterer Einflussnahme der Ausländer verunsichert hat. Eine junge Mutter
lässt sich von einem Unionsmitglied noch einmal erklären was passieren
kann, wenn Ausländer Wahlrecht in Deutschland erhalten. Trotz
Nieselwetter steht auch der Generalsekretär der Berliner CDU, Volker
Liepelt, seinen Mann und wirbt um ein klares Nein zu den
Regierungsplänen für eine erleichterte Einbürgerung. 'Das wurde ja auch
endlich mal Zeit', lautete ein häufiger Kommentar derer, die sich in die
Listen eintrugen. Die Unterschriftensammlung begann so erfolgreich, daß
mittags schon neue Listen nachgedruckt werden mußten.
Unterdessen demonstrierten Bundeskanzler Gerhard Schröder und die
Grünen harmonische Geschlossenheit. In Wörlitz habe es sehr angeregte
Gespräche über die gemeinsamen Regierungsprojekte gegeben, so Schröder
nach einem eineinhalbstündigen Besuch bei der Klausurtagung der
Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt. Er habe
eine 'sehr diskussionsbereite und -fähige Fraktion' vorgefunden, die die
'Bundesregierung richtig fordert'. Man habe sich vorgenommen, die
zentralen Reformprojekte gemeinsam durchzuziehen. Und wir werden die
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen gemeinsam führen'. In
wesentlichen Punkten, wie dem Bündnis für Arbeit, dem Bundeshaushalt,
der ökologischen Steuerreform und dem Ausstieg aus der Atomenergie habe
es Einigkeit gegeben. Von den Grünen wurde der Besuch Schröders nach den
schwierigen Anfangswochen der rot-grünen Koalition allgemein als Symbol
gewertet.
Unterschiedliche Ansichten räumte der Bundeskanzler zur sogenannten
Sozialklausel im Gesetz über die doppelte Staatsbürgerschaft ein,
welches von einem einbürgerungswilligen Ausländer fordert, daß er sich
und seine Familie selbst finanziell unterhalten kann, also keine Sozial-
oder Arbeitslosenhilfe bezieht. 'Darauf können wir aus meiner Sicht
nicht verzichten', bekräftigte Schröder. Rezzo Schlauch (Grüne) verwies
darauf, daß die Sozialklausel unverschuldete Unterhaltsunfähigkeit und
damit Härtefälle berücksichtige. Bei der 'Größe der Aufgabe, die wir uns
vorgenommen haben', werde dies kein unlösbarer Streitpunkt sein. Die
Unterschriftenaktion der CDU bezeichnete Bundeskanzler Gerhard Schröder
als 'sehr unanständig'. Die 'Propaganda der Gegenseite' führe dazu, daß
viele Menschen, die sich nicht mit Politik beschäftigten, verunsichert
würden.
haGalil
onLine - Sonntag 17-01-99 |
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